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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Sohn reklamierte, daraufhin untersucht wurde. Waehneldt giebt von den
Bororo des Jauru an, dass Einige auch eine Art "Zahnstocher"
in der Nasenscheidewand tragen; in der durchbohrten Unter-
lippe fand sich bei einer Anzahl der Schmuck
von Holzstücken. Unsere Bororo trugen im
tagtäglichen Leben niemals irgend etwas in
dem Loch der Unterlippe. Nur Knaben, vgl.
Abb. 128, pflegten kleine Stifte, die das Loch
offen hielten, anzuwenden: man sah Knochen-
splitter, z. B. vom Kaiman, gelegentlich einen
Nagel, und Stifte aus Harz, an dem im Munde
liegenden Ende mit einem Knöpfchen versehen.
Erwachsene trugen zum Festschmuck Stifte
gleicher Art, vgl. Tafel 27, oder die Lippenkette
vgl. Tafel 1 und Abb. 130. Die Kette bestand
aus einem Halbdutzend aneinander hängender
länglicher Muschelplättchen mit einer kleinen
Fadentroddel an dem unteren Ende, und war
12 cm lang.

Das Lippenloch wurde dem Säugling kurze
Zeit nach der Geburt von dem Medizinmann
gebohrt. Das zu der Operation gehörige In-
strument Baragara, war ein mit einer Knochen:
spitze endigender Federstab, vgl. Abb. 131, der
sehr prunkvoll aussah und zum Schmuck bei
festlichen Gelegenheiten im Haar getragen wurde:
der Stab, an dem der Knochen mit Harz be-
festigt war, dicht beklebt mit abwechselnd
roten und orangefarbenen Federchen, hier und
da auch zartem, weissem Flaum dazwischen, und
am oberen Ende auslaufend in eine lange blaue
Ararafeder, während von deren Ansatzstelle ein
Büschel gestreifter Falken-, Papageien- und Arara-
federn herabhing, von Spitze zu Spitze etwa 1 m
lang. Der Medizinmann tanzte singend mit dem
Baragara in der Hand vor dem Säugling hin und
wieder, auf ihn zuschreitend und zurückschreitend,
und durchbohrte bei einer dieser Touren die Lippe.

Tätowieren war unbekannt; zufällig gefärbte Schnitt-
narben waren nicht selten. Ein dem Wundkratzer der Kulisehu-

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 130.

Lippenkette.
Bororo.
( 2/3 nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 131.

Lippenbohrer.
Bororo.
( nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 132.

Kratzknochen.
Bororo. ( nat. Gr.)

Indianer analoges Instrument haben wir nicht gesehen. Man ritzte die Haut
nicht zu medizinischen Zwecken, sondern krazte sie nur, wie alle Welt, wenn sie

Sohn reklamierte, daraufhin untersucht wurde. Waehneldt giebt von den
Bororó des Jaurú an, dass Einige auch eine Art »Zahnstocher«
in der Nasenscheidewand tragen; in der durchbohrten Unter-
lippe fand sich bei einer Anzahl der Schmuck
von Holzstücken. Unsere Bororó trugen im
tagtäglichen Leben niemals irgend etwas in
dem Loch der Unterlippe. Nur Knaben, vgl.
Abb. 128, pflegten kleine Stifte, die das Loch
offen hielten, anzuwenden: man sah Knochen-
splitter, z. B. vom Kaiman, gelegentlich einen
Nagel, und Stifte aus Harz, an dem im Munde
liegenden Ende mit einem Knöpfchen versehen.
Erwachsene trugen zum Festschmuck Stifte
gleicher Art, vgl. Tafel 27, oder die Lippenkette
vgl. Tafel 1 und Abb. 130. Die Kette bestand
aus einem Halbdutzend aneinander hängender
länglicher Muschelplättchen mit einer kleinen
Fadentroddel an dem unteren Ende, und war
12 cm lang.

