wenn das Auge brechende Medien hat, so kann es sehen; oder: weil das Auge u. s. w.; oder wenn das Auge sehen soll, so muß es brechende Medien haben. In allen drei Sätzen haben wir ein logisches Subject: brechende Medien haben und ein logisches Prädicat: sehen; denn der letztere Begriff wird an den ersten geknüpft; oder, um mit Trendelenburg zu reden: in den ersten beiden Sätzen wird der Begriff: brechende Medien haben lebendig in der Thätigkeit: sehen; und im dritten Satze wird der Begriff sehen thätig und wirksam in Schöpfung brechender Medien. Das logische Verhältniß, denke ich, ist hier unläugbar. Aber der grammatische Ausdruck hat die Sache ganz anders dargestellt. -- Die Sprache kann eine der Logik entsprechende Wendung neh- men: brechende Medien ermöglichen dem Auge das Sehen; hier ist grammatisch und logisch dasselbe Subject. Dasselbe drückt man aus durch: vermöge brechender Medien sieht das Auge. Das logische Subject muß doch wohl noch dasselbe sein, aber das grammatische weicht von ihm ab. -- In einem Vortrage über den Blitz heißt es: das Eisen leitet ihn; Frage: wo ist das Subject? Vom Eisen sollte nichts prädicirt werden, nicht von ihm sollte geurtheilt werden, sondern vom Blitze; folglich ist ihn das logische Subject. Umgekehrt, es sei vom Eisen die Rede, und man sage: "Elektricität wird von ihm geleitet"; so ist von ihm das Subject. -- "Wie befindet sich Herr N.?" "Der Blitz hat ihn getroffen." Im zweiten Satze ist ihn das logische Subject; denn vom Blitze ist ja gar nicht die Rede. -- "Wem gehört dieses Buch?" "Es gehört Herrn N." Die beiden Da- tive sind die beiden Subjecte dieser Sätze; denn an sie soll ein anderer Begriff angeknüpft werden, nicht die Person an das Buch; oder, nach Trendelenburg, der Begriff dieser Person wird leben- dig und thätig im Besitzen des Buches. Auch hier läßt sich wohl die doppelte, d. h. die verschiedene logische und gramma- tische Rolle der beiden Dative sprachlich zerlegen, so daß die beiden Rollen getrennt gespielt werden, und dennoch auch ihre Einheit hervortritt: wer ist es, dem das Buch gehört? -- "Wie hat der Patient geschlafen?" "Er hat gut geschlafen"; geschla- fen ist im zweiten Satze Subject, gut Prädicat; denn man will sagen: sein Schlaf war gut, ruhig. -- "Schläft er jetzt?" "Nein, er hat geschlafen"; jetzt und geschlafen sind die Subjecte, schläft er und hat die Prädicate. Ich überlasse es dem Leser, noch Sätze anderer Art zu suchen, in welchen das grammatische Subject und
wenn das Auge brechende Medien hat, so kann es sehen; oder: weil das Auge u. s. w.; oder wenn das Auge sehen soll, so muß es brechende Medien haben. In allen drei Sätzen haben wir ein logisches Subject: brechende Medien haben und ein logisches Prädicat: sehen; denn der letztere Begriff wird an den ersten geknüpft; oder, um mit Trendelenburg zu reden: in den ersten beiden Sätzen wird der Begriff: brechende Medien haben lebendig in der Thätigkeit: sehen; und im dritten Satze wird der Begriff sehen thätig und wirksam in Schöpfung brechender Medien. Das logische Verhältniß, denke ich, ist hier unläugbar. Aber der grammatische Ausdruck hat die Sache ganz anders dargestellt. — Die Sprache kann eine der Logik entsprechende Wendung neh- men: brechende Medien ermöglichen dem Auge das Sehen; hier ist grammatisch und logisch dasselbe Subject. Dasselbe drückt man aus durch: vermöge brechender Medien sieht das Auge. Das logische Subject muß doch wohl noch dasselbe sein, aber das grammatische weicht von ihm ab. — In einem Vortrage über den Blitz heißt es: das Eisen leitet ihn; Frage: wo ist das Subject? Vom Eisen sollte nichts prädicirt werden, nicht von ihm sollte geurtheilt werden, sondern vom Blitze; folglich ist ihn das logische Subject. Umgekehrt, es sei vom Eisen die Rede, und man sage: „Elektricität wird von ihm geleitet“; so ist von ihm das Subject. — „Wie befindet sich Herr N.?