könne das nun einmal nicht; er muß warten, bis ihm die Thä- tigkeit entgegenkommt; dann aber ergreift oder begreift er sie, und zwar zunächst als im Sinnlichen erscheinende Thätigkeit.
"Die sinnliche Erscheinung der Thätigkeit ist aber Bewe- gung; und so geschieht es, daß der Begriff der Bewegung der Anfangspunkt wird, von dem die ganze Entwickelung der Begriffe in dem menschlichen Geiste ausgeht. Die reale Ent- wickelung geht von dem Allgemeinen, der Thätigkeit, abwärts in das Besondere, das Sein; und die Dinge scheiden sich nach dem Momente der Besonderheit in Arten des Seins: die Ent- wickelung der Begriffe steigt in entgegengesetzter Richtung von der größten Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins aufwärts zum Allgemeinen, der Thätigkeit; und die Begriffe scheiden sich nach dem Momente der Allgemeinheit in Arten der Thätigkeit."
So viel Sätze in dieser angeführten Stelle enthalten sind, so viel logische Fehler, und vielleicht noch mehr. Wie wäre es aber möglich, ein solches Gewirr von verwirrten Vorstellun- gen klar auseinander zu legen!
Bemerken wir nur sogleich das Wichtigste. Becker hat es uns kurz hintereinander mehrere Male wiederholt, daß der Geist vom Besondern ausgehend zum Allgemeinen hinaufsteige. Nichtsdestoweniger beginnt er, wie er noch in demselben Satze selbst sagt, seine Entwickelung der Begriffe, welche die Geschichte "der von dem Geiste in dem einzelnen Menschen und in dem ganzen Geschlechte gebildeten Weltanschauung" sein soll, mit der Bewegung, d. h. dem allgemeinsten obersten Be- griffe, von dem er immer weiter abwärts steigt. Wir wollen zu- gestehen, Bewegung sei die sinnliche Erscheinung der Thätig- keit; wiewohl wir nicht im entferntesten einsehen, wie Thätig- keit weniger sinnlich ist als Bewegung, oder Bewegung mehr als Thätigkeit: jedenfalls ist eben Bewegung, wenn auch sinnliche Erscheinung, doch sinnliche Erscheinung der Thätigkeit, des Allgemeinen, d. h. des Allgemeinen an sich; und ohne zu fra- gen, wie denn dieses Allgemeine sinnlich erscheinen könne, ist doch also Bewegung immer das Allgemeine und nicht "die größte Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins", womit nach Becker selbst die Entwickelung der Begriffe beginnen sollte. Die reale Entwickelung, sagte Becker selbst, geht "von der mit dem allgemeinen Gegensatze von Thätigkeit und Sein gegebe-
könne das nun einmal nicht; er muß warten, bis ihm die Thä- tigkeit entgegenkommt; dann aber ergreift oder begreift er sie, und zwar zunächst als im Sinnlichen erscheinende Thätigkeit.
„Die sinnliche Erscheinung der Thätigkeit ist aber Bewe- gung; und so geschieht es, daß der Begriff der Bewegung der Anfangspunkt wird, von dem die ganze Entwickelung der Begriffe in dem menschlichen Geiste ausgeht. Die reale Ent- wickelung geht von dem Allgemeinen, der Thätigkeit, abwärts in das Besondere, das Sein; und die Dinge scheiden sich nach dem Momente der Besonderheit in Arten des Seins: die Ent- wickelung der Begriffe steigt in entgegengesetzter Richtung von der größten Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins aufwärts zum Allgemeinen, der Thätigkeit; und die Begriffe scheiden sich nach dem Momente der Allgemeinheit in Arten der Thätigkeit.“
So viel Sätze in dieser angeführten Stelle enthalten sind, so viel logische Fehler, und vielleicht noch mehr. Wie wäre es aber möglich, ein solches Gewirr von verwirrten Vorstellun- gen klar auseinander zu legen!
