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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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kehrssprache ist ein wunderbares Bororo-Portugiesich. Das Bororo wiegt in den
gewöhnlichen Scherzreden vor, d. h. es werden die für den Fall nötigen Sub-
stantiva, deren den Brasiliern bekannte Zahl schon ziemlich gering ist, mit zwei
Dutzend pronominalen, adjektivischen, adverbialen, auch ein paar verbalen Aus-
drücken in stereotyper Gleichmässigkeit verbunden, und die Eingeborenen selbst,
namentlich die Frauen, passen sich diesem "Pidgeon-Bororo" auch in ihrem
Sprechen bereitwillig an. Hauptperson ist der Häuptling Arateba im Zustande
chronischer Betrunkenheit; diesem oder jenem wird ein Teller mit Resten über-
lassen. Das ewig Weibliche drängt sich sehr in den Vordergrund; die Freundinnen
der Herren bekommen auch ihre Teller und je lauter und ungezwungener sie
sich benehmen, desto heiterer ist die allgemeine Stimmung.

Heute drängte sich plötzlich mit pöbelhaftem Schimpfen die jüngere der beiden
Gattinnen Moguyokuri's herein, eine grosse starkknochige Frau, die alle Kleidung
zu verachten scheint. Sie hatte ein Bündel Mandiokawurzeln in der Hand und
schleuderte sie wütend Eliseo vor die Füsse. War uns doch heute schon im
Männerhaus das allgemeine Mandiokabraten aufgefallen; die Pflanzung war wieder
einmal vor der Zeit der noch dünnen Wurzelstengel beraubt worden. Mogu-
yokuri's Xanthippe war anscheinend mit Unrecht des Diebstahls bezichtigt worden;
andere hatten ihr die Mandioka gegeben. Der Zank nahm immer grössere Di-
mensionen an und währte bis zum Abend. Es standen sich zwei feindliche Par-
teien unter den Frauen gegenüber. Den meisten Lärm machte "Maria", Ara-
teba's Schwester, die überhaupt von allen Indianerinnen die bedeutendste Rolle
spielte. Maria war Duarte's Geliebte gewesen, man munkelte davon, dass er sie
mit Reitkleid und Federhut ausgestattet habe; jedenfalls lief sie jetzt nur in ihrer
Nationaltracht umher, eine kleine stramme, gewandte und nach unseren Begriffen
mässig hübsche Person mit funkelnden Augen.

Als das Gezänk im Innern einer Hütte seine Höhe erreicht hatte, sollte es
durch eine Art Ringkampf ausgefochten werden. Man stürmte auf den Platz
hinaus; Xantippe schien die Unparteiische zu sein. Unter lebhaften Reden und
Geberden stellte sie drei Weiber auf die eine Seite und Maria ihnen allein gegen-
über. Eine der drei sprang mit einem mächtigen Satz vor, Maria ihr entgegen.
Sie fassten sich um den Leib und ein wildes Ringen begann. Aber schon in
wenigen Sekunden bildeten sie den Mittelpunkt eines dicken Knäuels von Neu-
gierigen und Mitkämpfenden, eines Knäuels, der sich wieder inmitten und mit
einer grösseren, loseren Menschenmasse den Häusern entlang wälzte; es war ein
tolles Schieben und Drängen, die Männer lachend, springend, ausser sich vor
Vergnügen, die Frauen um die Wette heulend, während die beiden Gegnerinnen
sich fest umschlungen und in den Haaren gepackt hielten. Endlich riss man sie
auseinander, doch das Wortgezeter begann um so heftiger, indem stets Mehrere
gegen Mehrere anschrieen. Besonders eine Alte übertönte Alles mit ihrer
gellenden Stimme. Caldas, der mit Schmerzen sah, dass seiner ebenfalls be-
teiligten Zeltgenossin die Brust zerkratzt wurde, drängte den grossen Häuptling

kehrssprache ist ein wunderbares Bororó-Portugiesich. Das Bororó wiegt in den
gewöhnlichen Scherzreden vor, d. h. es werden die für den Fall nötigen Sub-
stantiva, deren den Brasiliern bekannte Zahl schon ziemlich gering ist, mit zwei
Dutzend pronominalen, adjektivischen, adverbialen, auch ein paar verbalen Aus-
drücken in stereotyper Gleichmässigkeit verbunden, und die Eingeborenen selbst,
namentlich die Frauen, passen sich diesem »Pidgeon-Bororó« auch in ihrem
Sprechen bereitwillig an. Hauptperson ist der Häuptling Arateba im Zustande
chronischer Betrunkenheit; diesem oder jenem wird ein Teller mit Resten über-
lassen. Das ewig Weibliche drängt sich sehr in den Vordergrund; die Freundinnen
der Herren bekommen auch ihre Teller und je lauter und ungezwungener sie
sich benehmen, desto heiterer ist die allgemeine Stimmung.

Heute drängte sich plötzlich mit pöbelhaftem Schimpfen die jüngere der beiden
Gattinnen Moguyokuri’s herein, eine grosse starkknochige Frau, die alle Kleidung
zu verachten scheint. Sie hatte ein Bündel Mandiokawurzeln in der Hand und
schleuderte sie wütend Eliseo vor die Füsse. War uns doch heute schon im
Männerhaus das allgemeine Mandiokabraten aufgefallen; die Pflanzung war wieder
einmal vor der Zeit der noch dünnen Wurzelstengel beraubt worden. Mogu-
yokuri’s Xanthippe war anscheinend mit Unrecht des Diebstahls bezichtigt worden;
andere hatten ihr die Mandioka gegeben. Der Zank nahm immer grössere Di-
mensionen an und währte bis zum Abend. Es standen sich zwei feindliche Par-
teien unter den Frauen gegenüber. Den meisten Lärm machte »Maria«, Ara-
teba’s Schwester, die überhaupt von allen Indianerinnen die bedeutendste Rolle
spielte. Maria war Duarte’s Geliebte gewesen, man munkelte davon, dass er sie
mit Reitkleid und Federhut ausgestattet habe; jedenfalls lief sie jetzt nur in ihrer
Nationaltracht umher, eine kleíne stramme, gewandte und nach unseren Begriffen
mässig hübsche Person mit funkelnden Augen.

Als das Gezänk im Innern einer Hütte seine Höhe erreicht hatte, sollte es
durch eine Art Ringkampf ausgefochten werden. Man stürmte auf den Platz
hinaus; Xantippe schien die Unparteiische zu sein. Unter lebhaften Reden und
Geberden stellte sie drei Weiber auf die eine Seite und Maria ihnen allein gegen-
über. Eine der drei sprang mit einem mächtigen Satz vor, Maria ihr entgegen.
Sie fassten sich um den Leib und ein wildes Ringen begann. Aber schon in
wenigen Sekunden bildeten sie den Mittelpunkt eines dicken Knäuels von Neu-
gierigen und Mitkämpfenden, eines Knäuels, der sich wieder inmitten und mit
einer grösseren, loseren Menschenmasse den Häusern entlang wälzte; es war ein
tolles Schieben und Drängen, die Männer lachend, springend, ausser sich vor
Vergnügen, die Frauen um die Wette heulend, während die beiden Gegnerinnen
sich fest umschlungen und in den Haaren gepackt hielten. Endlich riss man sie
auseinander, doch das Wortgezeter begann um so heftiger, indem stets Mehrere
gegen Mehrere anschrieen. Besonders eine Alte übertönte Alles mit ihrer
gellenden Stimme. Caldas, der mit Schmerzen sah, dass seiner ebenfalls be-
teiligten Zeltgenossin die Brust zerkratzt wurde, drängte den grossen Häuptling

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[454/0520] kehrssprache ist ein wunderbares Bororó-Portugiesich. Das Bororó wiegt in den gewöhnlichen Scherzreden vor, d. h. es werden die für den Fall nötigen Sub- stantiva, deren den Brasiliern bekannte Zahl schon ziemlich gering ist, mit zwei Dutzend pronominalen, adjektivischen, adverbialen, auch ein paar verbalen Aus- drücken in stereotyper Gleichmässigkeit verbunden, und die Eingeborenen selbst, namentlich die Frauen, passen sich diesem »Pidgeon-Bororó« auch in ihrem Sprechen bereitwillig an. Hauptperson ist der Häuptling Arateba im Zustande chronischer Betrunkenheit; diesem oder jenem wird ein Teller mit Resten über- lassen. Das ewig Weibliche drängt sich sehr in den Vordergrund; die Freundinnen der Herren bekommen auch ihre Teller und je lauter und ungezwungener sie sich benehmen, desto heiterer ist die allgemeine Stimmung. Heute drängte sich plötzlich mit pöbelhaftem Schimpfen die jüngere der beiden Gattinnen Moguyokuri’s herein, eine grosse starkknochige Frau, die alle Kleidung zu verachten scheint. Sie hatte ein Bündel Mandiokawurzeln in der Hand und schleuderte sie wütend Eliseo vor die Füsse. War uns doch heute schon im Männerhaus das allgemeine Mandiokabraten aufgefallen; die Pflanzung war wieder einmal vor der Zeit der noch dünnen Wurzelstengel beraubt worden. Mogu- yokuri’s Xanthippe war anscheinend mit Unrecht des Diebstahls bezichtigt worden; andere hatten ihr die Mandioka gegeben. Der Zank nahm immer grössere Di- mensionen an und währte bis zum Abend. Es standen sich zwei feindliche Par- teien unter den Frauen gegenüber. Den meisten Lärm machte »Maria«, Ara- teba’s Schwester, die überhaupt von allen Indianerinnen die bedeutendste Rolle spielte. Maria war Duarte’s Geliebte gewesen, man munkelte davon, dass er sie mit Reitkleid und Federhut ausgestattet habe; jedenfalls lief sie jetzt nur in ihrer Nationaltracht umher, eine kleíne stramme, gewandte und nach unseren Begriffen mässig hübsche Person mit funkelnden Augen. Als das Gezänk im Innern einer Hütte seine Höhe erreicht hatte, sollte es durch eine Art Ringkampf ausgefochten werden. Man stürmte auf den Platz hinaus; Xantippe schien die Unparteiische zu sein. Unter lebhaften Reden und Geberden stellte sie drei Weiber auf die eine Seite und Maria ihnen allein gegen- über. Eine der drei sprang mit einem mächtigen Satz vor, Maria ihr entgegen. Sie fassten sich um den Leib und ein wildes Ringen begann. Aber schon in wenigen Sekunden bildeten sie den Mittelpunkt eines dicken Knäuels von Neu- gierigen und Mitkämpfenden, eines Knäuels, der sich wieder inmitten und mit einer grösseren, loseren Menschenmasse den Häusern entlang wälzte; es war ein tolles Schieben und Drängen, die Männer lachend, springend, ausser sich vor Vergnügen, die Frauen um die Wette heulend, während die beiden Gegnerinnen sich fest umschlungen und in den Haaren gepackt hielten. Endlich riss man sie auseinander, doch das Wortgezeter begann um so heftiger, indem stets Mehrere gegen Mehrere anschrieen. Besonders eine Alte übertönte Alles mit ihrer gellenden Stimme. Caldas, der mit Schmerzen sah, dass seiner ebenfalls be- teiligten Zeltgenossin die Brust zerkratzt wurde, drängte den grossen Häuptling

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/520>, abgerufen am 22.11.2024.