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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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die von der Pike auf dienen und deren Beförderung wesentlich von der Protektion
abhängt. Unser Eliseo hatte Sergeantenrang und meinte, er würde sofort Leutnant
werden, wenn ich mich für ihn in Rio verwendete. Er war ein guter und gewissen-
hafter Mensch und hätte Nützliches leisten können, wenn er das Recht gehabt
hätte, nach seiner eigenen Meinung zu handeln. Ein zweiter Kadett mit Unter-
offiziersrang hiess Caldas, ein junger Mann, musikalisch und für eine Zulage
Magister der Bororoknaben. Er hatte auch ein Vokabular angelegt und war also
der Repräsentant von Kunst und Wissenschaft. Dann gab es noch einen Kadetten
Joaquim, den Apotheker und den Verwalter Ildefonso. Weitaus die wichtigste
Persönlichkeit für mich aber war Clemente, der 13 Jahre in Gefangenschaft der
Bororo gelebt hatte und jetzt etwa 28 Jahre zählte. Sein Vater Manoel Pedroso
de Alvarenga wohnte am Peixe de couro, einem Nebenflüsschen des in den
S. Lourenco einmündenden Piquiry. Im September 1873 überfielen die Bororo
dort 5 Kinder beim Baden; zwei wurden getötet, eins entkam, zwei wurden mit-
genommen, Clemente und ein jüngerer Bruder. Er erzählte, man habe ihnen die
Hände vor die Augen gebunden und sie fünf Tage ohne Aufenthalt auf dem
Rücken zum Dorfe fortgeschleppt. Der Bruder sei bald gestorben. 1886 wurde
Clemente von den Bororo wieder ausgeliefert. Allein er war inzwischen selbst
Bororo geworden. Er ging nicht nur in ihrer Tracht mit Pfeil und Bogen, er
hatte nicht nur fast all sein Portugiesisch vergessen, sondern er hatte, wie ich zu
meinem Vorteil feststellen konnte, in seinem Denken und Wissen eine rein indiani-
sche Ausbildung erfahren. Auf der andern Seite hatte er mittlerweile wieder genug
von seiner Muttersprache gelernt, um mir als brauchbarer Dolmetscher helfen zu
können. Leider verliess er Thereza Christina vor uns, weil er dort "nichts lerne".
Die Offiziere wüssten selbst nichts. Bei seinem Heimatort lebe ein Mann, der
könne aber alle Kranken kurieren und jedes Schloss aufmachen.

Anlage der Kolonie. Das Hauptgebäude der Kolonie hatte zum Grundriss
ein langes, sehr schmales Rechteck. Es bestand aus einer Anzahl von Stuben
mit gestampftem Lehmboden, lehmbeworfenen Fachwerkwänden und niedrigem
Strohdach; die Thüren gingen alle nach derselben Seite auf den Hauptplatz
hinaus. Die Möbel beschränkten sich auf Tische, Stühle und Kasten. An dem
einen Ende befand sich Duarte's einfenstriges Zimmer, ohne Thüre nach aussen;
dann kam das Zimmer, wo gegessen wurde, wo Caldas am Morgen zuweilen
Schule abhielt und wo man überhaupt zusammenkam, mit einer Thüre nach dem
Platz, einer auch gegenüber nach hinten hinaus, links dem Eingang zu Duarte's
Zimmer und rechts der Thüre zu einem Proviantraum, in dem der Branntwein
aufbewahrt wurde und dessen Schlüssel im Verkehr mit den Indianern eine grosse
Rolle spielte. Es folgten sich dann noch mit Thüren auf den Platz die Cadea,
eine kleine Arreststube für die Soldaten, die immer besetzt war, und deren
Bewohner den Tag in der Hängematte verbringen musste, eine Stube für Eliseo
und den Verwalter und Vorratsräume. Der Apotheker besass seine wohlver-
proviantierte Giftküche in einem Häuschen für sich, das wenige Schritte entfernt

die von der Pike auf dienen und deren Beförderung wesentlich von der Protektion
abhängt. Unser Eliseo hatte Sergeantenrang und meinte, er würde sofort Leutnant
werden, wenn ich mich für ihn in Rio verwendete. Er war ein guter und gewissen-
hafter Mensch und hätte Nützliches leisten können, wenn er das Recht gehabt
hätte, nach seiner eigenen Meinung zu handeln. Ein zweiter Kadett mit Unter-
offiziersrang hiess Caldas, ein junger Mann, musikalisch und für eine Zulage
Magister der Bororóknaben. Er hatte auch ein Vokabular angelegt und war also
der Repräsentant von Kunst und Wissenschaft. Dann gab es noch einen Kadetten
Joaquim, den Apotheker und den Verwalter Ildefonso. Weitaus die wichtigste
Persönlichkeit für mich aber war Clemente, der 13 Jahre in Gefangenschaft der
Bororó gelebt hatte und jetzt etwa 28 Jahre zählte. Sein Vater Manoel Pedroso
de Alvarenga wohnte am Peixe de couro, einem Nebenflüsschen des in den
S. Lourenço einmündenden Piquiry. Im September 1873 überfielen die Bororó
dort 5 Kinder beim Baden; zwei wurden getötet, eins entkam, zwei wurden mit-
genommen, Clemente und ein jüngerer Bruder. Er erzählte, man habe ihnen die
Hände vor die Augen gebunden und sie fünf Tage ohne Aufenthalt auf dem
Rücken zum Dorfe fortgeschleppt. Der Bruder sei bald gestorben. 1886 wurde
Clemente von den Bororó wieder ausgeliefert. Allein er war inzwischen selbst
Bororó geworden. Er ging nicht nur in ihrer Tracht mit Pfeil und Bogen, er
hatte nicht nur fast all sein Portugiesisch vergessen, sondern er hatte, wie ich zu
meinem Vorteil feststellen konnte, in seinem Denken und Wissen eine rein indiani-
sche Ausbildung erfahren. Auf der andern Seite hatte er mittlerweile wieder genug
von seiner Muttersprache gelernt, um mir als brauchbarer Dolmetscher helfen zu
können. Leider verliess er Thereza Christina vor uns, weil er dort »nichts lerne«.
Die Offiziere wüssten selbst nichts. Bei seinem Heimatort lebe ein Mann, der
könne aber alle Kranken kurieren und jedes Schloss aufmachen.

Anlage der Kolonie. Das Hauptgebäude der Kolonie hatte zum Grundriss
ein langes, sehr schmales Rechteck. Es bestand aus einer Anzahl von Stuben
mit gestampftem Lehmboden, lehmbeworfenen Fachwerkwänden und niedrigem
Strohdach; die Thüren gingen alle nach derselben Seite auf den Hauptplatz
hinaus. Die Möbel beschränkten sich auf Tische, Stühle und Kasten. An dem
einen Ende befand sich Duarte’s einfenstriges Zimmer, ohne Thüre nach aussen;
dann kam das Zimmer, wo gegessen wurde, wo Caldas am Morgen zuweilen
Schule abhielt und wo man überhaupt zusammenkam, mit einer Thüre nach dem
Platz, einer auch gegenüber nach hinten hinaus, links dem Eingang zu Duarte’s
Zimmer und rechts der Thüre zu einem Proviantraum, in dem der Branntwein
aufbewahrt wurde und dessen Schlüssel im Verkehr mit den Indianern eine grosse
Rolle spielte. Es folgten sich dann noch mit Thüren auf den Platz die Cadêa,
eine kleine Arreststube für die Soldaten, die immer besetzt war, und deren
Bewohner den Tag in der Hängematte verbringen musste, eine Stube für Eliseo
und den Verwalter und Vorratsräume. Der Apotheker besass seine wohlver-
proviantierte Giftküche in einem Häuschen für sich, das wenige Schritte entfernt

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/516>, abgerufen am 22.11.2024.