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Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855.

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schönen, starken Traum vor. Aber das Ueberhören, so alles
zusammen,
ist doch das Beste."

§. 113. Unterschied zwischen Satz und Urtheil, Vorstellung und Begriff.

So viel über das Verhältniß der Vorstellung zur Anschauung
und zum Begriffe. Versuchen wir jetzt, uns das Wesen des Ur-
theils der Vorstellung klar zu machen. Es ist doppelter Art,
wie die Vorstellung selbst doppelter Natur ist. Denn sie ist
die Einheit des Wortes und seiner Bedeutung. Nach der Seite
der Bedeutung hin ist das Urtheil der Vorstellung vom Urtheile
des Begriffs nur dadurch verschieden, daß der Inhalt des er-
stern etwas für die Anschauung Zufälliges und Unwesentliches,
Einzelnes ist. "Ich habe gegessen und werde mich nun schla-
fen legen. Hr. N. ist gestorben u. s. w." sind Urtheile der Vor-
stellung. Wenn aber der Physiolog die Urtheile ausspricht:
der Mensch ißt, schläft, ist sterblich: so haben wir hier Allge-
meinheit und Nothwendigkeit, und also Urtheile des Begriffs.
Das ganze gemeine Leben bewegt sich in Vorstellungen; denn
es dreht sich um Zufälligkeiten und Einzelheiten und gelangt
nie dazu, die Merkmale der Anschauung zu vervollständigen und
aufzuklären, und besonders nach ihrer Würdigkeit abzuschätzen.
Die Wissenschaft ist der Kreis des Begriffs.

Insofern aber die Vorstellung Wort, innere Sprachform, ist,
hat sie ebenfalls ein Urtheil, nämlich eine Anschauung: von der
Gliederung der Anschauung oder des Begriffs, kurz der Bedeu-
tung. Wie die innere Sprachform Anschauung der Anschauung
ist, so ist sie auch Anschauung des Urtheils, d. h. Satz; und
wie nun überhaupt die innere Sprachform nicht denselben Inhalt
hat, wie die bedeutete Anschauung, sondern nur eine Auffas-
sungsweise derselben ist: so ist auch der Satz nur eine be-
sondere Anschauungsweise des Urtheils
. Dies führt
aber specieller in die Grammatik, die eben, weil sie nur die in-
stinctive Anschauung der Logik ist, nicht die Logik selbst ist.

Wir sagten oben, daß in historischer Zeit, nachdem die
Etymologie des Wortes vergessen sei, der Laut ohne Vermitt-
lung der innern Sprachform unmittelbar mit der bedeuteten Vor-
stellung zusammenhänge, und daß dieses Verschwinden der in-
nern Sprachform von dem wachsenden Reichthum des Bewußt-
seins und der Ausbildung der Vorstellung zum Begriffe herrühre.
Hier sehen wir nun aber, daß bei der Entwickelung des Be-
griffs dieser, als die reale Bedeutung des Wortes, die Stelle

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schönen, starken Traum vor. Aber das Ueberhören, so alles
zusammen,
ist doch das Beste.“

§. 113. Unterschied zwischen Satz und Urtheil, Vorstellung und Begriff.

So viel über das Verhältniß der Vorstellung zur Anschauung
und zum Begriffe. Versuchen wir jetzt, uns das Wesen des Ur-
theils der Vorstellung klar zu machen. Es ist doppelter Art,
wie die Vorstellung selbst doppelter Natur ist. Denn sie ist
die Einheit des Wortes und seiner Bedeutung. Nach der Seite
der Bedeutung hin ist das Urtheil der Vorstellung vom Urtheile
des Begriffs nur dadurch verschieden, daß der Inhalt des er-
stern etwas für die Anschauung Zufälliges und Unwesentliches,
Einzelnes ist. „Ich habe gegessen und werde mich nun schla-
fen legen. Hr. N. ist gestorben u. s. w.“ sind Urtheile der Vor-
stellung. Wenn aber der Physiolog die Urtheile ausspricht:
der Mensch ißt, schläft, ist sterblich: so haben wir hier Allge-
meinheit und Nothwendigkeit, und also Urtheile des Begriffs.
Das ganze gemeine Leben bewegt sich in Vorstellungen; denn
es dreht sich um Zufälligkeiten und Einzelheiten und gelangt
nie dazu, die Merkmale der Anschauung zu vervollständigen und
aufzuklären, und besonders nach ihrer Würdigkeit abzuschätzen.
Die Wissenschaft ist der Kreis des Begriffs.

