zu Leide gethan hat, war die gigantische braune Tokandyra-Ameise, Cryptocerus atratus, die zum Glück kein Herdentier ist, und deren Zwicken dem Skorpion- stich ähnelt; die Termiten sollen mit ihr in wütender Fehde liegen. Ich könnte noch mancherlei anderes Ungeziefer nennen, was uns an diesem oder jenem Abend zu Leibe rückte, aber ich bin mir bewusst, durch solch lange Aufzählung, in der man aus Freude an der Erinnerung ohnehin schon bei jedem einzelnen gern übertreibt, ein falsches Gesamtbild im Geiste des Lesers zu erzeugen. Man könnte zu der Vorstellung kommen, die Hängematte im Sertao sei ein schlechterer Aufenthalt gewesen als ein Bett in einer Kavalleriekaserne oder im gefüllten Zwischendeck oder in manch einem verehrungswürdigen altstrassburger Hause.
Wenden wir uns wieder zu dem appetitlicheren Teil des Pouso. Manoels helle Stimme, die sich während der Zubereitung des Mahles in improvisirten Gesängen ("oh ihr Bohnen, wann werdet ihr gar sein?"): lauter, aber melodieen- und gedankenarmer Zwiesprach mit dem Feuer, dem Kochkessel oder seinem Inhalt ergangen hatte, rief den Herrentisch zusammen, uns vier, Perrot, Januario und auch Antonio. Die Leute, die andern Sieben, lagerten und kochten in den beiden stets getrennten Gruppen der vier Soldaten und drei Kameraden.
Pünktlich, sehr pünktlich war ein Jeder zur Stelle, bewaffnet mit Messer und Gabel, ergriff einen der Zinnteller, die später durch indianische Kürbisschalen ersetzt wurden, und Alles lagerte sich in malerischen Posituren -- nur Vogel hockte dazwischen auf seinem Observations-Klappstühlchen -- um die gelbe oder schwarzweisse Ochsenhaut, auf der der dampfende Kessel, ein Teller mit Farinha und die Pfefferflasche standen oder, wenn die Haut sehr bucklig war, auch plötzlich umfielen. Nach dem Essen gab es den nicht genug zu schätzenden Mate, den Paraguaythee, gelegentlich auch Kaffee.
Unsere etwas einförmige Speisekarte wurde durch Jagd und an den Fluss- passagen durch Fischfang angenehm belebt. Es wird ja mit sehr wenigen Aus- nahmen Alles gegessen, was geschossen wird, und es wird ausser Aasvögeln und kleinen Vögeln Alles geschossen, was Wirbeltier heisst. Ich habe in Rio de Janeiro ein lehrreiches Büchlein, den "Cozinheiro Nacional", Nationalkoch, ge- funden, das auf jeder Seite beweist, wie mannigfaltig und gesund die zoologische Küche Brasiliens ist und uns hier als kompetenter Führer dienen mag. Für den Tapir 16 Rezepte, für Jaguar, Ameisenbär, Galictis, ein marderartiges Tier, 3 Rezepte, für den Affen 7 Rezepte: "man nimmt einen Affen, schneidet den Kopf ab" und richtet ihn zu 1) am Spiess gespickt, 2) im Ofen gebraten, 3) ge- dünstet mit Gurken, 4) gestovt mit indischen Feigen, 5) gekocht mit Kürbis, 6) gekocht mit Bananen, 7) gebraten mit Salat von süssen Kartoffeln; es werden natürlich empfohlen Reh (26 Rezepte) und Wildschwein, dann Fischotter und besonders die Nagetiere Coelogenis paca (12 Rezepte), einem Spanferkel ähnlich, Cavia aperea, das kleine Haustierchen der Peruaner, "excellente", und das Kapivara, Hydrochoerus capybara, das sehr schmackhaft und äusserst gesund ist für skrophulöse, syphilitische, rheumatische und tuberkulöse Personen, aber leider
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zu Leide gethan hat, war die gigantische braune Tokandyra-Ameise, Cryptocerus atratus, die zum Glück kein Herdentier ist, und deren Zwicken dem Skorpion- stich ähnelt; die Termiten sollen mit ihr in wütender Fehde liegen. Ich könnte noch mancherlei anderes Ungeziefer nennen, was uns an diesem oder jenem Abend zu Leibe rückte, aber ich bin mir bewusst, durch solch lange Aufzählung, in der man aus Freude an der Erinnerung ohnehin schon bei jedem einzelnen gern übertreibt, ein falsches Gesamtbild im Geiste des Lesers zu erzeugen. Man könnte zu der Vorstellung kommen, die Hängematte im Sertão sei ein schlechterer Aufenthalt gewesen als ein Bett in einer Kavalleriekaserne oder im gefüllten Zwischendeck oder in manch einem verehrungswürdigen altstrassburger Hause.
