Grammatik zu bestimmen, und nur so weit und in so fern sie zu diesem Zwecke gehörten, sind sie besprochen worden. Bei der Untersuchung über den Ursprung der Sprache zumal wollte ich die Aufgabe in ihrer größten Einfachheit, in ihrer rein- sten Gestalt bearbeiten, abgelöst von allen Problemen, die sich an sie knüpfen, aber wesentlich anderen Gedankenkreisen ange- hören. Diese Vorsicht war nöthig, mindestens rathsam, indem die Sache, wie ich sie faßte, auch so noch unübersteigliche Schwierigkeiten darbot. Ich mußte mich damit begnügen, die Frage nur erst zurecht gerückt und auf ihren wahren Boden gestellt zu haben, und konnte nicht hoffen, indem ich sie in die- ser ihrer wahren Gestalt zum ersten Male angriff, sie zur vollen Befriedigung zu lösen. Wenn ich nun um Nachsicht bitte, so wird zwar mancher glauben, solche Bitte stimme wenig zu dem Tone, den ich überall anschlage; andere aber, hoffe ich, wer- den mir wohl die Nachsicht gewähren, deren ich bedarf, indem sie meine Eigenthümlichkeit besser verstehen und nicht überse- hen werden, wie gewissenhaft ich gestrebt habe, und wie ich in meinem Buche überall das Bewußtsein davon habe: es ist alles angefangen, vollendet nichts.
Die Quellen, aus denen ich geschöpft, die Männer, deren Werke mich angeregt haben, sind im Buche gelegentlich ge- nannt. Den jüngeren Mitarbeitern, die mir Vertrauen schenken, empfehle ich hier besonders die Arbeiten Lotzes, des größten Denkers unserer Zeit. Seine Metaphysik und Logik sind mir leider erst bekannt geworden, nachdem ich die Handschrift zu diesem Buche schon aus Händen gegeben hatte. Besonders was ich über die Logik im Allgemeinen gesagt habe, dürfte nach Lotze besser zu sagen sein.
Die tiefste Anregung erhielt ich durch den Humboldtschen Begriff der inneren Sprachform; und das vorliegende Buch ist nur die Erläuterung dieses Begriffes. Ich sehe immer noch Humboldt als den Urheber desselben an, wiewohl ich einerseits nicht zurücknehmen kann, was ich in meiner Kritik Humboldts (vergl. meine Schrift: Die Classification der Sprachen) überzeu- gend bewiesen zu haben glaube, daß er nämlich in keiner Grund-
Grammatik zu bestimmen, und nur so weit und in so fern sie zu diesem Zwecke gehörten, sind sie besprochen worden. Bei der Untersuchung über den Ursprung der Sprache zumal wollte ich die Aufgabe in ihrer größten Einfachheit, in ihrer rein- sten Gestalt bearbeiten, abgelöst von allen Problemen, die sich an sie knüpfen, aber wesentlich anderen Gedankenkreisen ange- hören. Diese Vorsicht war nöthig, mindestens rathsam, indem die Sache, wie ich sie faßte, auch so noch unübersteigliche Schwierigkeiten darbot. Ich mußte mich damit begnügen, die Frage nur erst zurecht gerückt und auf ihren wahren Boden gestellt zu haben, und konnte nicht hoffen, indem ich sie in die- ser ihrer wahren Gestalt zum ersten Male angriff, sie zur vollen Befriedigung zu lösen. Wenn ich nun um Nachsicht bitte, so wird zwar mancher glauben, solche Bitte stimme wenig zu dem Tone, den ich überall anschlage; andere aber, hoffe ich, wer- den mir wohl die Nachsicht gewähren, deren ich bedarf, indem sie meine Eigenthümlichkeit besser verstehen und nicht überse- hen werden, wie gewissenhaft ich gestrebt habe, und wie ich in meinem Buche überall das Bewußtsein davon habe: es ist alles angefangen, vollendet nichts.
Die Quellen, aus denen ich geschöpft, die Männer, deren Werke mich angeregt haben, sind im Buche gelegentlich ge- nannt. Den jüngeren Mitarbeitern, die mir Vertrauen schenken, empfehle ich hier besonders die Arbeiten Lotzes, des größten Denkers unserer Zeit. Seine Metaphysik und Logik sind mir leider erst bekannt geworden, nachdem ich die Handschrift zu diesem Buche schon aus Händen gegeben hatte. Besonders was ich über die Logik im Allgemeinen gesagt habe, dürfte nach Lotze besser zu sagen sein.
Die tiefste Anregung erhielt ich durch den Humboldtschen Begriff der inneren Sprachform; und das vorliegende Buch ist nur die Erläuterung dieses Begriffes. Ich sehe immer noch Humboldt als den Urheber desselben an, wiewohl ich einerseits nicht zurücknehmen kann, was ich in meiner Kritik Humboldts (vergl. meine Schrift: Die Classification der Sprachen) überzeu- gend bewiesen zu haben glaube, daß er nämlich in keiner Grund-
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[XX/0026]
Grammatik zu bestimmen, und nur so weit und in so fern sie
zu diesem Zwecke gehörten, sind sie besprochen worden. Bei
der Untersuchung über den Ursprung der Sprache zumal wollte
ich die Aufgabe in ihrer größten Einfachheit, in ihrer rein-
sten Gestalt bearbeiten, abgelöst von allen Problemen, die sich
an sie knüpfen, aber wesentlich anderen Gedankenkreisen ange-
hören. Diese Vorsicht war nöthig, mindestens rathsam, indem
die Sache, wie ich sie faßte, auch so noch unübersteigliche
Schwierigkeiten darbot. Ich mußte mich damit begnügen, die
Frage nur erst zurecht gerückt und auf ihren wahren Boden
gestellt zu haben, und konnte nicht hoffen, indem ich sie in die-
ser ihrer wahren Gestalt zum ersten Male angriff, sie zur vollen
Befriedigung zu lösen. Wenn ich nun um Nachsicht bitte, so
wird zwar mancher glauben, solche Bitte stimme wenig zu dem
Tone, den ich überall anschlage; andere aber, hoffe ich, wer-
den mir wohl die Nachsicht gewähren, deren ich bedarf, indem
sie meine Eigenthümlichkeit besser verstehen und nicht überse-
hen werden, wie gewissenhaft ich gestrebt habe, und wie ich in
meinem Buche überall das Bewußtsein davon habe: es ist alles
angefangen, vollendet nichts.
Die Quellen, aus denen ich geschöpft, die Männer, deren
Werke mich angeregt haben, sind im Buche gelegentlich ge-
nannt. Den jüngeren Mitarbeitern, die mir Vertrauen schenken,
empfehle ich hier besonders die Arbeiten Lotzes, des größten
Denkers unserer Zeit. Seine Metaphysik und Logik sind mir
leider erst bekannt geworden, nachdem ich die Handschrift zu
diesem Buche schon aus Händen gegeben hatte. Besonders was
ich über die Logik im Allgemeinen gesagt habe, dürfte nach
Lotze besser zu sagen sein.
Die tiefste Anregung erhielt ich durch den Humboldtschen
Begriff der inneren Sprachform; und das vorliegende Buch ist
nur die Erläuterung dieses Begriffes. Ich sehe immer noch
Humboldt als den Urheber desselben an, wiewohl ich einerseits
nicht zurücknehmen kann, was ich in meiner Kritik Humboldts
(vergl. meine Schrift: Die Classification der Sprachen) überzeu-
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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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