Insofern aber die Vorstellung Wort, innere Sprachform, ist,
hat sie ebenfalls ein Urtheil, nämlich eine Anschauung: von der
Gliederung der Anschauung oder des Begriffs, kurz der Bedeu-
tung. Wie die innere Sprachform Anschauung der Anschauung
ist, so ist sie auch Anschauung des Urtheils, d. h. Satz; und
wie nun überhaupt die innere Sprachform nicht denselben Inhalt
hat, wie die bedeutete Anschauung, sondern nur eine Auffas-
sungsweise derselben ist: so ist auch der Satz nur eine be-
sondere Anschauungsweise des Urtheils
. Dies führt
aber specieller in die Grammatik, die eben, weil sie nur die in-
stinctive Anschauung der Logik ist, nicht die Logik selbst ist.

Wir sagten oben, daß in historischer Zeit, nachdem die
Etymologie des Wortes vergessen sei, der Laut ohne Vermitt-
lung der innern Sprachform unmittelbar mit der bedeuteten Vor-
stellung zusammenhänge, und daß dieses Verschwinden der in-
nern Sprachform von dem wachsenden Reichthum des Bewußt-
seins und der Ausbildung der Vorstellung zum Begriffe herrühre.
Hier sehen wir nun aber, daß bei der Entwickelung des Be-
griffs dieser, als die reale Bedeutung des Wortes, die Stelle

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[337/0375] schönen, starken Traum vor. Aber das Ueberhören, so alles zusammen, ist doch das Beste.“ §. 113. Unterschied zwischen Satz und Urtheil, Vorstellung und Begriff. So viel über das Verhältniß der Vorstellung zur Anschauung und zum Begriffe. Versuchen wir jetzt, uns das Wesen des Ur- theils der Vorstellung klar zu machen. Es ist doppelter Art, wie die Vorstellung selbst doppelter Natur ist. Denn sie ist die Einheit des Wortes und seiner Bedeutung. Nach der Seite der Bedeutung hin ist das Urtheil der Vorstellung vom Urtheile des Begriffs nur dadurch verschieden, daß der Inhalt des er- stern etwas für die Anschauung Zufälliges und Unwesentliches, Einzelnes ist. „Ich habe gegessen und werde mich nun schla- fen legen. Hr. N. ist gestorben u. s. w.“ sind Urtheile der Vor- stellung. Wenn aber der Physiolog die Urtheile ausspricht: der Mensch ißt, schläft, ist sterblich: so haben wir hier Allge- meinheit und Nothwendigkeit, und also Urtheile des Begriffs. Das ganze gemeine Leben bewegt sich in Vorstellungen; denn es dreht sich um Zufälligkeiten und Einzelheiten und gelangt nie dazu, die Merkmale der Anschauung zu vervollständigen und aufzuklären, und besonders nach ihrer Würdigkeit abzuschätzen. Die Wissenschaft ist der Kreis des Begriffs. Insofern aber die Vorstellung Wort, innere Sprachform, ist, hat sie ebenfalls ein Urtheil, nämlich eine Anschauung: von der Gliederung der Anschauung oder des Begriffs, kurz der Bedeu- tung. Wie die innere Sprachform Anschauung der Anschauung ist, so ist sie auch Anschauung des Urtheils, d. h. Satz; und wie nun überhaupt die innere Sprachform nicht denselben Inhalt hat, wie die bedeutete Anschauung, sondern nur eine Auffas- sungsweise derselben ist: so ist auch der Satz nur eine be- sondere Anschauungsweise des Urtheils. Dies führt aber specieller in die Grammatik, die eben, weil sie nur die in- stinctive Anschauung der Logik ist, nicht die Logik selbst ist. Wir sagten oben, daß in historischer Zeit, nachdem die Etymologie des Wortes vergessen sei, der Laut ohne Vermitt- lung der innern Sprachform unmittelbar mit der bedeuteten Vor- stellung zusammenhänge, und daß dieses Verschwinden der in- nern Sprachform von dem wachsenden Reichthum des Bewußt- seins und der Ausbildung der Vorstellung zum Begriffe herrühre. Hier sehen wir nun aber, daß bei der Entwickelung des Be- griffs dieser, als die reale Bedeutung des Wortes, die Stelle 22

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Zitationshilfe: Steinthal, Heymann: Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Principien und ihr Verhältniss zu einander. Berlin, 1855, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinthal_grammatik_1855/375>, abgerufen am 18.12.2024.