Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.man eine Art von Strümpfen versteht, die aus langen Wolllappen hergestellt werden. Diese langen Binden werden nämlich so lange sie sind und je länger desto besser um die Wade gewickelt und machen so bei den Stutzerinnen, unter die jedoch nur mehr alte Weiber zu zählen sind, einen dicken, geschwollenen Kreis um das Glied - ungefähr von dem Umfange eines mäßigen Butternapfs. Es ist dieß dieselbe Strumpfart, die allenthalben in den deutschen Alpen von Tirol und ebensowohl in den bayerischen Vorbergen, bald bei Männern und Weibern, bald nur bei diesen oder bei jenen zu finden ist, dieselbe, die Albert Schott auch bei den Frauen in den deutschen Gemeinden jenseits des Monte Rosa entdeckt hat und die dort denselben Namen Hosen (hoso) führt, der auch im bayerischen Gebirge zusammengesetzt als Beinhöslen gang und gäbe ist. Das was uns an dem Alpler als Hose erscheint, heißt er ziemlich überall das Gesäß (Gsäß). Wir nähern uns Umhausen, das mit ragendem Spitzthurm in schöner freier Flur liegt. Die volkreiche Gegend zieht viel Nutzen aus den fruchtbaren Flachsfeldern, deren Erträgniß in guten Jahren auf fünfzehnhundert Centner steigt. Zu diesem Segen hat sie aber auch die Schrecken der Bergfälle, die von Zeit zu Zeit verwüstend herunterbrechen, geduldig hinzunehmen. Hier in der Nähe ist jener berühmte Wasserfall des Hairlachbaches, einer von den besuchtesten, da er nicht weit von der Landstraße entlegen und die Fremden ihm bis auf eine halbe Stunde entgegenfahren können. Die weißen Staubwolken, wie sie links aus dem Bergwald aufsteigen, lassen sich schon vom Dorfe aus sehr deutlich gewahren; doch sind bis an den Fuß des Falles noch immer dreiviertel Stunden zu gehen. Der Pfad zieht links über die Wiesen hin, dem Bache entlang, an welchem die Umhauser ihre bequemen Dreschmühlen haben, etliche Hämmer, die vom Rade gehoben auf die unterlegten Garben fallen, dann in einen lichten Wald und zuletzt in die Schlucht selbst, wo er alsbald durch Trümmer und Schutt ziemlich rauh und steil wird. Der Donner des Sturzes kommt immer näher, der blendend weiße Qualm bricht immer deutlicher durch das Gehölz und endlich stehen wir ihm selbst gegenüber. man eine Art von Strümpfen versteht, die aus langen Wolllappen hergestellt werden. Diese langen Binden werden nämlich so lange sie sind und je länger desto besser um die Wade gewickelt und machen so bei den Stutzerinnen, unter die jedoch nur mehr alte Weiber zu zählen sind, einen dicken, geschwollenen Kreis um das Glied – ungefähr von dem Umfange eines mäßigen Butternapfs. Es ist dieß dieselbe Strumpfart, die allenthalben in den deutschen Alpen von Tirol und ebensowohl in den bayerischen Vorbergen, bald bei Männern und Weibern, bald nur bei diesen oder bei jenen zu finden ist, dieselbe, die Albert Schott auch bei den Frauen in den deutschen Gemeinden jenseits des Monte Rosa entdeckt hat und die dort denselben Namen Hosen (hoso) führt, der auch im bayerischen Gebirge zusammengesetzt als Beinhöslen gang und gäbe ist. Das was uns an dem Alpler als Hose erscheint, heißt er ziemlich überall das Gesäß (Gsäß). Wir nähern uns Umhausen, das mit ragendem Spitzthurm in schöner freier Flur liegt. Die volkreiche Gegend zieht viel Nutzen aus den fruchtbaren Flachsfeldern, deren Erträgniß in guten Jahren auf fünfzehnhundert Centner steigt. Zu diesem Segen hat sie aber auch die Schrecken der Bergfälle, die von Zeit zu Zeit verwüstend herunterbrechen, geduldig hinzunehmen. Hier in der Nähe ist jener berühmte Wasserfall des Hairlachbaches, einer von den besuchtesten, da er nicht weit von der Landstraße entlegen und die Fremden ihm bis auf eine halbe Stunde entgegenfahren können. Die weißen Staubwolken, wie sie links aus dem Bergwald aufsteigen, lassen sich schon vom Dorfe aus sehr deutlich gewahren; doch sind bis an den Fuß des Falles noch immer dreiviertel Stunden zu gehen. Der Pfad zieht links über die Wiesen hin, dem Bache entlang, an welchem die Umhauser ihre bequemen Dreschmühlen haben, etliche Hämmer, die vom Rade gehoben auf die unterlegten Garben fallen, dann in einen lichten Wald und zuletzt in die Schlucht selbst, wo er alsbald durch Trümmer und Schutt ziemlich rauh und steil wird. Der Donner des Sturzes kommt immer näher, der blendend weiße Qualm bricht immer deutlicher durch das Gehölz und endlich stehen wir ihm selbst gegenüber. