der Stücke auf Stein schliffen. So durchbohrten sie die Zähne und klemmten solche, die klein waren, damit sie nicht ausglitten, zu mehreren nebeneinander in eine Oaussunuss. Eigenartig war auch die Verfertigung der Perlen aus dem Panzer des Gürteltiers. Er stellt einen gewölbten, aus zahlreichen kleinen Polygonen zusammengesetzten Schild dar; an der Innenseite jedes Vieleckchens befindet sich eine natürliche punktförmige Vertiefung: in diese wurde der Quirl- bohrer eingesetzt, und erst nachdem so der ganze Schild regelmässig wie ein Sieb durchlöchert war, wurde er in die einzelnen Plättchen zerbrochen, die man aufreihte und rund schliff.
Geflochten wurden Korbtaschen, in die bei der Totenfeier die Knochen gepackt wurden, viereckige Feuerfächer, die man auch als Teller benutzte, oder wie ein Fähnchen an einen Stiel band, um sie für die Abwehr von Moskitos
[Abbildung]
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Abb. 141.
Bororofrau mit Brustschnüren und Armbändern.
zu verwenden, die grossen Schlafmatten aus Oaussupalmblatt (2 m lang, 90 cm breit). Die beutelförmigen Tragkörbe schienen von den Frauen geflochten zu werden.
Die Männer spannen. Das Männer- haus als Spinnstube! Ich gestehe, es machte mir einen abenteuerlichen Ein- druck, als ich zum ersten Mal einen dieser Jäger Baumwollflocken durch Schwippen an einer Bogensehne lockern sah. Sie spannen Baumwolle und das Haar ihrer Toten, jedoch auf andere Art als die Frauen am Kulisehu. Der Spinnwirtel, 4 bis 41/2 cm im Durchmesser, war eine Muschel- oder Thonscheibe und sass im oberen Viertel des hindurchgesteckten Stöckchens. Während die linke Hand die langgezogene Flocke oder ein paar zu- sammengelegter Haare hielt und sie an dem kurzen Ende des Stöckchens befestigt hatte, wurde mit der rechten Hand der grössere Teil des Stöckchens unterhalb des Wirtels bei Schiefhaltung der Spindel auf dem rechten Oberschenkel gerollt; der Faden bildete sich also an dem kürzeren Teil des Stöckchens oberhalb des Wirtels. Den fertigen Faden wickelte man an dem langen Teil unter dem Wirtel auf.
Die Haarfäden wurden zu einer Schnur geflochten, die man um das Kopf- haar, um den Leib oder zum Schutz gegen den Anprall der Sehne um das Handgelenk trug. Palmfaserschnur drillte man mit der Hand auf dem Ober- schenkel. Vielfach wurde bei den Fadenarbeiten die grosse Zehe benutzt.
Eigentliches Weben, d. h. die Verschlingung sich rechtwinklig kreu- zender Fäden war unbekannt. Die Männer verfertigten aus Baumwollfäden
der Stücke auf Stein schliffen. So durchbohrten sie die Zähne und klemmten solche, die klein waren, damit sie nicht ausglitten, zu mehreren nebeneinander in eine Oaussúnuss. Eigenartig war auch die Verfertigung der Perlen aus dem Panzer des Gürteltiers. Er stellt einen gewölbten, aus zahlreichen kleinen Polygonen zusammengesetzten Schild dar; an der Innenseite jedes Vieleckchens befindet sich eine natürliche punktförmige Vertiefung: in diese wurde der Quirl- bohrer eingesetzt, und erst nachdem so der ganze Schild regelmässig wie ein Sieb durchlöchert war, wurde er in die einzelnen Plättchen zerbrochen, die man aufreihte und rund schliff.
Geflochten wurden Korbtaschen, in die bei der Totenfeier die Knochen gepackt wurden, viereckige Feuerfächer, die man auch als Teller benutzte, oder wie ein Fähnchen an einen Stiel band, um sie für die Abwehr von Moskitos
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Abb. 141.
Bororófrau mit Brustschnüren und Armbändern.
zu verwenden, die grossen Schlafmatten aus Oaussúpalmblatt (2 m lang, 90 cm breit). Die beutelförmigen Tragkörbe schienen von den Frauen geflochten zu werden.