Wenden wir uns wieder zu dem appetitlicheren Teil des Pouso. Manoels helle Stimme, die sich während der Zubereitung des Mahles in improvisirten Gesängen (»oh ihr Bohnen, wann werdet ihr gar sein?«): lauter, aber melodieen- und gedankenarmer Zwiesprach mit dem Feuer, dem Kochkessel oder seinem Inhalt ergangen hatte, rief den Herrentisch zusammen, uns vier, Perrot, Januario und auch Antonio. Die Leute, die andern Sieben, lagerten und kochten in den beiden stets getrennten Gruppen der vier Soldaten und drei Kameraden.
Pünktlich, sehr pünktlich war ein Jeder zur Stelle, bewaffnet mit Messer und Gabel, ergriff einen der Zinnteller, die später durch indianische Kürbisschalen ersetzt wurden, und Alles lagerte sich in malerischen Posituren — nur Vogel hockte dazwischen auf seinem Observations-Klappstühlchen — um die gelbe oder schwarzweisse Ochsenhaut, auf der der dampfende Kessel, ein Teller mit Farinha und die Pfefferflasche standen oder, wenn die Haut sehr bucklig war, auch plötzlich umfielen. Nach dem Essen gab es den nicht genug zu schätzenden Mate, den Paraguaythee, gelegentlich auch Kaffee.
Unsere etwas einförmige Speisekarte wurde durch Jagd und an den Fluss- passagen durch Fischfang angenehm belebt. Es wird ja mit sehr wenigen Aus- nahmen Alles gegessen, was geschossen wird, und es wird ausser Aasvögeln und kleinen Vögeln Alles geschossen, was Wirbeltier heisst. Ich habe in Rio de Janeiro ein lehrreiches Büchlein, den »Cozinheiro Nacional«, Nationalkoch, ge- funden, das auf jeder Seite beweist, wie mannigfaltig und gesund die zoologische Küche Brasiliens ist und uns hier als kompetenter Führer dienen mag. Für den Tapir 16 Rezepte, für Jaguar, Ameisenbär, Galictis, ein marderartiges Tier, 3 Rezepte, für den Affen 7 Rezepte: »man nimmt einen Affen, schneidet den Kopf ab« und richtet ihn zu 1) am Spiess gespickt, 2) im Ofen gebraten, 3) ge- dünstet mit Gurken, 4) gestovt mit indischen Feigen, 5) gekocht mit Kürbis, 6) gekocht mit Bananen, 7) gebraten mit Salat von süssen Kartoffeln; es werden natürlich empfohlen Reh (26 Rezepte) und Wildschwein, dann Fischotter und besonders die Nagetiere Coelogenis paca (12 Rezepte), einem Spanferkel ähnlich, Cavia aperea, das kleine Haustierchen der Peruaner, »excellente«, und das Kapivara, Hydrochoerus capybara, das sehr schmackhaft und äusserst gesund ist für skrophulöse, syphilitische, rheumatische und tuberkulöse Personen, aber leider
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zu Leide gethan hat, war die gigantische braune Tokandyra-Ameise, Cryptocerus
atratus, die zum Glück kein Herdentier ist, und deren Zwicken dem Skorpion-
stich ähnelt; die Termiten sollen mit ihr in wütender Fehde liegen. Ich könnte
noch mancherlei anderes Ungeziefer nennen, was uns an diesem oder jenem
Abend zu Leibe rückte, aber ich bin mir bewusst, durch solch lange Aufzählung,
in der man aus Freude an der Erinnerung ohnehin schon bei jedem einzelnen
gern übertreibt, ein falsches Gesamtbild im Geiste des Lesers zu erzeugen. Man
könnte zu der Vorstellung kommen, die Hängematte im Sertão sei ein schlechterer
Aufenthalt gewesen als ein Bett in einer Kavalleriekaserne oder im gefüllten
Zwischendeck oder in manch einem verehrungswürdigen altstrassburger Hause.
