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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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erinnert an das bündnerische Davos (de a post), das "hintere Land" und hält Montavon für Mont d'avos, der hintere Berg. Damit scheint allerdings der richtige Weg angedeutet, aber nicht das rechte Ziel gefunden, denn wenn jenes die Entstehung des Namens wäre, so würde er wohl Montavos lauten, während für ein Montavon doch Mont d' avont (de ab ante), der vordere Berg, weit näher liegt. Es mag dieß der ehemalige Name eines der am Eingange des Thales gelegenen Gebirge, vielleicht gerade des "vordern Bartholomäusberges" seyn, der dann auf das ganze Thal übertragen wurde.

Immerhin scheint jene Ableitung so begründet, daß wir statt des gewöhnlichen Montafon, Muntafun mit Bergmann Montavon geschrieben haben, obgleich die gesammte deutsche Schreibung rhätoromanischer Localnamen so im Argen liegt, daß es sich kaum lohnt im Einzelnen Verbesserungen vorzunehmen.

Die Montavoner verdienen auch deßwegen einige Aufmerksamkeit, weil sie in Vorarlberg wahrscheinlich die letzten waren welche die deutsche Sprache angenommen haben. Es ist schon einmal erwähnt worden, daß Guler von Winegg noch am Ende des 16ten Jahrhunderts im Wallgau Leute gekannt habe, welche grob rhätisch, d. h. romanisch sprechen konnten. Bedenkt man nun, daß im Wallgau die Städte Bludenz und Feldkirch, die mancherlei deutschen Ritterschlösser, der große Verkehr über den Arlberg eingewirkt haben und so unsre Sprache bei weitem mehr begünstigt war als im abgeschlossenen Montavon, so wird man wohl auf die Annahme geführt, daß in dieser Berggegend das Romanische um ein Gutes länger gedauert haben möchte, als draußen in der vieldurchzogenen Thalebene. Uebrigens bewahrt das Ferdinandeum zu Innsbruck ein handschriftliches Exemplar der alten Landesordnung des Montavons, wie sie am Schlusse des sechzehnten Jahrhunderts von Hector von Ramschwag, dem österreichischen Vogt zu Bludenz und Sonnenberg revidirt, erläutert und ergänzt worden, in welcher freilich, von den Geschlechtsnamen abgesehen, sich kaum eine Spur entdecken läßt, daß die Landschaft, wie doch wahrscheinlich, damals noch romanisch

erinnert an das bündnerische Davos (de a post), das „hintere Land“ und hält Montavon für Mont d’avos, der hintere Berg. Damit scheint allerdings der richtige Weg angedeutet, aber nicht das rechte Ziel gefunden, denn wenn jenes die Entstehung des Namens wäre, so würde er wohl Montavos lauten, während für ein Montavon doch Mont d’ avont (de ab ante), der vordere Berg, weit näher liegt. Es mag dieß der ehemalige Name eines der am Eingange des Thales gelegenen Gebirge, vielleicht gerade des „vordern Bartholomäusberges“ seyn, der dann auf das ganze Thal übertragen wurde.

Immerhin scheint jene Ableitung so begründet, daß wir statt des gewöhnlichen Montafon, Muntafun mit Bergmann Montavon geschrieben haben, obgleich die gesammte deutsche Schreibung rhätoromanischer Localnamen so im Argen liegt, daß es sich kaum lohnt im Einzelnen Verbesserungen vorzunehmen.

Die Montavoner verdienen auch deßwegen einige Aufmerksamkeit, weil sie in Vorarlberg wahrscheinlich die letzten waren welche die deutsche Sprache angenommen haben. Es ist schon einmal erwähnt worden, daß Guler von Winegg noch am Ende des 16ten Jahrhunderts im Wallgau Leute gekannt habe, welche grob rhätisch, d. h. romanisch sprechen konnten. Bedenkt man nun, daß im Wallgau die Städte Bludenz und Feldkirch, die mancherlei deutschen Ritterschlösser, der große Verkehr über den Arlberg eingewirkt haben und so unsre Sprache bei weitem mehr begünstigt war als im abgeschlossenen Montavon, so wird man wohl auf die Annahme geführt, daß in dieser Berggegend das Romanische um ein Gutes länger gedauert haben möchte, als draußen in der vieldurchzogenen Thalebene. Uebrigens bewahrt das Ferdinandeum zu Innsbruck ein handschriftliches Exemplar der alten Landesordnung des Montavons, wie sie am Schlusse des sechzehnten Jahrhunderts von Hector von Ramschwag, dem österreichischen Vogt zu Bludenz und Sonnenberg revidirt, erläutert und ergänzt worden, in welcher freilich, von den Geschlechtsnamen abgesehen, sich kaum eine Spur entdecken läßt, daß die Landschaft, wie doch wahrscheinlich, damals noch romanisch

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[124/0129] erinnert an das bündnerische Davos (de a post), das „hintere Land“ und hält Montavon für Mont d’avos, der hintere Berg. Damit scheint allerdings der richtige Weg angedeutet, aber nicht das rechte Ziel gefunden, denn wenn jenes die Entstehung des Namens wäre, so würde er wohl Montavos lauten, während für ein Montavon doch Mont d’ avont (de ab ante), der vordere Berg, weit näher liegt. Es mag dieß der ehemalige Name eines der am Eingange des Thales gelegenen Gebirge, vielleicht gerade des „vordern Bartholomäusberges“ seyn, der dann auf das ganze Thal übertragen wurde. Immerhin scheint jene Ableitung so begründet, daß wir statt des gewöhnlichen Montafon, Muntafun mit Bergmann Montavon geschrieben haben, obgleich die gesammte deutsche Schreibung rhätoromanischer Localnamen so im Argen liegt, daß es sich kaum lohnt im Einzelnen Verbesserungen vorzunehmen. Die Montavoner verdienen auch deßwegen einige Aufmerksamkeit, weil sie in Vorarlberg wahrscheinlich die letzten waren welche die deutsche Sprache angenommen haben. Es ist schon einmal erwähnt worden, daß Guler von Winegg noch am Ende des 16ten Jahrhunderts im Wallgau Leute gekannt habe, welche grob rhätisch, d. h. romanisch sprechen konnten. Bedenkt man nun, daß im Wallgau die Städte Bludenz und Feldkirch, die mancherlei deutschen Ritterschlösser, der große Verkehr über den Arlberg eingewirkt haben und so unsre Sprache bei weitem mehr begünstigt war als im abgeschlossenen Montavon, so wird man wohl auf die Annahme geführt, daß in dieser Berggegend das Romanische um ein Gutes länger gedauert haben möchte, als draußen in der vieldurchzogenen Thalebene. Uebrigens bewahrt das Ferdinandeum zu Innsbruck ein handschriftliches Exemplar der alten Landesordnung des Montavons, wie sie am Schlusse des sechzehnten Jahrhunderts von Hector von Ramschwag, dem österreichischen Vogt zu Bludenz und Sonnenberg revidirt, erläutert und ergänzt worden, in welcher freilich, von den Geschlechtsnamen abgesehen, sich kaum eine Spur entdecken läßt, daß die Landschaft, wie doch wahrscheinlich, damals noch romanisch

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/129>, abgerufen am 23.11.2024.