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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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2 Männer und 7 Kinder getötet, ja sie drangen bis Urubu bei der Pulverfabrik,
5 Leguas von der Hauptstadt, vor.

Jener Lieutenant Antonio Jose Duarte, den ich soeben erwähnt habe,
führte endlich den glücklichen Umschwung in den unleidlichen Zuständen herbei.
Er schickte gefangene Frauen mit reichen Geschenken zurück, versprach mehr,
wenn die Männer kämen und so gelang endlich die Versöhnung. Im Januar 1887
brachte er gegen 400 Bororo nach Cuyaba. Es muss ein merkwürdiges Treiben
in den Strassen der Stadt gewesen sein. Am meisten freute man sich der Kinder,
die sich sehr borstig zeigten und kleinen Jaguaren vergliche wurden "somente
unha e dente
" "nur Krallen und Zähne"; die Frauen stiegen über die Gartenmauern
und kletterten nach ihrer Gewohnheit auf die Bäume, um sich Früchte herab-
zuholen.

Die Provinz atmete auf, man schätzte die Bororo mit der üblichen Ueber-
treibung auf 10,000 Seelen und sah alle diese 10,000 bereits im Geiste Mandioka
pflanzen und auf den Zuckermühlen arbeiten. Die Regierung stellte sofort 70 Contos
(a 1000 Milreis) zur Verfügung der Katechese und die Bürgerschaft steuerte frei-
willig 3 Contos bei, was zusammen damals etwa einigen 140,000 Mark entsprach.
Die Ausgaben erhöhten sich in kurzer Zeit auf 118 Contos. Die Indianer wurden
in zwei Kolonien angesiedelt; die eine an der Mündung des Prata in den
S. Lourenco wurde Thereza Christina nach der Kaiserin, die andere, an der
Mündung des Piquiry in den S. Lourenco, Izabel nach der Kronprinzessin und
Gemahlin des Grafen d'Eu genannt. Auch gründete der Präsident ein "Collegio
de Nossa Senhora da Conceicao" für die Erziehung der Indianerkinder -- ein Kolleg,
das niemals von Schülern besucht worden ist.

Feierlich wurde die ganze Gesellschaft von dem Bischof getauft. Der da-
malige Präsident Don Alvaro Marcondes und seine Gemahlin waren Pate und
Patin für Alle; der Häuptling Moguyokuri, dessen persönliche Bekanntschaft
wir noch machen werden -- eine prachtvolle Indianergestalt in der That, 1,9 m
hoch und trotz einiger angeborenen Brutalität ein urgemütlicher Biedermann --,
empfing den Namen Alvaro. Sein Christentum hat sich freilich darauf beschränkt,
dass er sich dieses Namens einige Tage noch erinnerte.

"Muguiocury", berichtete das "Jornal do Commercio" in einem Cuyabaner
Brief, "scheint mit der Sache der Zivilisation seines Stammes ganz
indentifiziert
, besucht fleissig den Palast, um den Präsidenten zu besuchen und
ihm Geschenke zu bringen; er bezeigt für diesen die grösste Sympathie und
nennt ihn "Pate", indem er ihm die Hand küsst, so oft er ihn sieht. Jedesmal
wenn er dem Präsidenten begegnet, trägt er seine Zufriedenheit mit vielem
Lachen und wiederholtem Umarmen zur Schau."

Difficile est, satiram non scribere. Es ist sogar sehr schwer. Der gute
Moguyokuri hatte gewiss, soweit sein Verstand reichte, den besten Willen, wenn
man es an Geschenken nicht fehlen liess. Der Indianer, der Offizier, der Liefe-
rant, jeder auf seine Weise, will sich bereichern, das ist die Katechese. Die

2 Männer und 7 Kinder getötet, ja sie drangen bis Urubú bei der Pulverfabrik,
5 Leguas von der Hauptstadt, vor.

Jener Lieutenant Antonio José Duarte, den ich soeben erwähnt habe,
führte endlich den glücklichen Umschwung in den unleidlichen Zuständen herbei.
Er schickte gefangene Frauen mit reichen Geschenken zurück, versprach mehr,
wenn die Männer kämen und so gelang endlich die Versöhnung. Im Januar 1887
brachte er gegen 400 Bororó nach Cuyabá. Es muss ein merkwürdiges Treiben
in den Strassen der Stadt gewesen sein. Am meisten freute man sich der Kinder,
die sich sehr borstig zeigten und kleinen Jaguaren vergliche wurden „sómente
unha e dente
“ »nur Krallen und Zähne«; die Frauen stiegen über die Gartenmauern
und kletterten nach ihrer Gewohnheit auf die Bäume, um sich Früchte herab-
zuholen.

Die Provinz atmete auf, man schätzte die Bororó mit der üblichen Ueber-
treibung auf 10,000 Seelen und sah alle diese 10,000 bereits im Geiste Mandioka
pflanzen und auf den Zuckermühlen arbeiten. Die Regierung stellte sofort 70 Contos
(à 1000 Milreis) zur Verfügung der Katechese und die Bürgerschaft steuerte frei-
willig 3 Contos bei, was zusammen damals etwa einigen 140,000 Mark entsprach.
Die Ausgaben erhöhten sich in kurzer Zeit auf 118 Contos. Die Indianer wurden
in zwei Kolonien angesiedelt; die eine an der Mündung des Prata in den
S. Lourenço wurde Thereza Christina nach der Kaiserin, die andere, an der
Mündung des Piquiry in den S. Lourenço, Izabel nach der Kronprinzessin und
Gemahlin des Grafen d’Eu genannt. Auch gründete der Präsident ein »Collegio
de Nossa Senhora da Conceição« für die Erziehung der Indianerkinder — ein Kolleg,
das niemals von Schülern besucht worden ist.