Die Männer spannen. Das Männer- haus als Spinnstube! Ich gestehe, es machte mir einen abenteuerlichen Ein- druck, als ich zum ersten Mal einen dieser Jäger Baumwollflocken durch Schwippen an einer Bogensehne lockern sah. Sie spannen Baumwolle und das Haar ihrer Toten, jedoch auf andere Art als die Frauen am Kulisehu. Der Spinnwirtel, 4 bis 4½ cm im Durchmesser, war eine Muschel- oder Thonscheibe und sass im oberen Viertel des hindurchgesteckten Stöckchens. Während die linke Hand die langgezogene Flocke oder ein paar zu- sammengelegter Haare hielt und sie an dem kurzen Ende des Stöckchens befestigt hatte, wurde mit der rechten Hand der grössere Teil des Stöckchens unterhalb des Wirtels bei Schiefhaltung der Spindel auf dem rechten Oberschenkel gerollt; der Faden bildete sich also an dem kürzeren Teil des Stöckchens oberhalb des Wirtels. Den fertigen Faden wickelte man an dem langen Teil unter dem Wirtel auf.
Die Haarfäden wurden zu einer Schnur geflochten, die man um das Kopf- haar, um den Leib oder zum Schutz gegen den Anprall der Sehne um das Handgelenk trug. Palmfaserschnur drillte man mit der Hand auf dem Ober- schenkel. Vielfach wurde bei den Fadenarbeiten die grosse Zehe benutzt.
Eigentliches Weben, d. h. die Verschlingung sich rechtwinklig kreu- zender Fäden war unbekannt. Die Männer verfertigten aus Baumwollfäden
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der Stücke auf Stein schliffen. So durchbohrten sie die Zähne und klemmten
solche, die klein waren, damit sie nicht ausglitten, zu mehreren nebeneinander
in eine Oaussúnuss. Eigenartig war auch die Verfertigung der Perlen aus dem
Panzer des Gürteltiers. Er stellt einen gewölbten, aus zahlreichen kleinen
Polygonen zusammengesetzten Schild dar; an der Innenseite jedes Vieleckchens
befindet sich eine natürliche punktförmige Vertiefung: in diese wurde der Quirl-
bohrer eingesetzt, und erst nachdem so der ganze Schild regelmässig wie ein
Sieb durchlöchert war, wurde er in die einzelnen Plättchen zerbrochen, die man
aufreihte und rund schliff.
Geflochten wurden Korbtaschen, in die bei der Totenfeier die Knochen
gepackt wurden, viereckige Feuerfächer, die man auch als Teller benutzte,
oder wie ein Fähnchen an einen Stiel band, um sie für die Abwehr von Moskitos
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[Abbildung Abb. 141. Bororófrau mit Brustschnüren
und Armbändern.]
zu verwenden, die grossen Schlafmatten
aus Oaussúpalmblatt (2 m lang, 90 cm breit).
Die beutelförmigen Tragkörbe schienen
von den Frauen geflochten zu werden.
Die Männer spannen. Das Männer-
haus als Spinnstube! Ich gestehe, es
machte mir einen abenteuerlichen Ein-
druck, als ich zum ersten Mal einen dieser
Jäger Baumwollflocken durch Schwippen
an einer Bogensehne lockern sah. Sie
spannen Baumwolle und das Haar ihrer
Toten, jedoch auf andere Art als die
Frauen am Kulisehu. Der Spinnwirtel,
4 bis 4½ cm im Durchmesser, war eine
Muschel- oder Thonscheibe und sass im
oberen Viertel des hindurchgesteckten
Stöckchens. Während die linke Hand die
langgezogene Flocke oder ein paar zu-
sammengelegter Haare hielt und sie an
dem kurzen Ende des Stöckchens befestigt hatte, wurde mit der rechten Hand
der grössere Teil des Stöckchens unterhalb des Wirtels bei Schiefhaltung der
Spindel auf dem rechten Oberschenkel gerollt; der Faden bildete sich also an
dem kürzeren Teil des Stöckchens oberhalb des Wirtels. Den fertigen Faden
wickelte man an dem langen Teil unter dem Wirtel auf.
Die Haarfäden wurden zu einer Schnur geflochten, die man um das Kopf-
haar, um den Leib oder zum Schutz gegen den Anprall der Sehne um das
Handgelenk trug. Palmfaserschnur drillte man mit der Hand auf dem Ober-
schenkel. Vielfach wurde bei den Fadenarbeiten die grosse Zehe benutzt.
Eigentliches Weben, d. h. die Verschlingung sich rechtwinklig kreu-
zender Fäden war unbekannt. Die Männer verfertigten aus Baumwollfäden
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/560>, abgerufen am 22.11.2024.
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