Bemerken wir nur sogleich das Wichtigste. Becker hat es uns kurz hintereinander mehrere Male wiederholt, daß der Geist vom Besondern ausgehend zum Allgemeinen hinaufsteige. Nichtsdestoweniger beginnt er, wie er noch in demselben Satze selbst sagt, seine Entwickelung der Begriffe, welche die Geschichte „der von dem Geiste in dem einzelnen Menschen und in dem ganzen Geschlechte gebildeten Weltanschauung“ sein soll, mit der Bewegung, d. h. dem allgemeinsten obersten Be- griffe, von dem er immer weiter abwärts steigt. Wir wollen zu- gestehen, Bewegung sei die sinnliche Erscheinung der Thätig- keit; wiewohl wir nicht im entferntesten einsehen, wie Thätig- keit weniger sinnlich ist als Bewegung, oder Bewegung mehr als Thätigkeit: jedenfalls ist eben Bewegung, wenn auch sinnliche Erscheinung, doch sinnliche Erscheinung der Thätigkeit, des Allgemeinen, d. h. des Allgemeinen an sich; und ohne zu fra- gen, wie denn dieses Allgemeine sinnlich erscheinen könne, ist doch also Bewegung immer das Allgemeine und nicht „die größte Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins“, womit nach Becker selbst die Entwickelung der Begriffe beginnen sollte. Die reale Entwickelung, sagte Becker selbst, geht „von der mit dem allgemeinen Gegensatze von Thätigkeit und Sein gegebe-
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könne das nun einmal nicht; er muß warten, bis ihm die Thä-
tigkeit entgegenkommt; dann aber ergreift oder begreift er sie,
und zwar zunächst als im Sinnlichen erscheinende Thätigkeit.
„Die sinnliche Erscheinung der Thätigkeit ist aber Bewe-
gung; und so geschieht es, daß der Begriff der Bewegung
der Anfangspunkt wird, von dem die ganze Entwickelung der
Begriffe in dem menschlichen Geiste ausgeht. Die reale Ent-
wickelung geht von dem Allgemeinen, der Thätigkeit, abwärts
in das Besondere, das Sein; und die Dinge scheiden sich nach
dem Momente der Besonderheit in Arten des Seins: die Ent-
wickelung der Begriffe steigt in entgegengesetzter Richtung
von der größten Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins
aufwärts zum Allgemeinen, der Thätigkeit; und die Begriffe
scheiden sich nach dem Momente der Allgemeinheit in Arten
der Thätigkeit.“
So viel Sätze in dieser angeführten Stelle enthalten sind,
so viel logische Fehler, und vielleicht noch mehr. Wie wäre
es aber möglich, ein solches Gewirr von verwirrten Vorstellun-
gen klar auseinander zu legen!
Bemerken wir nur sogleich das Wichtigste. Becker hat
es uns kurz hintereinander mehrere Male wiederholt, daß der
Geist vom Besondern ausgehend zum Allgemeinen hinaufsteige.
Nichtsdestoweniger beginnt er, wie er noch in demselben
Satze selbst sagt, seine Entwickelung der Begriffe, welche die
Geschichte „der von dem Geiste in dem einzelnen Menschen und
in dem ganzen Geschlechte gebildeten Weltanschauung“ sein
soll, mit der Bewegung, d. h. dem allgemeinsten obersten Be-
griffe, von dem er immer weiter abwärts steigt. Wir wollen zu-
gestehen, Bewegung sei die sinnliche Erscheinung der Thätig-
keit; wiewohl wir nicht im entferntesten einsehen, wie Thätig-
keit weniger sinnlich ist als Bewegung, oder Bewegung mehr als
Thätigkeit: jedenfalls ist eben Bewegung, wenn auch sinnliche
Erscheinung, doch sinnliche Erscheinung der Thätigkeit, des
Allgemeinen, d. h. des Allgemeinen an sich; und ohne zu fra-
gen, wie denn dieses Allgemeine sinnlich erscheinen könne, ist
doch also Bewegung immer das Allgemeine und nicht „die
größte Besonderheit des sinnlich angeschauten Seins“, womit
nach Becker selbst die Entwickelung der Begriffe beginnen sollte.
Die reale Entwickelung, sagte Becker selbst, geht „von der mit
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/124>, abgerufen am 24.11.2024.
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