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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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bezeichneten die, die ihnen nicht gefielen, kurzweg mit dem uns sehr betrübenden
portugiesischen Ausdruck, den die Katechese allgemein eingebürgert hatte, "por-
caria", "Schweinerei", oder "merda", "Kot", der begleitenden "Diavo"-Flüche nicht
zu gedenken.

Das Bekleiden der Indianer war also nicht durchzuführen.

Feldbau. Die Bororo sollten roden und pflanzen! In der Praxis dankten
die Offiziere ihrem Schicksal, wenn es ihnen nur gelang, die von den Soldaten
angelegten Pflanzungen vor den Bororo zu retten. Sobald die Eingeboreuen im
Besitz der Aexte waren, machte es ihnen weit mehr Spass, die Pikibäume umzu-
hauen, als hinaufzuklettern und die Früchte abzunehmen. In der Militärkolonie
stand ein schöner Canavial, eine Anpflanzung von Zuckerrohr. Es musste eine
Wache ausgestellt werden, um die Verwüstung zu verhindern. Allein die Indianer
machten nächtliche Besuche und fanden ein Mittel, sie zu verheimlichen und ihre
Gönner zu täuschen, indem sie die Pflanzen nicht brachen, sondern sich auf den
Boden legten und das Rohr, wie es da stand, anbissen und behaglich auslutschten.
Die Mandiokapflanzung wurde vollständig geplündert; die Frauen, des Wurzel-
grabens vom Wald her gewöhnt, rissen die nicht meterlangen Sträucher aus und
gruben fleissig nach, ob nicht noch Wurzeln im Erdreich versteckt seien. Dem
Jägerstamm fehlte alles Verständnis für planmässiges Anpflanzen, namentlich aber
die Geduld zu warten, bis die Wurzel ihre volle Entwicklung erreicht hatte.

Das Problem, diese Böcke zu Gärtnern zu machen, konnten die Soldaten
nicht gut lösen. Die Aufgabe wäre auch für andere Männer, die nicht nur auf
Kommando und von eigennützigen Wünschen erfüllt, sondern aus eigenem Antrieb
um des humanen Zwecks willen und jeder Habsucht fern sich ihr gewidmet hätten,
eine schwere Geduldsprobe gewesen. Dabei sahen die Indianer nur zu gut, dass
Leben und Lebenlassen die einzige Parole ihrer Vorbilder war, dass von auswärts
alles hübsch geliefert wurde, was man brauchte; für sie, die herzlich gern mit
ihrer kriegerischen Vergangenheit brachen, sobald sie keinen Zweck mehr hatte,
und die sich vor den Brasiliern genau ebenso gefürchtet hatten, wie diese sich
vor ihnen, bedeutete die Kolonie nur ein bequemes und vergnügtes Dasein mit
wenigen Pflichten, die darin bestanden, dass sie gelegentlich mit anfassten, und
den brasilischen Häuptlingen Hausgenossinnen lieferten. Dass sie die wahren
Herren der Kolonie waren und nicht der Leutnant "Dyuate", dessen Macht sich
darauf beschränkte, dass er in der Lage (thatsächlich in der Zwangslage) war, sie
zu verwöhnen, ein Blinder hätte es sehen können.

Unsere Eindrücke. Ehe ich unsere Beobachtungen systematisch zusammen-
stelle, möchte ich die merkwürdigsten Szenen aus dem Leben und Treiben der
Indianer und ihrer Lehrer, die wir erlebt haben, nach meinem Tagebuch zu
schildern versuchen.

24. März. Wir speisen in unserer Messe bei offener Thüre. Während des
Mahles ist ein fortwährendes Gehen und Kommen; zuweilen wimmelt die kleine
Stube von Besuchern, obwohl wir ohnehin sehr eng zusammensitzen. Die Ver-

bezeichneten die, die ihnen nicht gefielen, kurzweg mit dem uns sehr betrübenden
portugiesischen Ausdruck, den die Katechese allgemein eingebürgert hatte, »por-
caria«, »Schweinerei«, oder »merda«, »Kot«, der begleitenden »Diavo«-Flüche nicht
zu gedenken.

Das Bekleiden der Indianer war also nicht durchzuführen.

Feldbau. Die Bororó sollten roden und pflanzen! In der Praxis dankten
die Offiziere ihrem Schicksal, wenn es ihnen nur gelang, die von den Soldaten
angelegten Pflanzungen vor den Bororó zu retten. Sobald die Eingeboreuen im
Besitz der Aexte waren, machte es ihnen weit mehr Spass, die Pikíbäume umzu-
hauen, als hinaufzuklettern und die Früchte abzunehmen. In der Militärkolonie
stand ein schöner Canavial, eine Anpflanzung von Zuckerrohr. Es musste eine
Wache ausgestellt werden, um die Verwüstung zu verhindern. Allein die Indianer
machten nächtliche Besuche und fanden ein Mittel, sie zu verheimlichen und ihre
Gönner zu täuschen, indem sie die Pflanzen nicht brachen, sondern sich auf den
Boden legten und das Rohr, wie es da stand, anbissen und behaglich auslutschten.
Die Mandiokapflanzung wurde vollständig geplündert; die Frauen, des Wurzel-
grabens vom Wald her gewöhnt, rissen die nicht meterlangen Sträucher aus und
gruben fleissig nach, ob nicht noch Wurzeln im Erdreich versteckt seien. Dem
Jägerstamm fehlte alles Verständnis für planmässiges Anpflanzen, namentlich aber
die Geduld zu warten, bis die Wurzel ihre volle Entwicklung erreicht hatte.

