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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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Das Verbum "knüpft durch das Sein das Prädicat mit dem Sub-
jecte zusammen, allein so, daß das Sein, welches mit einem
energischen Prädicate in ein Handeln übergeht, dem Subjecte
selbst beigelegt, also das bloß als verknüpft Gedachte zum
Zustande oder Vorgange in der Wirklichkeit wird. Man denkt
nicht bloß den einschlagenden Blitz, sondern der Blitz ist es
selbst, der herniederfährt; man bringt nicht bloß den Geist und
das Unvergängliche als verknüpfbar zusammen, sondern der Geist
ist unvergänglich." Es ist nicht Humboldts Ansicht, daß die
Sprache die Welt malen wolle, sondern er meint, wie es unmit-
telbar weiter heißt: "Der Gedanke, wenn man sich so sinnlich
ausdrücken könnte, verläßt durch das Verbum seine innere
Wohnstätte und tritt in die Wirklichkeit über;" d. h. es ist
zwar nicht die Welt, die Wirklichkeit, die in der Sprache dar-
gestellt wird, sondern der Gedanke, unser subjectiver Gedanke;
aber dieser wird nicht als solcher, sondern als Wirklichkeit dar-
gestellt. Die Sprache ist also weder Darstellung der Wirklich-
keit, noch des Gedankens, sondern des Gedankens als Wirk-
lichkeit.

Becker sagt (Organism S. XV): Will man "läugnen, daß
die allgemeinen formalen Denkgesetze sich in der Sprache wie-
der finden, so läugnet man nicht allein die organische Natur der
Sprache, sondern auch die organische Natur des Denkens". --
Keins von beiden; man trennt nur beides, die organische Natur
der Sprache von der des Denkens.

§. 82. Inwiefern die Sprache logisch und nicht logisch ist.

Und so hoffen wir, man werde uns nicht den absurden Ein-
wand machen, wenn die Sprache nicht logisch ist, so sei sie
unlogisch, unvernünftig, was doch der Sinn der eben citirten
Bemerkung Beckers war. In diesem Einwande liegt ein ganz
gemeiner Fehler gegen die formale Logik: man schiebt einem
contradictorischen Verhältnisse den Werth des conträren Gegen-
satzes unter.

Wir können dasselbe, was wir so eben sagten, auch so aus-
drücken: man beachte nicht die Doppelbedeutung des Wortes
logisch. Dieses Adjectivum bedeutet eben sowohl, was zur
Wissenschaft der Logik gehört, z. B. eine logische Frage, ein
logisches Gesetz, als auch was den Gesetzen der Logik gemäß,
überhaupt vernünftig eingerichtet ist. Nur nach dem ersten

Das Verbum „knüpft durch das Sein das Prädicat mit dem Sub-
jecte zusammen, allein so, daß das Sein, welches mit einem
energischen Prädicate in ein Handeln übergeht, dem Subjecte
selbst beigelegt, also das bloß als verknüpft Gedachte zum
Zustande oder Vorgange in der Wirklichkeit wird. Man denkt
nicht bloß den einschlagenden Blitz, sondern der Blitz ist es
selbst, der herniederfährt; man bringt nicht bloß den Geist und
das Unvergängliche als verknüpfbar zusammen, sondern der Geist
ist unvergänglich.“ Es ist nicht Humboldts Ansicht, daß die
Sprache die Welt malen wolle, sondern er meint, wie es unmit-
telbar weiter heißt: „Der Gedanke, wenn man sich so sinnlich
ausdrücken könnte, verläßt durch das Verbum seine innere
Wohnstätte und tritt in die Wirklichkeit über;“ d. h. es ist
zwar nicht die Welt, die Wirklichkeit, die in der Sprache dar-
gestellt wird, sondern der Gedanke, unser subjectiver Gedanke;
aber dieser wird nicht als solcher, sondern als Wirklichkeit dar-
gestellt. Die Sprache ist also weder Darstellung der Wirklich-
keit, noch des Gedankens, sondern des Gedankens als Wirk-
lichkeit.

