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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Häuptling Moguyokuri ging freilich meist im Hemde, selten mit Hose spazieren,
nur der wüste Häuptling Arateba trug Hemd und Hose regelmässig; in ihre
Schlafdecken hüllten sie sich an einem kälteren Tage oder gegen Abend gern
ein, einige Frauen, zumal solche, die gerade mit den Herren ein intimes Ver-
hältnis unterhielten, zeichneten sich durch grossblumig bedruckte Hemden, Jacken
und Röcke aus, allein die mehr oder weniger Bekleideten waren für beide Ge-
schlechter nur Ausnahmen. Die Männer trugen die Hüftschnur und den Stroh-
stulp, die Frauen eine Hüftschnur oder einen Rindenstreifen mit Bastbinde. Beide

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 126.

Bororo-Mädchen.

Geschlechter liebten Hals- und Brustschmuck.
Ich werde die Einzelheiten später besprechen.
Moguyokuri überreichte ich ein Prachtstück,
das seinen ganzen Beifall hatte: eine ziegel-
rote türkische, mit bunten Arabesken be-
stickte, weitärmlige Frauenjacke, die einst
auf der Malkasten-Redoute in der Düssel-
dorfer Tonhalle gebraucht worden war. Der
immer vergnügt grinsende Riese war in
diesem eleganten Kostümstück ein Anblick
für Götter.

"Was sollen wir machen?" klagte Ka-
pitän Serejo in der Militärkolonie. "Als die
grosse Schaar nach Cuyaba eingeschifft wurde,
hatte man 430 Anzüge beschafft. Viele
kamen noch in Cubaya selbst hinzu. Und
als die Indianer wiederkehrten, war von Allem
nichts mehr vorhanden". Einmal, weil die
Kaufleute elenden Schund geliefert hatten, dünnes, schlecht gewebtes Zeug, dass sie
sonst nicht abzusetzen wussten, dann weil die Kleider zu eng und zu kurz waren, die
Hemden über der breiten Brust gar nicht schlossen und die Inexpressibles platzten,
endlich aber, weil die Bororo die Geschenke der Zivilisation mit entsetzlicher
Rücksichtslosigkeit behandelten. Sobald sie sich geniert fühlten, warfen sie die
Kleidungsstücke fort, sobald sie einen Sack z. B. beim Forttragen von Fleisch
oder Fischen gebrauchen konnten, nahmen sie dazu ihre Decken und Hemden.
In Hängematten, deren Stücke sie abschnitten, und in Tischtücher -- eine echt
brasilische Gabe für nackte Indianer -- wickelten sie ihre fettbeschmierten Körper
ein. Sie selbst gebrauchen keine Hängematten, sondern schlafen auf Strohmatten.
An Waschen der Wäsche dachten sie nicht im Traum; die Hemden erschienen
lehmfarben wie ihre Leiber, die Erde, die Hütten.

Die guten Bororo waren derartig verwöhnt worden, dass wir mit unsern
bescheidenen Tauschwaaren übel ankamen. Sie waren bereits soweit Kenner, dass
sie nur nordamerikanische Aexte wollten, Am meisten Anklang fanden noch
unsere Perlen, allein auch hier erschienen die Frauen recht wählerisch, und

Häuptling Moguyokuri ging freilich meist im Hemde, selten mit Hose spazieren,
nur der wüste Häuptling Arateba trug Hemd und Hose regelmässig; in ihre
Schlafdecken hüllten sie sich an einem kälteren Tage oder gegen Abend gern
ein, einige Frauen, zumal solche, die gerade mit den Herren ein intimes Ver-
hältnis unterhielten, zeichneten sich durch grossblumig bedruckte Hemden, Jacken
und Röcke aus, allein die mehr oder weniger Bekleideten waren für beide Ge-
schlechter nur Ausnahmen. Die Männer trugen die Hüftschnur und den Stroh-
stulp, die Frauen eine Hüftschnur oder einen Rindenstreifen mit Bastbinde. Beide

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 126.

Bororó-Mädchen.

Geschlechter liebten Hals- und Brustschmuck.
Ich werde die Einzelheiten später besprechen.
Moguyokuri überreichte ich ein Prachtstück,
das seinen ganzen Beifall hatte: eine ziegel-
rote türkische, mit bunten Arabesken be-
stickte, weitärmlige Frauenjacke, die einst
auf der Malkasten-Redoute in der Düssel-
dorfer Tonhalle gebraucht worden war. Der
immer vergnügt grinsende Riese war in
diesem eleganten Kostümstück ein Anblick
für Götter.

