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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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juckte und hatte sogar für das Kratzen auf dem Rücken ein besonderes Gerät,
21 cm lang, einen Knochen, der mit Straussfedern geschmückt war, vgl. Abb. 132,
und von den redlich schwitzenden Festtänzern auch mit Nutzen verwendet wurde.
Die Schnittnarben rührten von den Totenfesten her.

Bemalung und Federschmuck spielten, erstere eine geringe, letzterer eine
gewaltige Rolle. Nicht mit Unrecht spricht Waehneldt von den "fast täglichen
Festen" der Bororo. Die Bemerkung war auch für unsere Indianer durchaus zu-
treffend und zwar einfach deshalb, weil schon jede Jagd mit Tanz und Gesang
begonnen wurde. Dann wurde das in das Männerhaus geschleppte Mädchen
auf das Sorgfältigste von seinen Freunden bemalt. Endlich war es eine tag-
täglich geübte "Medizin", sich mit Federn zu bekleben. Wechselfieber war
in der Kolonie vielfach vorhanden, die Kinder waren jeden Augenblick doete
(portugiesisch doente), und so wurde es für uns schlechterdings unmöglich zu sehen,
wo die Grenze zwischen Medizin und Schmuck lag. Die Körperstellen, die
schmerzten, werden mit erhitztem Almeisca-Harz bestrichen und mit Dunenfedern
dicht beklebt. Wir sahen Kinder, die vollständige Aermel aus weissen Enten-
federchen hatten. Das Färbharz war schwarz. Um das Gesicht mit Federn zu
bekleben, trug man entlang der Haargrenze einen fingerbreiten Klebstreifen
auf und verband die Enden neben den Ohren zuweilen durch einen zwischen
Nase und Lippe verlaufenden Querstreifen, sodass man, wenn der Streifen breit
gemacht und nicht beklebt wurde, eine zu einem Rahmen ausgeschnittene schwarze
Halbmaske zu sehen glaubte. Der ursprünglich für die Federn angelegte Lack-
rahmen wurde auch ohne Federbeklebung verwendet.

Tafel 27 zeigt uns einen festlich mit Federn beklebten Bororo. Die Arme
sind ganz in grüne Papageienfederchen eingehüllt, wie auch der benachbarte Teil
der Brust; über dem Nabel findet sich ein kleiner Federstreifen und auf dem
Rücken, kann ich zufügen, war ein Teil der Schultern und eine handbreite Stelle
der Kreuzgegend beklebt. Der schwarze Lackrahmen im Gesicht hat schon von
seiner ersten Schönheit und Befiederung eingebüsst, von Ohr zu Ohr zieht sich,
einem mächtigen Schnurrbart ähnlich, der mit rein weissen Federn beklebte
Querstreifen. Das Haar ist mit Uruku bestrichen und der Vorderrand mit roten
Ararafederchen fest beklebt, beiderseits stehen rot bestrichene Pinsel ab; den
Oberteil des Kopfes ziert, die Tonsur umgebend, ein rotes Krönchen von Arara-
federn und ringsum gestreut liegt eine Handvoll nur lose aufklebender Federchen.
Bei den Frauen, die krank waren, sahen wir nicht selten kleine Stellen mit
Federn beklebt; Maria erschien eines Tages, über Fieber klagend, mit diesem
Mittel stärker behandelt, da sie es an Haar, Gesicht und Brust angewandt hatte.
Die Gattin eines der nach langer Abwesenheit heimkehrenden Jäger, hatte sich
zum Empfang das Gesicht und Haar wie die Ranchaomädchen bemalen und die
Haut des Oberkörpers in eine vorn offene Federjacke umwandeln lassen. Mit
Federn ähnlich dem Schmuck der Bororo auf Tafel 27, wird der Schädel des
skelettierten Toten vor der endgültigen Bestattung beklebt, während die übrigen

juckte und hatte sogar für das Kratzen auf dem Rücken ein besonderes Gerät,
21 cm lang, einen Knochen, der mit Straussfedern geschmückt war, vgl. Abb. 132,
und von den redlich schwitzenden Festtänzern auch mit Nutzen verwendet wurde.
Die Schnittnarben rührten von den Totenfesten her.

Bemalung und Federschmuck spielten, erstere eine geringe, letzterer eine
gewaltige Rolle. Nicht mit Unrecht spricht Waehneldt von den »fast täglichen
Festen« der Bororó. Die Bemerkung war auch für unsere Indianer durchaus zu-
treffend und zwar einfach deshalb, weil schon jede Jagd mit Tanz und Gesang
begonnen wurde. Dann wurde das in das Männerhaus geschleppte Mädchen
auf das Sorgfältigste von seinen Freunden bemalt. Endlich war es eine tag-
täglich geübte »Medizin«, sich mit Federn zu bekleben. Wechselfieber war
in der Kolonie vielfach vorhanden, die Kinder waren jeden Augenblick doéte
(portugiesisch doente), und so wurde es für uns schlechterdings unmöglich zu sehen,
wo die Grenze zwischen Medizin und Schmuck lag. Die Körperstellen, die
schmerzten, werden mit erhitztem Almeisca-Harz bestrichen und mit Dunenfedern
dicht beklebt. Wir sahen Kinder, die vollständige Aermel aus weissen Enten-
federchen hatten. Das Färbharz war schwarz. Um das Gesicht mit Federn zu
bekleben, trug man entlang der Haargrenze einen fingerbreiten Klebstreifen
auf und verband die Enden neben den Ohren zuweilen durch einen zwischen
Nase und Lippe verlaufenden Querstreifen, sodass man, wenn der Streifen breit
gemacht und nicht beklebt wurde, eine zu einem Rahmen ausgeschnittene schwarze
Halbmaske zu sehen glaubte. Der ursprünglich für die Federn angelegte Lack-
rahmen wurde auch ohne Federbeklebung verwendet.

