noch deutlicher machen, wie wir in liebevoll ein grammati- sches Attribut und doch ein Prädicat, in erzieht ein logisches und grammatisches Prädicat und doch zugleich logisches Sub- ject haben. Nämlich wir brauchen nur zu sagen: der Vater, welcher seine Kinder liebt, giebt eine Erziehung, welche streng ist, oder erzieht so, wie es streng ist. In dieser Redewendung haben wir die Rollen, die oben vermischt lagen, geschieden und doch, Dank den Beziehungswörtern, so daß die Einheit klar bleibt. Der Vater ist doppelt logisches Subject, ein Mal als Vater und ein Mal als welcher; liebt ist Prädicat zu welcher und Attribut zu Vater; giebt Erziehung ist Prädicat und in dem Worte welche Subject; oder bei der andern Wendung ist erzieht Prädicat und im Pronomen es Subject. Hieran schließen wir die Bemerkung, daß der Unterschied zwischen einfachem und zusammengesetztem Satze rein grammatisch ist und sich logisch weder begründen, noch näher bestimmen läßt. Ist aber der Un- terschied von Wort und Satz rein grammatisch, so sind diese auch nicht mit Begriff und Urtheil identisch.
Die formale Logik sieht jede Verknüpfung zweier Begriffe als Urtheil an. Trendelenburg meint zwar, das attributive und objective Verhältniß der Begriffsverbindung ergäben kein Ur- theil. Wir haben gesehen, daß sie dies allerdings thun, und daß die Bestimmungen Attribut, Object nur grammatisch sind, ohne die Logik zu berühren, welche auch in jenen nur Prädi- cate sieht. Denn indem sie jede Verbindung von Begriffen als Urtheil ansieht, betrachtet sie auch diese Begriffe allemal als Subject und Prädicat; und sie definirt letztere so: der Begriff, an welchen der andere geknüpft wird, ist das Subject; der, wel- cher angeknüpft wird, das Prädicat. Trendelenburg würde das Subject und Prädicat sehr kurz so definiren, daß er jenes den Begriff, dieses das Urtheil nennt. Von diesem Unterschiede zwischen der formalen und metaphysischen Logik können wir hier absehen; denn die Verschiedenheit ist nicht derartig, daß die eine Logik für das Subject halten könnte, was die andere für das Prädicat nimmt, und umgekehrt. Die Grammatik aber, werden wir jetzt zu zeigen suchen, verdreht gar oft das logische Verhältniß von Subject und Prädicat.
Beginnen wir mit den klarsten Beispielen. Die hypotheti- schen und die Adverbial- (oder Objectiv-) Sätze aller Art stel- len logisch das Verhältniß von Subject und Prädicat dar; z. B.
noch deutlicher machen, wie wir in liebevoll ein grammati- sches Attribut und doch ein Prädicat, in erzieht ein logisches und grammatisches Prädicat und doch zugleich logisches Sub- ject haben. Nämlich wir brauchen nur zu sagen: der Vater, welcher seine Kinder liebt, giebt eine Erziehung, welche streng ist, oder erzieht so, wie es streng ist. In dieser Redewendung haben wir die Rollen, die oben vermischt lagen, geschieden und doch, Dank den Beziehungswörtern, so daß die Einheit klar bleibt. Der Vater ist doppelt logisches Subject, ein Mal als Vater und ein Mal als welcher; liebt ist Prädicat zu welcher und Attribut zu Vater; giebt Erziehung ist Prädicat und in dem Worte welche Subject; oder bei der andern Wendung ist erzieht Prädicat und im Pronomen es Subject. Hieran schließen wir die Bemerkung, daß der Unterschied zwischen einfachem und zusammengesetztem Satze rein grammatisch ist und sich logisch weder begründen, noch näher bestimmen läßt. Ist aber der Un- terschied von Wort und Satz rein grammatisch, so sind diese auch nicht mit Begriff und Urtheil identisch.