Das Lippenloch wurde dem Säugling kurze
Zeit nach der Geburt von dem Medizinmann
gebohrt. Das zu der Operation gehörige In-
strument Baragára, war ein mit einer Knochen:
spitze endigender Federstab, vgl. Abb. 131, der
sehr prunkvoll aussah und zum Schmuck bei
festlichen Gelegenheiten im Haar getragen wurde:
der Stab, an dem der Knochen mit Harz be-
festigt war, dicht beklebt mit abwechselnd
roten und orangefarbenen Federchen, hier und
da auch zartem, weissem Flaum dazwischen, und
am oberen Ende auslaufend in eine lange blaue
Ararafeder, während von deren Ansatzstelle ein
Büschel gestreifter Falken-, Papageien- und Arara-
federn herabhing, von Spitze zu Spitze etwa 1 m
lang. Der Medizinmann tanzte singend mit dem
Baragára in der Hand vor dem Säugling hin und
wieder, auf ihn zuschreitend und zurückschreitend,
und durchbohrte bei einer dieser Touren die Lippe.

Tätowieren war unbekannt; zufällig gefärbte Schnitt-
narben waren nicht selten. Ein dem Wundkratzer der Kulisehu-

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 130.

Lippenkette.
Bororó.
(⅔ nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 131.

Lippenbohrer.
Bororó.
(⅐ nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 132.

Kratzknochen.
Bororó. ( nat. Gr.)

Indianer analoges Instrument haben wir nicht gesehen. Man ritzte die Haut
nicht zu medizinischen Zwecken, sondern krazte sie nur, wie alle Welt, wenn sie

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[475/0545] Sohn reklamierte, daraufhin untersucht wurde. Waehneldt giebt von den Bororó des Jaurú an, dass Einige auch eine Art »Zahnstocher« in der Nasenscheidewand tragen; in der durchbohrten Unter- lippe fand sich bei einer Anzahl der Schmuck von Holzstücken. Unsere Bororó trugen im tagtäglichen Leben niemals irgend etwas in dem Loch der Unterlippe. Nur Knaben, vgl. Abb. 128, pflegten kleine Stifte, die das Loch offen hielten, anzuwenden: man sah Knochen- splitter, z. B. vom Kaiman, gelegentlich einen Nagel, und Stifte aus Harz, an dem im Munde liegenden Ende mit einem Knöpfchen versehen. Erwachsene trugen zum Festschmuck Stifte gleicher Art, vgl. Tafel 27, oder die Lippenkette vgl. Tafel 1 und Abb. 130. Die Kette bestand aus einem Halbdutzend aneinander hängender länglicher Muschelplättchen mit einer kleinen Fadentroddel an dem unteren Ende, und war 12 cm lang. Das Lippenloch wurde dem Säugling kurze Zeit nach der Geburt von dem Medizinmann gebohrt. Das zu der Operation gehörige In- strument Baragára, war ein mit einer Knochen: spitze endigender Federstab, vgl. Abb. 131, der sehr prunkvoll aussah und zum Schmuck bei festlichen Gelegenheiten im Haar getragen wurde: der Stab, an dem der Knochen mit Harz be- festigt war, dicht beklebt mit abwechselnd roten und orangefarbenen Federchen, hier und da auch zartem, weissem Flaum dazwischen, und am oberen Ende auslaufend in eine lange blaue Ararafeder, während von deren Ansatzstelle ein Büschel gestreifter Falken-, Papageien- und Arara- federn herabhing, von Spitze zu Spitze etwa 1 m lang. Der Medizinmann tanzte singend mit dem Baragára in der Hand vor dem Säugling hin und wieder, auf ihn zuschreitend und zurückschreitend, und durchbohrte bei einer dieser Touren die Lippe. Tätowieren war unbekannt; zufällig gefärbte Schnitt- narben waren nicht selten. Ein dem Wundkratzer der Kulisehu- [Abbildung] [Abbildung Abb. 130. Lippenkette. Bororó. (⅔ nat. Gr.)] [Abbildung] [Abbildung Abb. 131. Lippenbohrer. Bororó. (⅐ nat. Gr.)] [Abbildung] [Abbildung Abb. 132. Kratzknochen. Bororó. ([FORMEL] nat. Gr.)] Indianer analoges Instrument haben wir nicht gesehen. Man ritzte die Haut nicht zu medizinischen Zwecken, sondern krazte sie nur, wie alle Welt, wenn sie

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/545>, abgerufen am 22.11.2024.