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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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links von der Höhe rauschen. Hier wird auch das Thal wieder breiter und gibt Raum für Getreidfeld und Wiesen.

Bei Dumpen gerade neben dem Wege steigt über tausend Fuß die Engelswand empor, ein schwindelnd hoher senkrecht abgeschroffter breiter Felsenstock, auf dessen oberstem Plane etliche schwer zu begehende Höfe liegen. Engelswand soll das Riff deßwegen heißen, weil einst ein spielendes Kind durch einen Jochgeyer von der Au im Thale hinweg auf diesen Grat getragen, von einem Engel aber dem Jochgeyer entrissen und der entzückten Mutter, einer Gräfin von Hirschberg, in die Arme gelegt worden. Die Geschichte ist zuerst 1825 durch Eduard von Badenfeld in einfachster Gestalt ans Licht gekommen, hat aber unter verschiedenen spätern Händen schon manche Ausschmückung erhalten und wird wahrscheinlich zuletzt eine lange Novelle werden. Uebrigens glauben die bäurischen Skeptiker im Oetzthale nicht mehr an diese Sage, sondern behaupten, die Engelswand habe ihren Namen von einem gewissen Angelus, der ein Bauer gewesen und auf der Höhe seinen Hof gehabt.

Die Oetzthaler feierten übrigens an diesem Tage, am 5 August, das abgewürdigte Fest Mariä Schnee durch Kirchenbesuch in der Frühe. Die Kirchengänger begegneten uns in zahlreichen Haufen, was ein günstiger Umstand war für Besichtigung der Thaltracht. Die Männer nicht schlank, aber gedrungenen Baues, tragen spitze Hüte, dunkle, an der Brust mit Seide ausgenähte Jacken und braune Strümpfe, sehen prunklos, aber zierlich aus. Die Weiber, und zumal die alten, haben manches Auffallende. Die spitze Haube, in Tirol Schwazerhaube genannt, ist dasselbe was im Vorarlberg Kappe heißt, nur in jedem Thale der Zeichnung nach diakritisch festgestellt; die Taille ist lang und durch ein steifes Mieder gehalten, aus welchem kurze, bauschige Aermel hervorstechen, die den obern Arm bedecken, wahrend der untere in schwarzen Handstutzen steckt. Der Rock ist kurz aber mächtig, zumal auf der Rückseite weit über das Mieder vorspringend. Die Waden endlich, was für das Wahrzeichen der Thalweiber gilt, stecken vom Knie bis an die Knöchel in den Höslen, worunter

links von der Höhe rauschen. Hier wird auch das Thal wieder breiter und gibt Raum für Getreidfeld und Wiesen.

Bei Dumpen gerade neben dem Wege steigt über tausend Fuß die Engelswand empor, ein schwindelnd hoher senkrecht abgeschroffter breiter Felsenstock, auf dessen oberstem Plane etliche schwer zu begehende Höfe liegen. Engelswand soll das Riff deßwegen heißen, weil einst ein spielendes Kind durch einen Jochgeyer von der Au im Thale hinweg auf diesen Grat getragen, von einem Engel aber dem Jochgeyer entrissen und der entzückten Mutter, einer Gräfin von Hirschberg, in die Arme gelegt worden. Die Geschichte ist zuerst 1825 durch Eduard von Badenfeld in einfachster Gestalt ans Licht gekommen, hat aber unter verschiedenen spätern Händen schon manche Ausschmückung erhalten und wird wahrscheinlich zuletzt eine lange Novelle werden. Uebrigens glauben die bäurischen Skeptiker im Oetzthale nicht mehr an diese Sage, sondern behaupten, die Engelswand habe ihren Namen von einem gewissen Angelus, der ein Bauer gewesen und auf der Höhe seinen Hof gehabt.

Die Oetzthaler feierten übrigens an diesem Tage, am 5 August, das abgewürdigte Fest Mariä Schnee durch Kirchenbesuch in der Frühe. Die Kirchengänger begegneten uns in zahlreichen Haufen, was ein günstiger Umstand war für Besichtigung der Thaltracht. Die Männer nicht schlank, aber gedrungenen Baues, tragen spitze Hüte, dunkle, an der Brust mit Seide ausgenähte Jacken und braune Strümpfe, sehen prunklos, aber zierlich aus. Die Weiber, und zumal die alten, haben manches Auffallende. Die spitze Haube, in Tirol Schwazerhaube genannt, ist dasselbe was im Vorarlberg Kappe heißt, nur in jedem Thale der Zeichnung nach diakritisch festgestellt; die Taille ist lang und durch ein steifes Mieder gehalten, aus welchem kurze, bauschige Aermel hervorstechen, die den obern Arm bedecken, wahrend der untere in schwarzen Handstutzen steckt. Der Rock ist kurz aber mächtig, zumal auf der Rückseite weit über das Mieder vorspringend. Die Waden endlich, was für das Wahrzeichen der Thalweiber gilt, stecken vom Knie bis an die Knöchel in den Höslen, worunter

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links von der Höhe rauschen. Hier wird auch das Thal wieder breiter und gibt Raum für Getreidfeld und Wiesen.</p>
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[214/0218] links von der Höhe rauschen. Hier wird auch das Thal wieder breiter und gibt Raum für Getreidfeld und Wiesen. Bei Dumpen gerade neben dem Wege steigt über tausend Fuß die Engelswand empor, ein schwindelnd hoher senkrecht abgeschroffter breiter Felsenstock, auf dessen oberstem Plane etliche schwer zu begehende Höfe liegen. Engelswand soll das Riff deßwegen heißen, weil einst ein spielendes Kind durch einen Jochgeyer von der Au im Thale hinweg auf diesen Grat getragen, von einem Engel aber dem Jochgeyer entrissen und der entzückten Mutter, einer Gräfin von Hirschberg, in die Arme gelegt worden. Die Geschichte ist zuerst 1825 durch Eduard von Badenfeld in einfachster Gestalt ans Licht gekommen, hat aber unter verschiedenen spätern Händen schon manche Ausschmückung erhalten und wird wahrscheinlich zuletzt eine lange Novelle werden. Uebrigens glauben die bäurischen Skeptiker im Oetzthale nicht mehr an diese Sage, sondern behaupten, die Engelswand habe ihren Namen von einem gewissen Angelus, der ein Bauer gewesen und auf der Höhe seinen Hof gehabt. Die Oetzthaler feierten übrigens an diesem Tage, am 5 August, das abgewürdigte Fest Mariä Schnee durch Kirchenbesuch in der Frühe. Die Kirchengänger begegneten uns in zahlreichen Haufen, was ein günstiger Umstand war für Besichtigung der Thaltracht. Die Männer nicht schlank, aber gedrungenen Baues, tragen spitze Hüte, dunkle, an der Brust mit Seide ausgenähte Jacken und braune Strümpfe, sehen prunklos, aber zierlich aus. Die Weiber, und zumal die alten, haben manches Auffallende. Die spitze Haube, in Tirol Schwazerhaube genannt, ist dasselbe was im Vorarlberg Kappe heißt, nur in jedem Thale der Zeichnung nach diakritisch festgestellt; die Taille ist lang und durch ein steifes Mieder gehalten, aus welchem kurze, bauschige Aermel hervorstechen, die den obern Arm bedecken, wahrend der untere in schwarzen Handstutzen steckt. Der Rock ist kurz aber mächtig, zumal auf der Rückseite weit über das Mieder vorspringend. Die Waden endlich, was für das Wahrzeichen der Thalweiber gilt, stecken vom Knie bis an die Knöchel in den Höslen, worunter

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/218>, abgerufen am 23.11.2024.