Feierlich wurde die ganze Gesellschaft von dem Bischof getauft. Der da-
malige Präsident Don Alvaro Marcondes und seine Gemahlin waren Pate und
Patin für Alle; der Häuptling Moguyokuri, dessen persönliche Bekanntschaft
wir noch machen werden — eine prachtvolle Indianergestalt in der That, 1,9 m
hoch und trotz einiger angeborenen Brutalität ein urgemütlicher Biedermann —,
empfing den Namen Alvaro. Sein Christentum hat sich freilich darauf beschränkt,
dass er sich dieses Namens einige Tage noch erinnerte.

»Muguiocury«, berichtete das »Jornal do Commercio« in einem Cuyabaner
Brief, »scheint mit der Sache der Zivilisation seines Stammes ganz
indentifiziert
, besucht fleissig den Palast, um den Präsidenten zu besuchen und
ihm Geschenke zu bringen; er bezeigt für diesen die grösste Sympathie und
nennt ihn »Pate«, indem er ihm die Hand küsst, so oft er ihn sieht. Jedesmal
wenn er dem Präsidenten begegnet, trägt er seine Zufriedenheit mit vielem
Lachen und wiederholtem Umarmen zur Schau.«

Difficile est, satiram non scribere. Es ist sogar sehr schwer. Der gute
Moguyokuri hatte gewiss, soweit sein Verstand reichte, den besten Willen, wenn
man es an Geschenken nicht fehlen liess. Der Indianer, der Offizier, der Liefe-
rant, jeder auf seine Weise, will sich bereichern, das ist die Katechese. Die

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[446/0510] 2 Männer und 7 Kinder getötet, ja sie drangen bis Urubú bei der Pulverfabrik, 5 Leguas von der Hauptstadt, vor. Jener Lieutenant Antonio José Duarte, den ich soeben erwähnt habe, führte endlich den glücklichen Umschwung in den unleidlichen Zuständen herbei. Er schickte gefangene Frauen mit reichen Geschenken zurück, versprach mehr, wenn die Männer kämen und so gelang endlich die Versöhnung. Im Januar 1887 brachte er gegen 400 Bororó nach Cuyabá. Es muss ein merkwürdiges Treiben in den Strassen der Stadt gewesen sein. Am meisten freute man sich der Kinder, die sich sehr borstig zeigten und kleinen Jaguaren vergliche wurden „sómente unha e dente“ »nur Krallen und Zähne«; die Frauen stiegen über die Gartenmauern und kletterten nach ihrer Gewohnheit auf die Bäume, um sich Früchte herab- zuholen. Die Provinz atmete auf, man schätzte die Bororó mit der üblichen Ueber- treibung auf 10,000 Seelen und sah alle diese 10,000 bereits im Geiste Mandioka pflanzen und auf den Zuckermühlen arbeiten. Die Regierung stellte sofort 70 Contos (à 1000 Milreis) zur Verfügung der Katechese und die Bürgerschaft steuerte frei- willig 3 Contos bei, was zusammen damals etwa einigen 140,000 Mark entsprach. Die Ausgaben erhöhten sich in kurzer Zeit auf 118 Contos. Die Indianer wurden in zwei Kolonien angesiedelt; die eine an der Mündung des Prata in den S. Lourenço wurde Thereza Christina nach der Kaiserin, die andere, an der Mündung des Piquiry in den S. Lourenço, Izabel nach der Kronprinzessin und Gemahlin des Grafen d’Eu genannt. Auch gründete der Präsident ein »Collegio de Nossa Senhora da Conceição« für die Erziehung der Indianerkinder — ein Kolleg, das niemals von Schülern besucht worden ist. Feierlich wurde die ganze Gesellschaft von dem Bischof getauft. Der da- malige Präsident Don Alvaro Marcondes und seine Gemahlin waren Pate und Patin für Alle; der Häuptling Moguyokuri, dessen persönliche Bekanntschaft wir noch machen werden — eine prachtvolle Indianergestalt in der That, 1,9 m hoch und trotz einiger angeborenen Brutalität ein urgemütlicher Biedermann —, empfing den Namen Alvaro. Sein Christentum hat sich freilich darauf beschränkt, dass er sich dieses Namens einige Tage noch erinnerte. »Muguiocury«, berichtete das »Jornal do Commercio« in einem Cuyabaner Brief, »scheint mit der Sache der Zivilisation seines Stammes ganz indentifiziert, besucht fleissig den Palast, um den Präsidenten zu besuchen und ihm Geschenke zu bringen; er bezeigt für diesen die grösste Sympathie und nennt ihn »Pate«, indem er ihm die Hand küsst, so oft er ihn sieht. Jedesmal wenn er dem Präsidenten begegnet, trägt er seine Zufriedenheit mit vielem Lachen und wiederholtem Umarmen zur Schau.« Difficile est, satiram non scribere. Es ist sogar sehr schwer. Der gute Moguyokuri hatte gewiss, soweit sein Verstand reichte, den besten Willen, wenn man es an Geschenken nicht fehlen liess. Der Indianer, der Offizier, der Liefe- rant, jeder auf seine Weise, will sich bereichern, das ist die Katechese. Die

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/510>, abgerufen am 22.11.2024.