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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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gesprochen habe, so sehr ist die ganze rechtliche Geschäftssprache auf das Deutsche gestellt. Indessen hat man dabei zu bedenken, daß viele Bezirke in Tirol und Vorarlberg und in Graubünden Jahrhunderte lang zweisprachig gewesen, wie es z. B. die Thäler von Gröden und Enneberg noch sind, und daß in allen diesen das Deutsche allein als Schriftsprache galt, sohin auch alle Verhältnisse, die der Schrift anvertraut zu werden pflegten, sich in deutsche Ausdrücke gehüllt hatten. So würde man, wenn etwa das Gedächtniß untergehen könnte, daß in Gröden ladinisch gesprochen wird, in etlichen Jahrhunderten aus den Archiven des k. k. Landgerichts Castelrutt wohl ebenfalls nur sehr zweifelhafte Anzeichen dieses Zustandes ziehen können, wie denn auch die tirolischen Urkunden des Mittelalters nur selten durch deutliche Angaben die Muttersprache derer bezeichnen, die sie ausfertigen ließen oder als Zeugen unterzeichneten. Ein Beweis dafür sind insbesondere ältere Urkunden aus den besagten Thälern von Gröden und Enneberg. Die zahlreichen romanischen Familien-, Hof- und Flurnamen, die sich im Montavon, wie überhaupt im drusianischen Capitel finden, bezeugen natürlich nur die ehemalige Herrschaft jener Sprache, nicht aber wie lange sie gedauert habe.

Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, daß im Montavon, im Silberthale nämlich, sowie in dem anstoßenden tirolischen Paznaun auch walserische, also rein deutsche Niederlassungen erwähnt werden, deren Ursprung wie der der übrigen ins 13te und 14te Jahrhundert fällt. Indessen findet sich eine Andeutung, daß schon früher einzelne Alemannen in dem Thale Sitze genommen. Es gibt nämlich ein uraltes Verzeichniß der sämmtlichen Einkünfte, Nutzungen und Gerechtigkeiten des Hochstiftes Chur, welches Freiherr v. Hormayr im zweiten Bande seiner sämmtlichen Werke S. XXIX und folgende hat abdrucken lassen und das von mehreren ins 10te Jahrhundert gesetzt wird. Dieses Verzeichniß erwähnt auch das Ministerium quod dicitur ferraires - eine Bezeichnung, die von späterer Hand auf das "Isenwerk in Muntafun, im Wallgöw" bezogen wird, mit dem Beisatze, daß jeder Mann,

gesprochen habe, so sehr ist die ganze rechtliche Geschäftssprache auf das Deutsche gestellt. Indessen hat man dabei zu bedenken, daß viele Bezirke in Tirol und Vorarlberg und in Graubünden Jahrhunderte lang zweisprachig gewesen, wie es z. B. die Thäler von Gröden und Enneberg noch sind, und daß in allen diesen das Deutsche allein als Schriftsprache galt, sohin auch alle Verhältnisse, die der Schrift anvertraut zu werden pflegten, sich in deutsche Ausdrücke gehüllt hatten. So würde man, wenn etwa das Gedächtniß untergehen könnte, daß in Gröden ladinisch gesprochen wird, in etlichen Jahrhunderten aus den Archiven des k. k. Landgerichts Castelrutt wohl ebenfalls nur sehr zweifelhafte Anzeichen dieses Zustandes ziehen können, wie denn auch die tirolischen Urkunden des Mittelalters nur selten durch deutliche Angaben die Muttersprache derer bezeichnen, die sie ausfertigen ließen oder als Zeugen unterzeichneten. Ein Beweis dafür sind insbesondere ältere Urkunden aus den besagten Thälern von Gröden und Enneberg. Die zahlreichen romanischen Familien-, Hof- und Flurnamen, die sich im Montavon, wie überhaupt im drusianischen Capitel finden, bezeugen natürlich nur die ehemalige Herrschaft jener Sprache, nicht aber wie lange sie gedauert habe.

Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, daß im Montavon, im Silberthale nämlich, sowie in dem anstoßenden tirolischen Paznaun auch walserische, also rein deutsche Niederlassungen erwähnt werden, deren Ursprung wie der der übrigen ins 13te und 14te Jahrhundert fällt. Indessen findet sich eine Andeutung, daß schon früher einzelne Alemannen in dem Thale Sitze genommen. Es gibt nämlich ein uraltes Verzeichniß der sämmtlichen Einkünfte, Nutzungen und Gerechtigkeiten des Hochstiftes Chur, welches Freiherr v. Hormayr im zweiten Bande seiner sämmtlichen Werke S. XXIX und folgende hat abdrucken lassen und das von mehreren ins 10te Jahrhundert gesetzt wird. Dieses Verzeichniß erwähnt auch das Ministerium quod dicitur ferraires – eine Bezeichnung, die von späterer Hand auf das „Isenwerk in Muntafun, im Wallgöw" bezogen wird, mit dem Beisatze, daß jeder Mann,

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[125/0130] gesprochen habe, so sehr ist die ganze rechtliche Geschäftssprache auf das Deutsche gestellt. Indessen hat man dabei zu bedenken, daß viele Bezirke in Tirol und Vorarlberg und in Graubünden Jahrhunderte lang zweisprachig gewesen, wie es z. B. die Thäler von Gröden und Enneberg noch sind, und daß in allen diesen das Deutsche allein als Schriftsprache galt, sohin auch alle Verhältnisse, die der Schrift anvertraut zu werden pflegten, sich in deutsche Ausdrücke gehüllt hatten. So würde man, wenn etwa das Gedächtniß untergehen könnte, daß in Gröden ladinisch gesprochen wird, in etlichen Jahrhunderten aus den Archiven des k. k. Landgerichts Castelrutt wohl ebenfalls nur sehr zweifelhafte Anzeichen dieses Zustandes ziehen können, wie denn auch die tirolischen Urkunden des Mittelalters nur selten durch deutliche Angaben die Muttersprache derer bezeichnen, die sie ausfertigen ließen oder als Zeugen unterzeichneten. Ein Beweis dafür sind insbesondere ältere Urkunden aus den besagten Thälern von Gröden und Enneberg. Die zahlreichen romanischen Familien-, Hof- und Flurnamen, die sich im Montavon, wie überhaupt im drusianischen Capitel finden, bezeugen natürlich nur die ehemalige Herrschaft jener Sprache, nicht aber wie lange sie gedauert habe. Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, daß im Montavon, im Silberthale nämlich, sowie in dem anstoßenden tirolischen Paznaun auch walserische, also rein deutsche Niederlassungen erwähnt werden, deren Ursprung wie der der übrigen ins 13te und 14te Jahrhundert fällt. Indessen findet sich eine Andeutung, daß schon früher einzelne Alemannen in dem Thale Sitze genommen. Es gibt nämlich ein uraltes Verzeichniß der sämmtlichen Einkünfte, Nutzungen und Gerechtigkeiten des Hochstiftes Chur, welches Freiherr v. Hormayr im zweiten Bande seiner sämmtlichen Werke S. XXIX und folgende hat abdrucken lassen und das von mehreren ins 10te Jahrhundert gesetzt wird. Dieses Verzeichniß erwähnt auch das Ministerium quod dicitur ferraires – eine Bezeichnung, die von späterer Hand auf das „Isenwerk in Muntafun, im Wallgöw" bezogen wird, mit dem Beisatze, daß jeder Mann,

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/130>, abgerufen am 23.11.2024.