Die formale Logik sieht jede Verknüpfung zweier Begriffe als Urtheil an. Trendelenburg meint zwar, das attributive und objective Verhältniß der Begriffsverbindung ergäben kein Ur- theil. Wir haben gesehen, daß sie dies allerdings thun, und daß die Bestimmungen Attribut, Object nur grammatisch sind, ohne die Logik zu berühren, welche auch in jenen nur Prädi- cate sieht. Denn indem sie jede Verbindung von Begriffen als Urtheil ansieht, betrachtet sie auch diese Begriffe allemal als Subject und Prädicat; und sie definirt letztere so: der Begriff, an welchen der andere geknüpft wird, ist das Subject; der, wel- cher angeknüpft wird, das Prädicat. Trendelenburg würde das Subject und Prädicat sehr kurz so definiren, daß er jenes den Begriff, dieses das Urtheil nennt. Von diesem Unterschiede zwischen der formalen und metaphysischen Logik können wir hier absehen; denn die Verschiedenheit ist nicht derartig, daß die eine Logik für das Subject halten könnte, was die andere für das Prädicat nimmt, und umgekehrt. Die Grammatik aber, werden wir jetzt zu zeigen suchen, verdreht gar oft das logische Verhältniß von Subject und Prädicat.
Beginnen wir mit den klarsten Beispielen. Die hypotheti- schen und die Adverbial- (oder Objectiv-) Sätze aller Art stel- len logisch das Verhältniß von Subject und Prädicat dar; z. B.
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ject haben. Nämlich wir brauchen nur zu sagen: der Vater,
welcher seine Kinder liebt, giebt eine Erziehung, welche streng
ist, oder erzieht so, wie es streng ist. In dieser Redewendung
haben wir die Rollen, die oben vermischt lagen, geschieden und
doch, Dank den Beziehungswörtern, so daß die Einheit klar
bleibt. Der Vater ist doppelt logisches Subject, ein Mal als
Vater und ein Mal als welcher; liebt ist Prädicat zu welcher
und Attribut zu Vater; giebt Erziehung ist Prädicat und in dem
Worte welche Subject; oder bei der andern Wendung ist erzieht
Prädicat und im Pronomen es Subject. Hieran schließen wir
die Bemerkung, daß der Unterschied zwischen einfachem und
zusammengesetztem Satze rein grammatisch ist und sich logisch
weder begründen, noch näher bestimmen läßt. Ist aber der Un-
terschied von Wort und Satz rein grammatisch, so sind diese
auch nicht mit Begriff und Urtheil identisch.
Die formale Logik sieht jede Verknüpfung zweier Begriffe
als Urtheil an. Trendelenburg meint zwar, das attributive und
objective Verhältniß der Begriffsverbindung ergäben kein Ur-
theil. Wir haben gesehen, daß sie dies allerdings thun, und
daß die Bestimmungen Attribut, Object nur grammatisch sind,
ohne die Logik zu berühren, welche auch in jenen nur Prädi-
cate sieht. Denn indem sie jede Verbindung von Begriffen als
Urtheil ansieht, betrachtet sie auch diese Begriffe allemal als
Subject und Prädicat; und sie definirt letztere so: der Begriff,
an welchen der andere geknüpft wird, ist das Subject; der, wel-
cher angeknüpft wird, das Prädicat. Trendelenburg würde das
Subject und Prädicat sehr kurz so definiren, daß er jenes den
Begriff, dieses das Urtheil nennt. Von diesem Unterschiede
zwischen der formalen und metaphysischen Logik können wir
hier absehen; denn die Verschiedenheit ist nicht derartig, daß
die eine Logik für das Subject halten könnte, was die andere
für das Prädicat nimmt, und umgekehrt. Die Grammatik aber,
werden wir jetzt zu zeigen suchen, verdreht gar oft das logische
Verhältniß von Subject und Prädicat.
Beginnen wir mit den klarsten Beispielen. Die hypotheti-
schen und die Adverbial- (oder Objectiv-) Sätze aller Art stel-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/236>, abgerufen am 21.11.2024.
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