Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Menschen. Wie die Natur des Landes in seinen verschiedenen Gegenden höchst verschieden, so auch die Vertheilung der Bewohner. Gerade in der Mitte des Gebiets zwischen dem Lutzbache, der das Walserthal durchströmt, zwischen der Bregenzerache und den Rheinufern sind weite, nur mit Sennhütten besetzte Alpengegenden, welche dem Uebergreifen der Bevölkerung die Schrecken eines langen, rauhen Winters mit einem Nachdrucke entgegensetzen, der bisher alle häuslichen Niederlassungen hintertrieben hat. Dieselbe Erscheinung kehrt wieder in den Gebirgszügen, die vom Arlberge gegen das Walserthal und gegen Montavon sich ausdehnen. Andrerseits nähren die fruchtbaren Gestade des Rheins und der Gewerbsfleiß der dortigen Städte und Flecken eine zahlreiche Bevölkerung. So kommt es, daß im Landgerichte Montavon kaum 900 Seelen auf die Quadratmeile fallen, im Bludenzer Gericht wenig über 1000, während in der Gegend von Dornbirn fast 5000 Menschen auf derselben Fläche gezählt werden. Was die Abstammung der Vorarlberger betrifft, so ist diese nicht bei allen die gleiche. Mitten durch das Land zieht sich nämlich eine ehemalige Sprachgränze, die jetzt freilich nur mehr wie jene ehemalige der Slaven im Sachsenlande an den undeutschen Ortsnamen zu erkennen ist. Sie beginnt bei Hohenems (ehemals Amades) und Götzis am Rhein, und zieht sich über Fraxern, Dafins, Laterns, Damils, Fontanella, Ragall, Marnel und Zürs gegen den Arlberg. Alle diese Dörfer und die andern, die daran gegen Mittag liegen, gehörten vordem zum ladinischen Bisthum Chur und bildeten das Capitulum Drusianum, so genannt von Val Drusana, dem romanischen Namen des Bludenzer Wallgaues, welchen dieses von Drusus, Kaiser Augusts Stiefsohn, erhalten haben soll. Hier wohnten romanisirte Rhätier, die zum Theil wie schon erwähnt noch im sechzehnten Jahrhundert dasselbe Romansch sprachen, das sich bis zur Stunde in Graubündten erhalten hat. Auf einzelne deutsche Niederlassungen, die schon in frühen Zeiten unter den besiegten Romanen gegründet wurden, werden wir an einem andern Orte aufmerksam machen. Menschen. Wie die Natur des Landes in seinen verschiedenen Gegenden höchst verschieden, so auch die Vertheilung der Bewohner. Gerade in der Mitte des Gebiets zwischen dem Lutzbache, der das Walserthal durchströmt, zwischen der Bregenzerache und den Rheinufern sind weite, nur mit Sennhütten besetzte Alpengegenden, welche dem Uebergreifen der Bevölkerung die Schrecken eines langen, rauhen Winters mit einem Nachdrucke entgegensetzen, der bisher alle häuslichen Niederlassungen hintertrieben hat. Dieselbe Erscheinung kehrt wieder in den Gebirgszügen, die vom Arlberge gegen das Walserthal und gegen Montavon sich ausdehnen. Andrerseits nähren die fruchtbaren Gestade des Rheins und der Gewerbsfleiß der dortigen Städte und Flecken eine zahlreiche Bevölkerung. So kommt es, daß im Landgerichte Montavon kaum 900 Seelen auf die Quadratmeile fallen, im Bludenzer Gericht wenig über 1000, während in der Gegend von Dornbirn fast 5000 Menschen auf derselben Fläche gezählt werden. Was die Abstammung der Vorarlberger betrifft, so ist diese nicht bei allen die gleiche. Mitten durch das Land zieht sich nämlich eine ehemalige Sprachgränze, die jetzt freilich nur mehr wie jene ehemalige der Slaven im Sachsenlande an den undeutschen Ortsnamen zu erkennen ist. Sie beginnt bei Hohenems (ehemals Amades) und Götzis am Rhein, und zieht sich über Fraxern, Dafins, Laterns, Damils, Fontanella, Ragall, Marnel und Zürs gegen den Arlberg. Alle diese Dörfer und die andern, die daran gegen Mittag liegen, gehörten vordem zum ladinischen Bisthum Chur und bildeten das Capitulum Drusianum, so genannt von Val Drusana, dem romanischen Namen des Bludenzer Wallgaues, welchen dieses von Drusus, Kaiser Augusts Stiefsohn, erhalten haben soll. Hier wohnten romanisirte Rhätier, die zum Theil wie schon erwähnt noch im sechzehnten Jahrhundert dasselbe Romansch sprachen, das sich bis zur Stunde in Graubündten erhalten hat. Auf einzelne deutsche Niederlassungen, die schon in frühen Zeiten unter den besiegten Romanen gegründet wurden, werden wir an einem andern Orte aufmerksam machen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="6"/> Menschen. Wie