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="215"/> man eine Art von Strümpfen versteht, die aus langen Wolllappen hergestellt werden. Diese langen Binden werden nämlich so lange sie sind und je länger desto besser um die Wade gewickelt und machen so bei den Stutzerinnen, unter die jedoch nur mehr alte Weiber zu zählen sind, einen dicken, geschwollenen Kreis um das Glied – ungefähr von dem Umfange eines mäßigen Butternapfs. Es ist dieß dieselbe Strumpfart, die allenthalben in den deutschen Alpen von Tirol und ebensowohl in den bayerischen Vorbergen, bald bei Männern und Weibern, bald nur bei diesen oder bei jenen zu finden ist, dieselbe, die Albert Schott auch bei den Frauen in den deutschen Gemeinden jenseits des Monte Rosa entdeckt hat und die dort denselben Namen Hosen (<hi rendition="#aq">hoso</hi>) führt, der auch im bayerischen Gebirge zusammengesetzt als Beinhöslen gang und gäbe ist. Das was uns an dem Alpler als Hose erscheint, heißt er ziemlich überall das Gesäß (Gsäß).</p> <p>Wir nähern uns Umhausen, das mit ragendem Spitzthurm in schöner freier Flur liegt. Die volkreiche Gegend zieht viel Nutzen aus den fruchtbaren Flachsfeldern, deren Erträgniß in guten Jahren auf fünfzehnhundert Centner steigt. Zu diesem Segen hat sie aber auch die Schrecken der Bergfälle, die von Zeit zu Zeit verwüstend herunterbrechen, geduldig hinzunehmen. Hier in der Nähe ist jener berühmte Wasserfall des Hairlachbaches, einer von den besuchtesten, da er nicht weit von der Landstraße entlegen und die Fremden ihm bis auf eine halbe Stunde entgegenfahren können. Die weißen Staubwolken, wie sie links aus dem Bergwald aufsteigen, lassen sich schon vom Dorfe aus sehr deutlich gewahren; doch sind bis an den Fuß des Falles noch immer dreiviertel Stunden zu gehen. Der Pfad zieht links über die Wiesen hin, dem Bache entlang, an welchem die Umhauser ihre bequemen Dreschmühlen haben, etliche Hämmer, die vom Rade gehoben auf die unterlegten Garben fallen, dann in einen lichten Wald und zuletzt in die Schlucht selbst, wo er alsbald durch Trümmer und Schutt ziemlich rauh und steil wird. Der Donner des Sturzes kommt immer näher, der blendend weiße Qualm bricht immer deutlicher durch das Gehölz und endlich stehen wir ihm selbst gegenüber. </p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0219]
man eine Art von Strümpfen versteht, die aus langen Wolllappen hergestellt werden. Diese langen Binden werden nämlich so lange sie sind und je länger desto besser um die Wade gewickelt und machen so bei den Stutzerinnen, unter die jedoch nur mehr alte Weiber zu zählen sind, einen dicken, geschwollenen Kreis um das Glied – ungefähr von dem Umfange eines mäßigen Butternapfs. Es ist dieß dieselbe Strumpfart, die allenthalben in den deutschen Alpen von Tirol und ebensowohl in den bayerischen Vorbergen, bald bei Männern und Weibern, bald nur bei diesen oder bei jenen zu finden ist, dieselbe, die Albert Schott auch bei den Frauen in den deutschen Gemeinden jenseits des Monte Rosa entdeckt hat und die dort denselben Namen Hosen (hoso) führt, der auch im bayerischen Gebirge zusammengesetzt als Beinhöslen gang und gäbe ist. Das was uns an dem Alpler als Hose erscheint, heißt er ziemlich überall das Gesäß (Gsäß).
Wir nähern uns Umhausen, das mit ragendem Spitzthurm in schöner freier Flur liegt. Die volkreiche Gegend zieht viel Nutzen aus den fruchtbaren Flachsfeldern, deren Erträgniß in guten Jahren auf fünfzehnhundert Centner steigt. Zu diesem Segen hat sie aber auch die Schrecken der Bergfälle, die von Zeit zu Zeit verwüstend herunterbrechen, geduldig hinzunehmen. Hier in der Nähe ist jener berühmte Wasserfall des Hairlachbaches, einer von den besuchtesten, da er nicht weit von der Landstraße entlegen und die Fremden ihm bis auf eine halbe Stunde entgegenfahren können. Die weißen Staubwolken, wie sie links aus dem Bergwald aufsteigen, lassen sich schon vom Dorfe aus sehr deutlich gewahren; doch sind bis an den Fuß des Falles noch immer dreiviertel Stunden zu gehen. Der Pfad zieht links über die Wiesen hin, dem Bache entlang, an welchem die Umhauser ihre bequemen Dreschmühlen haben, etliche Hämmer, die vom Rade gehoben auf die unterlegten Garben fallen, dann in einen lichten Wald und zuletzt in die Schlucht selbst, wo er alsbald durch Trümmer und Schutt ziemlich rauh und steil wird. Der Donner des Sturzes kommt immer näher, der blendend weiße Qualm bricht immer deutlicher durch das Gehölz und endlich stehen wir ihm selbst gegenüber.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |