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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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lichen Gesetze auf sprachliche Stoffe tritt nothwendig die Lo-
gik ein.

Von einem Knaben wird das perfectum indicat. activi von
laudare verlangt; er wird diese Form durch eine Reflexion, durch
einen logischen Schluß finden, vorausgesetzt, daß er die la-
teinische Conjugation versteht. Die logische Operation ist sogar
ziemlich lang, so schnell der Knabe sie auch macht. Er ope-
rirt mit sprachlichem Stoffe in logischer Form
. Was
aber hier in Beziehung auf die logische Denkform sprachlicher
Stoff heißt, das sind nicht bloß die Wurzelwörter, sondern auch
die grammatischen Formen und Verhältnisse, überhaupt alles,
was die Sprache ausmacht.

Wie es also chemische Kategorien giebt -- z. B. Sauer-
stoff, Stickstoff, Wahlverwandtschaft --, physikalische und phy-
siologische -- z. B. Wärme, Elektricität, Athmen, Verdauen --:
so giebt es grammatische, z. B. Substantivum, Verbum, Attribut;
wie die Natur und der Naturforscher mit ihren Kategorien lo-
gisch operiren: so auch die Sprache und der Sprachforscher; wie
aber hierdurch die Naturwissenschaft und die Natur nicht logisch
werden: so auch nicht Sprachwissenschaft und Grammatiker;
sondern hier wie dort bleiben die Kategorien jeder Wissenschaft
eigenthümlich, von denen die Logik nichts weiß, um deren Ge-
halt, Berechtigung, Herkunft sie sich nicht kümmert, zufrieden
damit, daß jene Kategorien, sowohl jede an sich, als auch die
Beziehung mehrerer zu einander, denkbar, d. h. logisch richtig
gedacht seien.

Das formalste Element der Sprache, ihre formalste Thätig-
keit, ist immer noch Stoff, ein ganz besonderer Stoff, ein Bei-
spiel für die Logik, und kann eintreten in die Logik, wie tausend
andere Beispiele; aber weder ist die Sprache Herr in der Logik, daß
sie dort in irgend einem Abschnitte gebietend auftreten könnte,
noch kann sie sich das Einreden der Logik gefallen lassen, so-
bald es sich um ihre Elemente als solche, um den Inhalt der-
selben handelt.

Die Sprache ist also gerade darum nicht unlogisch (dieses
Wort als conträren Gegensatz zu logisch genommen, also im
Sinne von: die Logik verletzend, gegen sie verstoßend), weil
sie nicht logisch ist (d. h. keine logischen Kategorien und Ge-
setze aufstellt, sondern ganz eigenthümliche). Die sprachlichen
und logischen Kategorien sind also disparate Begriffe, die ruhig

lichen Gesetze auf sprachliche Stoffe tritt nothwendig die Lo-
gik ein.

Von einem Knaben wird das perfectum indicat. activi von
laudare verlangt; er wird diese Form durch eine Reflexion, durch
einen logischen Schluß finden, vorausgesetzt, daß er die la-
teinische Conjugation versteht. Die logische Operation ist sogar
ziemlich lang, so schnell der Knabe sie auch macht. Er ope-
rirt mit sprachlichem Stoffe in logischer Form
. Was
aber hier in Beziehung auf die logische Denkform sprachlicher
Stoff heißt, das sind nicht bloß die Wurzelwörter, sondern auch
die grammatischen Formen und Verhältnisse, überhaupt alles,
was die Sprache ausmacht.

Wie es also chemische Kategorien giebt — z. B. Sauer-
stoff, Stickstoff, Wahlverwandtschaft —, physikalische und phy-
siologische — z. B. Wärme, Elektricität, Athmen, Verdauen —:
so giebt es grammatische, z. B. Substantivum, Verbum, Attribut;
wie die Natur und der Naturforscher mit ihren Kategorien lo-
gisch operiren: so auch die Sprache und der Sprachforscher; wie
aber hierdurch die Naturwissenschaft und die Natur nicht logisch
werden: so auch nicht Sprachwissenschaft und Grammatiker;
sondern hier wie dort bleiben die Kategorien jeder Wissenschaft
eigenthümlich, von denen die Logik nichts weiß, um deren Ge-
halt, Berechtigung, Herkunft sie sich nicht kümmert, zufrieden
damit, daß jene Kategorien, sowohl jede an sich, als auch die
Beziehung mehrerer zu einander, denkbar, d. h. logisch richtig
gedacht seien.

Das formalste Element der Sprache, ihre formalste Thätig-
keit, ist immer noch Stoff, ein ganz besonderer Stoff, ein Bei-
spiel für die Logik, und kann eintreten in die Logik, wie tausend
andere Beispiele; aber weder ist die Sprache Herr in der Logik, daß
sie dort in irgend einem Abschnitte gebietend auftreten könnte,
noch kann sie sich das Einreden der Logik gefallen lassen, so-
bald es sich um ihre Elemente als solche, um den Inhalt der-
selben handelt.

Die Sprache ist also gerade darum nicht unlogisch (dieses
Wort als conträren Gegensatz zu logisch genommen, also im
Sinne von: die Logik verletzend, gegen sie verstoßend), weil
sie nicht logisch ist (d. h. keine logischen Kategorien und Ge-
setze aufstellt, sondern ganz eigenthümliche). Die sprachlichen
und logischen Kategorien sind also disparate Begriffe, die ruhig

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[221/0259] lichen Gesetze auf sprachliche Stoffe tritt nothwendig die Lo- gik ein. Von einem Knaben wird das perfectum indicat. activi von laudare verlangt; er wird diese Form durch eine Reflexion, durch einen logischen Schluß finden, vorausgesetzt, daß er die la- teinische Conjugation versteht. Die logische Operation ist sogar ziemlich lang, so schnell der Knabe sie auch macht. Er ope- rirt mit sprachlichem Stoffe in logischer Form. Was aber hier in Beziehung auf die logische Denkform sprachlicher Stoff heißt, das sind nicht bloß die Wurzelwörter, sondern auch die grammatischen Formen und Verhältnisse, überhaupt alles, was die Sprache ausmacht. Wie es also chemische Kategorien giebt — z. B. Sauer- stoff, Stickstoff, Wahlverwandtschaft —, physikalische und phy- siologische — z. B. Wärme, Elektricität, Athmen, Verdauen —: so giebt es grammatische, z. B. Substantivum, Verbum, Attribut; wie die Natur und der Naturforscher mit ihren Kategorien lo- gisch operiren: so auch die Sprache und der Sprachforscher; wie aber hierdurch die Naturwissenschaft und die Natur nicht logisch werden: so auch nicht Sprachwissenschaft und Grammatiker; sondern hier wie dort bleiben die Kategorien jeder Wissenschaft eigenthümlich, von denen die Logik nichts weiß, um deren Ge- halt, Berechtigung, Herkunft sie sich nicht kümmert, zufrieden damit, daß jene Kategorien, sowohl jede an sich, als auch die Beziehung mehrerer zu einander, denkbar, d. h. logisch richtig gedacht seien. Das formalste Element der Sprache, ihre formalste Thätig- keit, ist immer noch Stoff, ein ganz besonderer Stoff, ein Bei- spiel für die Logik, und kann eintreten in die Logik, wie tausend andere Beispiele; aber weder ist die Sprache Herr in der Logik, daß sie dort in irgend einem Abschnitte gebietend auftreten könnte, noch kann sie sich das Einreden der Logik gefallen lassen, so- bald es sich um ihre Elemente als solche, um den Inhalt der- selben handelt. Die Sprache ist also gerade darum nicht unlogisch (dieses Wort als conträren Gegensatz zu logisch genommen, also im Sinne von: die Logik verletzend, gegen sie verstoßend), weil sie nicht logisch ist (d. h. keine logischen Kategorien und Ge- setze aufstellt, sondern ganz eigenthümliche). Die sprachlichen und logischen Kategorien sind also disparate Begriffe, die ruhig

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/259>, abgerufen am 21.11.2024.