die Natur des Landes in seinen verschiedenen Gegenden höchst verschieden, so auch die Vertheilung der Bewohner. Gerade in der Mitte des Gebiets zwischen dem Lutzbache, der das Walserthal durchströmt, zwischen der Bregenzerache und den Rheinufern sind weite, nur mit Sennhütten besetzte Alpengegenden, welche dem Uebergreifen der Bevölkerung die Schrecken eines langen, rauhen Winters mit einem Nachdrucke entgegensetzen, der bisher alle häuslichen Niederlassungen hintertrieben hat. Dieselbe Erscheinung kehrt wieder in den Gebirgszügen, die vom Arlberge gegen das Walserthal und gegen Montavon sich ausdehnen. Andrerseits nähren die fruchtbaren Gestade des Rheins und der Gewerbsfleiß der dortigen Städte und Flecken eine zahlreiche Bevölkerung. So kommt es, daß im Landgerichte Montavon kaum 900 Seelen auf die Quadratmeile fallen, im Bludenzer Gericht wenig über 1000, während in der Gegend von Dornbirn fast 5000 Menschen auf derselben Fläche gezählt werden.</p> <p>Was die Abstammung der Vorarlberger betrifft, so ist diese nicht bei allen die gleiche. Mitten durch das Land zieht sich nämlich eine ehemalige Sprachgränze, die jetzt freilich nur mehr wie jene ehemalige der Slaven im Sachsenlande an den undeutschen Ortsnamen zu erkennen ist. Sie beginnt bei Hohenems (ehemals Amades) und Götzis am Rhein, und zieht sich über Fraxern, Dafins, Laterns, Damils, Fontanella, Ragall, Marnel und Zürs gegen den Arlberg. Alle diese Dörfer und die andern, die daran gegen Mittag liegen, gehörten vordem zum ladinischen Bisthum Chur und bildeten das Capitulum Drusianum, so genannt von Val Drusana, dem romanischen Namen des Bludenzer Wallgaues, welchen dieses von Drusus, Kaiser Augusts Stiefsohn, erhalten haben soll. Hier wohnten romanisirte Rhätier, die zum Theil wie schon erwähnt noch im sechzehnten Jahrhundert dasselbe Romansch sprachen, das sich bis zur Stunde in Graubündten erhalten hat. Auf einzelne deutsche Niederlassungen, die schon in frühen Zeiten unter den besiegten Romanen gegründet wurden, werden wir an einem andern Orte aufmerksam machen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0011]
Menschen. Wie die Natur des Landes in seinen verschiedenen Gegenden höchst verschieden, so auch die Vertheilung der Bewohner. Gerade in der Mitte des Gebiets zwischen dem Lutzbache, der das Walserthal durchströmt, zwischen der Bregenzerache und den Rheinufern sind weite, nur mit Sennhütten besetzte Alpengegenden, welche dem Uebergreifen der Bevölkerung die Schrecken eines langen, rauhen Winters mit einem Nachdrucke entgegensetzen, der bisher alle häuslichen Niederlassungen hintertrieben hat. Dieselbe Erscheinung kehrt wieder in den Gebirgszügen, die vom Arlberge gegen das Walserthal und gegen Montavon sich ausdehnen. Andrerseits nähren die fruchtbaren Gestade des Rheins und der Gewerbsfleiß der dortigen Städte und Flecken eine zahlreiche Bevölkerung. So kommt es, daß im Landgerichte Montavon kaum 900 Seelen auf die Quadratmeile fallen, im Bludenzer Gericht wenig über 1000, während in der Gegend von Dornbirn fast 5000 Menschen auf derselben Fläche gezählt werden.
Was die Abstammung der Vorarlberger betrifft, so ist diese nicht bei allen die gleiche. Mitten durch das Land zieht sich nämlich eine ehemalige Sprachgränze, die jetzt freilich nur mehr wie jene ehemalige der Slaven im Sachsenlande an den undeutschen Ortsnamen zu erkennen ist. Sie beginnt bei Hohenems (ehemals Amades) und Götzis am Rhein, und zieht sich über Fraxern, Dafins, Laterns, Damils, Fontanella, Ragall, Marnel und Zürs gegen den Arlberg. Alle diese Dörfer und die andern, die daran gegen Mittag liegen, gehörten vordem zum ladinischen Bisthum Chur und bildeten das Capitulum Drusianum, so genannt von Val Drusana, dem romanischen Namen des Bludenzer Wallgaues, welchen dieses von Drusus, Kaiser Augusts Stiefsohn, erhalten haben soll. Hier wohnten romanisirte Rhätier, die zum Theil wie schon erwähnt noch im sechzehnten Jahrhundert dasselbe Romansch sprachen, das sich bis zur Stunde in Graubündten erhalten hat. Auf einzelne deutsche Niederlassungen, die schon in frühen Zeiten unter den besiegten Romanen gegründet wurden, werden wir an einem andern Orte aufmerksam machen.
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