Das Problem, diese Böcke zu Gärtnern zu machen, konnten die Soldaten
nicht gut lösen. Die Aufgabe wäre auch für andere Männer, die nicht nur auf
Kommando und von eigennützigen Wünschen erfüllt, sondern aus eigenem Antrieb
um des humanen Zwecks willen und jeder Habsucht fern sich ihr gewidmet hätten,
eine schwere Geduldsprobe gewesen. Dabei sahen die Indianer nur zu gut, dass
Leben und Lebenlassen die einzige Parole ihrer Vorbilder war, dass von auswärts
alles hübsch geliefert wurde, was man brauchte; für sie, die herzlich gern mit
ihrer kriegerischen Vergangenheit brachen, sobald sie keinen Zweck mehr hatte,
und die sich vor den Brasiliern genau ebenso gefürchtet hatten, wie diese sich
vor ihnen, bedeutete die Kolonie nur ein bequemes und vergnügtes Dasein mit
wenigen Pflichten, die darin bestanden, dass sie gelegentlich mit anfassten, und
den brasilischen Häuptlingen Hausgenossinnen lieferten. Dass sie die wahren
Herren der Kolonie waren und nicht der Leutnant „Dyuáte“, dessen Macht sich
darauf beschränkte, dass er in der Lage (thatsächlich in der Zwangslage) war, sie
zu verwöhnen, ein Blinder hätte es sehen können.

Unsere Eindrücke. Ehe ich unsere Beobachtungen systematisch zusammen-
stelle, möchte ich die merkwürdigsten Szenen aus dem Leben und Treiben der
Indianer und ihrer Lehrer, die wir erlebt haben, nach meinem Tagebuch zu
schildern versuchen.

24. März. Wir speisen in unserer Messe bei offener Thüre. Während des
Mahles ist ein fortwährendes Gehen und Kommen; zuweilen wimmelt die kleine
Stube von Besuchern, obwohl wir ohnehin sehr eng zusammensitzen. Die Ver-

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[453/0519] bezeichneten die, die ihnen nicht gefielen, kurzweg mit dem uns sehr betrübenden portugiesischen Ausdruck, den die Katechese allgemein eingebürgert hatte, »por- caria«, »Schweinerei«, oder »merda«, »Kot«, der begleitenden »Diavo«-Flüche nicht zu gedenken. Das Bekleiden der Indianer war also nicht durchzuführen. Feldbau. Die Bororó sollten roden und pflanzen! In der Praxis dankten die Offiziere ihrem Schicksal, wenn es ihnen nur gelang, die von den Soldaten angelegten Pflanzungen vor den Bororó zu retten. Sobald die Eingeboreuen im Besitz der Aexte waren, machte es ihnen weit mehr Spass, die Pikíbäume umzu- hauen, als hinaufzuklettern und die Früchte abzunehmen. In der Militärkolonie stand ein schöner Canavial, eine Anpflanzung von Zuckerrohr. Es musste eine Wache ausgestellt werden, um die Verwüstung zu verhindern. Allein die Indianer machten nächtliche Besuche und fanden ein Mittel, sie zu verheimlichen und ihre Gönner zu täuschen, indem sie die Pflanzen nicht brachen, sondern sich auf den Boden legten und das Rohr, wie es da stand, anbissen und behaglich auslutschten. Die Mandiokapflanzung wurde vollständig geplündert; die Frauen, des Wurzel- grabens vom Wald her gewöhnt, rissen die nicht meterlangen Sträucher aus und gruben fleissig nach, ob nicht noch Wurzeln im Erdreich versteckt seien. Dem Jägerstamm fehlte alles Verständnis für planmässiges Anpflanzen, namentlich aber die Geduld zu warten, bis die Wurzel ihre volle Entwicklung erreicht hatte. Das Problem, diese Böcke zu Gärtnern zu machen, konnten die Soldaten nicht gut lösen. Die Aufgabe wäre auch für andere Männer, die nicht nur auf Kommando und von eigennützigen Wünschen erfüllt, sondern aus eigenem Antrieb um des humanen Zwecks willen und jeder Habsucht fern sich ihr gewidmet hätten, eine schwere Geduldsprobe gewesen. Dabei sahen die Indianer nur zu gut, dass Leben und Lebenlassen die einzige Parole ihrer Vorbilder war, dass von auswärts alles hübsch geliefert wurde, was man brauchte; für sie, die herzlich gern mit ihrer kriegerischen Vergangenheit brachen, sobald sie keinen Zweck mehr hatte, und die sich vor den Brasiliern genau ebenso gefürchtet hatten, wie diese sich vor ihnen, bedeutete die Kolonie nur ein bequemes und vergnügtes Dasein mit wenigen Pflichten, die darin bestanden, dass sie gelegentlich mit anfassten, und den brasilischen Häuptlingen Hausgenossinnen lieferten. Dass sie die wahren Herren der Kolonie waren und nicht der Leutnant „Dyuáte“, dessen Macht sich darauf beschränkte, dass er in der Lage (thatsächlich in der Zwangslage) war, sie zu verwöhnen, ein Blinder hätte es sehen können. Unsere Eindrücke. Ehe ich unsere Beobachtungen systematisch zusammen- stelle, möchte ich die merkwürdigsten Szenen aus dem Leben und Treiben der Indianer und ihrer Lehrer, die wir erlebt haben, nach meinem Tagebuch zu schildern versuchen. 24. März. Wir speisen in unserer Messe bei offener Thüre. Während des Mahles ist ein fortwährendes Gehen und Kommen; zuweilen wimmelt die kleine Stube von Besuchern, obwohl wir ohnehin sehr eng zusammensitzen. Die Ver-

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/519>, abgerufen am 22.11.2024.