»Was sollen wir machen?« klagte Ka-
pitän Serejo in der Militärkolonie. »Als die
grosse Schaar nach Cuyabá eingeschifft wurde,
hatte man 430 Anzüge beschafft. Viele
kamen noch in Cubayá selbst hinzu. Und
als die Indianer wiederkehrten, war von Allem
nichts mehr vorhanden«. Einmal, weil die
Kaufleute elenden Schund geliefert hatten, dünnes, schlecht gewebtes Zeug, dass sie
sonst nicht abzusetzen wussten, dann weil die Kleider zu eng und zu kurz waren, die
Hemden über der breiten Brust gar nicht schlossen und die Inexpressibles platzten,
endlich aber, weil die Bororó die Geschenke der Zivilisation mit entsetzlicher
Rücksichtslosigkeit behandelten. Sobald sie sich geniert fühlten, warfen sie die
Kleidungsstücke fort, sobald sie einen Sack z. B. beim Forttragen von Fleisch
oder Fischen gebrauchen konnten, nahmen sie dazu ihre Decken und Hemden.
In Hängematten, deren Stücke sie abschnitten, und in Tischtücher — eine echt
brasilische Gabe für nackte Indianer — wickelten sie ihre fettbeschmierten Körper
ein. Sie selbst gebrauchen keine Hängematten, sondern schlafen auf Strohmatten.
An Waschen der Wäsche dachten sie nicht im Traum; die Hemden erschienen
lehmfarben wie ihre Leiber, die Erde, die Hütten.

Die guten Bororó waren derartig verwöhnt worden, dass wir mit unsern
bescheidenen Tauschwaaren übel ankamen. Sie waren bereits soweit Kenner, dass
sie nur nordamerikanische Aexte wollten, Am meisten Anklang fanden noch
unsere Perlen, allein auch hier erschienen die Frauen recht wählerisch, und

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[452/0518] Häuptling Moguyokuri ging freilich meist im Hemde, selten mit Hose spazieren, nur der wüste Häuptling Arateba trug Hemd und Hose regelmässig; in ihre Schlafdecken hüllten sie sich an einem kälteren Tage oder gegen Abend gern ein, einige Frauen, zumal solche, die gerade mit den Herren ein intimes Ver- hältnis unterhielten, zeichneten sich durch grossblumig bedruckte Hemden, Jacken und Röcke aus, allein die mehr oder weniger Bekleideten waren für beide Ge- schlechter nur Ausnahmen. Die Männer trugen die Hüftschnur und den Stroh- stulp, die Frauen eine Hüftschnur oder einen Rindenstreifen mit Bastbinde. Beide [Abbildung] [Abbildung Abb. 126. Bororó-Mädchen.] Geschlechter liebten Hals- und Brustschmuck. Ich werde die Einzelheiten später besprechen. Moguyokuri überreichte ich ein Prachtstück, das seinen ganzen Beifall hatte: eine ziegel- rote türkische, mit bunten Arabesken be- stickte, weitärmlige Frauenjacke, die einst auf der Malkasten-Redoute in der Düssel- dorfer Tonhalle gebraucht worden war. Der immer vergnügt grinsende Riese war in diesem eleganten Kostümstück ein Anblick für Götter. »Was sollen wir machen?« klagte Ka- pitän Serejo in der Militärkolonie. »Als die grosse Schaar nach Cuyabá eingeschifft wurde, hatte man 430 Anzüge beschafft. Viele kamen noch in Cubayá selbst hinzu. Und als die Indianer wiederkehrten, war von Allem nichts mehr vorhanden«. Einmal, weil die Kaufleute elenden Schund geliefert hatten, dünnes, schlecht gewebtes Zeug, dass sie sonst nicht abzusetzen wussten, dann weil die Kleider zu eng und zu kurz waren, die Hemden über der breiten Brust gar nicht schlossen und die Inexpressibles platzten, endlich aber, weil die Bororó die Geschenke der Zivilisation mit entsetzlicher Rücksichtslosigkeit behandelten. Sobald sie sich geniert fühlten, warfen sie die Kleidungsstücke fort, sobald sie einen Sack z. B. beim Forttragen von Fleisch oder Fischen gebrauchen konnten, nahmen sie dazu ihre Decken und Hemden. In Hängematten, deren Stücke sie abschnitten, und in Tischtücher — eine echt brasilische Gabe für nackte Indianer — wickelten sie ihre fettbeschmierten Körper ein. Sie selbst gebrauchen keine Hängematten, sondern schlafen auf Strohmatten. An Waschen der Wäsche dachten sie nicht im Traum; die Hemden erschienen lehmfarben wie ihre Leiber, die Erde, die Hütten. Die guten Bororó waren derartig verwöhnt worden, dass wir mit unsern bescheidenen Tauschwaaren übel ankamen. Sie waren bereits soweit Kenner, dass sie nur nordamerikanische Aexte wollten, Am meisten Anklang fanden noch unsere Perlen, allein auch hier erschienen die Frauen recht wählerisch, und

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/518>, abgerufen am 22.11.2024.