Tafel 27 zeigt uns einen festlich mit Federn beklebten Bororó. Die Arme
sind ganz in grüne Papageienfederchen eingehüllt, wie auch der benachbarte Teil
der Brust; über dem Nabel findet sich ein kleiner Federstreifen und auf dem
Rücken, kann ich zufügen, war ein Teil der Schultern und eine handbreite Stelle
der Kreuzgegend beklebt. Der schwarze Lackrahmen im Gesicht hat schon von
seiner ersten Schönheit und Befiederung eingebüsst, von Ohr zu Ohr zieht sich,
einem mächtigen Schnurrbart ähnlich, der mit rein weissen Federn beklebte
Querstreifen. Das Haar ist mit Urukú bestrichen und der Vorderrand mit roten
Ararafederchen fest beklebt, beiderseits stehen rot bestrichene Pinsel ab; den
Oberteil des Kopfes ziert, die Tonsur umgebend, ein rotes Krönchen von Arara-
federn und ringsum gestreut liegt eine Handvoll nur lose aufklebender Federchen.
Bei den Frauen, die krank waren, sahen wir nicht selten kleine Stellen mit
Federn beklebt; Maria erschien eines Tages, über Fieber klagend, mit diesem
Mittel stärker behandelt, da sie es an Haar, Gesicht und Brust angewandt hatte.
Die Gattin eines der nach langer Abwesenheit heimkehrenden Jäger, hatte sich
zum Empfang das Gesicht und Haar wie die Ranchãomädchen bemalen und die
Haut des Oberkörpers in eine vorn offene Federjacke umwandeln lassen. Mit
Federn ähnlich dem Schmuck der Bororó auf Tafel 27, wird der Schädel des
skelettierten Toten vor der endgültigen Bestattung beklebt, während die übrigen

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[476/0546] juckte und hatte sogar für das Kratzen auf dem Rücken ein besonderes Gerät, 21 cm lang, einen Knochen, der mit Straussfedern geschmückt war, vgl. Abb. 132, und von den redlich schwitzenden Festtänzern auch mit Nutzen verwendet wurde. Die Schnittnarben rührten von den Totenfesten her. Bemalung und Federschmuck spielten, erstere eine geringe, letzterer eine gewaltige Rolle. Nicht mit Unrecht spricht Waehneldt von den »fast täglichen Festen« der Bororó. Die Bemerkung war auch für unsere Indianer durchaus zu- treffend und zwar einfach deshalb, weil schon jede Jagd mit Tanz und Gesang begonnen wurde. Dann wurde das in das Männerhaus geschleppte Mädchen auf das Sorgfältigste von seinen Freunden bemalt. Endlich war es eine tag- täglich geübte »Medizin«, sich mit Federn zu bekleben. Wechselfieber war in der Kolonie vielfach vorhanden, die Kinder waren jeden Augenblick doéte (portugiesisch doente), und so wurde es für uns schlechterdings unmöglich zu sehen, wo die Grenze zwischen Medizin und Schmuck lag. Die Körperstellen, die schmerzten, werden mit erhitztem Almeisca-Harz bestrichen und mit Dunenfedern dicht beklebt. Wir sahen Kinder, die vollständige Aermel aus weissen Enten- federchen hatten. Das Färbharz war schwarz. Um das Gesicht mit Federn zu bekleben, trug man entlang der Haargrenze einen fingerbreiten Klebstreifen auf und verband die Enden neben den Ohren zuweilen durch einen zwischen Nase und Lippe verlaufenden Querstreifen, sodass man, wenn der Streifen breit gemacht und nicht beklebt wurde, eine zu einem Rahmen ausgeschnittene schwarze Halbmaske zu sehen glaubte. Der ursprünglich für die Federn angelegte Lack- rahmen wurde auch ohne Federbeklebung verwendet. Tafel 27 zeigt uns einen festlich mit Federn beklebten Bororó. Die Arme sind ganz in grüne Papageienfederchen eingehüllt, wie auch der benachbarte Teil der Brust; über dem Nabel findet sich ein kleiner Federstreifen und auf dem Rücken, kann ich zufügen, war ein Teil der Schultern und eine handbreite Stelle der Kreuzgegend beklebt. Der schwarze Lackrahmen im Gesicht hat schon von seiner ersten Schönheit und Befiederung eingebüsst, von Ohr zu Ohr zieht sich, einem mächtigen Schnurrbart ähnlich, der mit rein weissen Federn beklebte Querstreifen. Das Haar ist mit Urukú bestrichen und der Vorderrand mit roten Ararafederchen fest beklebt, beiderseits stehen rot bestrichene Pinsel ab; den Oberteil des Kopfes ziert, die Tonsur umgebend, ein rotes Krönchen von Arara- federn und ringsum gestreut liegt eine Handvoll nur lose aufklebender Federchen. Bei den Frauen, die krank waren, sahen wir nicht selten kleine Stellen mit Federn beklebt; Maria erschien eines Tages, über Fieber klagend, mit diesem Mittel stärker behandelt, da sie es an Haar, Gesicht und Brust angewandt hatte. Die Gattin eines der nach langer Abwesenheit heimkehrenden Jäger, hatte sich zum Empfang das Gesicht und Haar wie die Ranchãomädchen bemalen und die Haut des Oberkörpers in eine vorn offene Federjacke umwandeln lassen. Mit Federn ähnlich dem Schmuck der Bororó auf Tafel 27, wird der Schädel des skelettierten Toten vor der endgültigen Bestattung beklebt, während die übrigen

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/546>, abgerufen am 29.04.2024.