Wenden wir uns wieder zu dem appetitlicheren Teil des Pouso. Manoels
helle Stimme, die sich während der Zubereitung des Mahles in improvisirten
Gesängen (»oh ihr Bohnen, wann werdet ihr gar sein?«): lauter, aber melodieen-
und gedankenarmer Zwiesprach mit dem Feuer, dem Kochkessel oder seinem
Inhalt ergangen hatte, rief den Herrentisch zusammen, uns vier, Perrot, Januario
und auch Antonio. Die Leute, die andern Sieben, lagerten und kochten in den
beiden stets getrennten Gruppen der vier Soldaten und drei Kameraden.
Pünktlich, sehr pünktlich war ein Jeder zur Stelle, bewaffnet mit Messer
und Gabel, ergriff einen der Zinnteller, die später durch indianische Kürbisschalen
ersetzt wurden, und Alles lagerte sich in malerischen Posituren — nur Vogel
hockte dazwischen auf seinem Observations-Klappstühlchen — um die gelbe oder
schwarzweisse Ochsenhaut, auf der der dampfende Kessel, ein Teller mit Farinha
und die Pfefferflasche standen oder, wenn die Haut sehr bucklig war, auch plötzlich
umfielen. Nach dem Essen gab es den nicht genug zu schätzenden Mate, den
Paraguaythee, gelegentlich auch Kaffee.
Unsere etwas einförmige Speisekarte wurde durch Jagd und an den Fluss-
passagen durch Fischfang angenehm belebt. Es wird ja mit sehr wenigen Aus-
nahmen Alles gegessen, was geschossen wird, und es wird ausser Aasvögeln und
kleinen Vögeln Alles geschossen, was Wirbeltier heisst. Ich habe in Rio de
Janeiro ein lehrreiches Büchlein, den »Cozinheiro Nacional«, Nationalkoch, ge-
funden, das auf jeder Seite beweist, wie mannigfaltig und gesund die zoologische
Küche Brasiliens ist und uns hier als kompetenter Führer dienen mag. Für den
Tapir 16 Rezepte, für Jaguar, Ameisenbär, Galictis, ein marderartiges Tier,
3 Rezepte, für den Affen 7 Rezepte: »man nimmt einen Affen, schneidet den
Kopf ab« und richtet ihn zu 1) am Spiess gespickt, 2) im Ofen gebraten, 3) ge-
dünstet mit Gurken, 4) gestovt mit indischen Feigen, 5) gekocht mit Kürbis,
6) gekocht mit Bananen, 7) gebraten mit Salat von süssen Kartoffeln; es werden
natürlich empfohlen Reh (26 Rezepte) und Wildschwein, dann Fischotter und
besonders die Nagetiere Coelogenis paca (12 Rezepte), einem Spanferkel ähnlich,
Cavia aperea, das kleine Haustierchen der Peruaner, »excellente«, und das
Kapivara, Hydrochoerus capybara, das sehr schmackhaft und äusserst gesund ist
für skrophulöse, syphilitische, rheumatische und tuberkulöse Personen, aber leider
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/61>, abgerufen am 27.11.2024.
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