“ „Der Blitz hat ihn getroffen.“ Im zweiten Satze ist ihn das logische Subject; denn vom Blitze ist ja gar nicht die Rede. — „Wem gehört dieses Buch?“ „Es gehört Herrn N.“ Die beiden Da- tive sind die beiden Subjecte dieser Sätze; denn an sie soll ein anderer Begriff angeknüpft werden, nicht die Person an das Buch; oder, nach Trendelenburg, der Begriff dieser Person wird leben- dig und thätig im Besitzen des Buches. Auch hier läßt sich wohl die doppelte, d. h. die verschiedene logische und gramma- tische Rolle der beiden Dative sprachlich zerlegen, so daß die beiden Rollen getrennt gespielt werden, und dennoch auch ihre Einheit hervortritt: wer ist es, dem das Buch gehört? — „Wie hat der Patient geschlafen?“ „Er hat gut geschlafen“; geschla- fen ist im zweiten Satze Subject, gut Prädicat; denn man will sagen: sein Schlaf war gut, ruhig. — „Schläft er jetzt?“ „Nein, er hat geschlafen“; jetzt und geschlafen sind die Subjecte, schläft er und hat die Prädicate. Ich überlasse es dem Leser, noch Sätze anderer Art zu suchen, in welchen das grammatische Subject und
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wenn das Auge brechende Medien hat, so kann es sehen; oder:
weil das Auge u. s. w.; oder wenn das Auge sehen soll, so muß
es brechende Medien haben. In allen drei Sätzen haben wir ein
logisches Subject: brechende Medien haben und ein logisches
Prädicat: sehen; denn der letztere Begriff wird an den ersten
geknüpft; oder, um mit Trendelenburg zu reden: in den ersten
beiden Sätzen wird der Begriff: brechende Medien haben lebendig
in der Thätigkeit: sehen; und im dritten Satze wird der Begriff
sehen thätig und wirksam in Schöpfung brechender Medien. Das
logische Verhältniß, denke ich, ist hier unläugbar. Aber der
grammatische Ausdruck hat die Sache ganz anders dargestellt. —
Die Sprache kann eine der Logik entsprechende Wendung neh-
men: brechende Medien ermöglichen dem Auge das Sehen; hier
ist grammatisch und logisch dasselbe Subject. Dasselbe drückt
man aus durch: vermöge brechender Medien sieht das Auge. Das
logische Subject muß doch wohl noch dasselbe sein, aber das
grammatische weicht von ihm ab. — In einem Vortrage über
den Blitz heißt es: das Eisen leitet ihn; Frage: wo ist das
Subject? Vom Eisen sollte nichts prädicirt werden, nicht von
ihm sollte geurtheilt werden, sondern vom Blitze; folglich ist
ihn das logische Subject. Umgekehrt, es sei vom Eisen die
Rede, und man sage: „Elektricität wird von ihm geleitet“; so
ist von ihm das Subject. — „Wie befindet sich Herr N.?“ „Der
Blitz hat ihn getroffen.“ Im zweiten Satze ist ihn das logische
Subject; denn vom Blitze ist ja gar nicht die Rede. — „Wem
gehört dieses Buch?“ „Es gehört Herrn N.“ Die beiden Da-
tive sind die beiden Subjecte dieser Sätze; denn an sie soll ein
anderer Begriff angeknüpft werden, nicht die Person an das Buch;
oder, nach Trendelenburg, der Begriff dieser Person wird leben-
dig und thätig im Besitzen des Buches. Auch hier läßt sich
wohl die doppelte, d. h. die verschiedene logische und gramma-
tische Rolle der beiden Dative sprachlich zerlegen, so daß die
beiden Rollen getrennt gespielt werden, und dennoch auch ihre
Einheit hervortritt: wer ist es, dem das Buch gehört? — „Wie
hat der Patient geschlafen?“ „Er hat gut geschlafen“; geschla-
fen ist im zweiten Satze Subject, gut Prädicat; denn man will
sagen: sein Schlaf war gut, ruhig. — „Schläft er jetzt?“ „Nein,
er hat geschlafen“; jetzt und geschlafen sind die Subjecte, schläft
er und hat die Prädicate. Ich überlasse es dem Leser, noch Sätze
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/237>, abgerufen am 21.11.2024.
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