Becker sagt (Organism S. XV): Will man „läugnen, daß
die allgemeinen formalen Denkgesetze sich in der Sprache wie-
der finden, so läugnet man nicht allein die organische Natur der
Sprache, sondern auch die organische Natur des Denkens“. —
Keins von beiden; man trennt nur beides, die organische Natur
der Sprache von der des Denkens.

§. 82. Inwiefern die Sprache logisch und nicht logisch ist.

Und so hoffen wir, man werde uns nicht den absurden Ein-
wand machen, wenn die Sprache nicht logisch ist, so sei sie
unlogisch, unvernünftig, was doch der Sinn der eben citirten
Bemerkung Beckers war. In diesem Einwande liegt ein ganz
gemeiner Fehler gegen die formale Logik: man schiebt einem
contradictorischen Verhältnisse den Werth des conträren Gegen-
satzes unter.

Wir können dasselbe, was wir so eben sagten, auch so aus-
drücken: man beachte nicht die Doppelbedeutung des Wortes
logisch. Dieses Adjectivum bedeutet eben sowohl, was zur
Wissenschaft der Logik gehört, z. B. eine logische Frage, ein
logisches Gesetz, als auch was den Gesetzen der Logik gemäß,
überhaupt vernünftig eingerichtet ist. Nur nach dem ersten

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[218/0256] Das Verbum „knüpft durch das Sein das Prädicat mit dem Sub- jecte zusammen, allein so, daß das Sein, welches mit einem energischen Prädicate in ein Handeln übergeht, dem Subjecte selbst beigelegt, also das bloß als verknüpft Gedachte zum Zustande oder Vorgange in der Wirklichkeit wird. Man denkt nicht bloß den einschlagenden Blitz, sondern der Blitz ist es selbst, der herniederfährt; man bringt nicht bloß den Geist und das Unvergängliche als verknüpfbar zusammen, sondern der Geist ist unvergänglich.“ Es ist nicht Humboldts Ansicht, daß die Sprache die Welt malen wolle, sondern er meint, wie es unmit- telbar weiter heißt: „Der Gedanke, wenn man sich so sinnlich ausdrücken könnte, verläßt durch das Verbum seine innere Wohnstätte und tritt in die Wirklichkeit über;“ d. h. es ist zwar nicht die Welt, die Wirklichkeit, die in der Sprache dar- gestellt wird, sondern der Gedanke, unser subjectiver Gedanke; aber dieser wird nicht als solcher, sondern als Wirklichkeit dar- gestellt. Die Sprache ist also weder Darstellung der Wirklich- keit, noch des Gedankens, sondern des Gedankens als Wirk- lichkeit. Becker sagt (Organism S. XV): Will man „läugnen, daß die allgemeinen formalen Denkgesetze sich in der Sprache wie- der finden, so läugnet man nicht allein die organische Natur der Sprache, sondern auch die organische Natur des Denkens“. — Keins von beiden; man trennt nur beides, die organische Natur der Sprache von der des Denkens. §. 82. Inwiefern die Sprache logisch und nicht logisch ist. Und so hoffen wir, man werde uns nicht den absurden Ein- wand machen, wenn die Sprache nicht logisch ist, so sei sie unlogisch, unvernünftig, was doch der Sinn der eben citirten Bemerkung Beckers war. In diesem Einwande liegt ein ganz gemeiner Fehler gegen die formale Logik: man schiebt einem contradictorischen Verhältnisse den Werth des conträren Gegen- satzes unter. Wir können dasselbe, was wir so eben sagten, auch so aus- drücken: man beachte nicht die Doppelbedeutung des Wortes logisch. Dieses Adjectivum bedeutet eben sowohl, was zur Wissenschaft der Logik gehört, z. B. eine logische Frage, ein logisches Gesetz, als auch was den Gesetzen der Logik gemäß, überhaupt vernünftig eingerichtet ist. Nur nach dem ersten

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/256>, abgerufen am 22.11.2024.