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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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schwermüthig aber milde, als thäte sie vergangener Tage gedenken, und der untreue Knabe stürzte von dem Blick geblendet in den Abgrund.

Als nun der Caplan aus der Kirche trat, gab er uns freundlichen Willkomm und erregte auch sonst manche angenehme Hoffnung in den beiden Pilgern; denn da gestern, wie bekannt, Fasttag gewesen und der Wirth zu Sölden jedem Manne nur ein Ei gewährt hatte, so war ihnen noch etlicher Hunger übergeblieben. Dafür wurde nun trefflich gesorgt, und ehe die Sonne im Mittag stand, stand eine kräftige Suppe und ein auserlesener Gemsziemer und eine noch mehr hervorzuhebende Gemsleber auf der Tafel. Nebenbei tranken wir vom rothen Wein des Etschlands und plauderten bis zum späten Nachmittage, festgehalten durch einen stürmischen Regenschauer, der sich urplötzlich emporgezogen hatte an dem Himmel, der noch um Mittag so heiter gewesen war.

Wer macht sich wohl im bequemen geselligen Flachlande eine richtige Anschauung von dem Leben dieser hochgebirgischen Dorfcapläne? Drei Viertheile des Jahres liegen sie unter Schnee, und in der "abern" Zeit läßt ihnen Mutter Natur kaum die Erdäpfel im Garten reif werden. Jahr aus Jahr ein leben sie da in ihrem engen Häuschen mit der nächsten Aussicht auf den Friedhof, und verlassen es nur um den Verrichtungen in der Kirche oder der Seelsorge auf den Höhen herum nachzugehen oder zu einem einsamen Spaziergang, der unveränderlich den Wiesenpfad thalein- oder auswärts verfolgen muß, denn ringsherum sind steile Wände. Wenn im Winter der Weg in die Kirche oft erst mühsam gebahnt werden muß, so läßt sich denken was für Fährlichkeiten zu bestehen, wenn etwa ein Sterbender auf entlegenem Hofe nach dem Priester begehrt und dieser in finstrer Nacht, in Sturm und Schneegestöber, dem Rufe folgen muß, auch wenn es bis dahinaufginge, wo wir heute früh auf dem sonnenhellen Bergrande das ferne Capellchen glänzen sahen. Ist dann der Weg auch gangbar, so drohen noch immer die Schneestürze, und davon weiß mau in Heiligkreuz wie im ganzen Oetzthale Schauerliches zu erzählen, als z. B. daß gleich im Jahre 1817

schwermüthig aber milde, als thäte sie vergangener Tage gedenken, und der untreue Knabe stürzte von dem Blick geblendet in den Abgrund.

Als nun der Caplan aus der Kirche trat, gab er uns freundlichen Willkomm und erregte auch sonst manche angenehme Hoffnung in den beiden Pilgern; denn da gestern, wie bekannt, Fasttag gewesen und der Wirth zu Sölden jedem Manne nur ein Ei gewährt hatte, so war ihnen noch etlicher Hunger übergeblieben. Dafür wurde nun trefflich gesorgt, und ehe die Sonne im Mittag stand, stand eine kräftige Suppe und ein auserlesener Gemsziemer und eine noch mehr hervorzuhebende Gemsleber auf der Tafel. Nebenbei tranken wir vom rothen Wein des Etschlands und plauderten bis zum späten Nachmittage, festgehalten durch einen stürmischen Regenschauer, der sich urplötzlich emporgezogen hatte an dem Himmel, der noch um Mittag so heiter gewesen war.

Wer macht sich wohl im bequemen geselligen Flachlande eine richtige Anschauung von dem Leben dieser hochgebirgischen Dorfcapläne? Drei Viertheile des Jahres liegen sie unter Schnee, und in der „abern" Zeit läßt ihnen Mutter Natur kaum die Erdäpfel im Garten reif werden. Jahr aus Jahr ein leben sie da in ihrem engen Häuschen mit der nächsten Aussicht auf den Friedhof, und verlassen es nur um den Verrichtungen in der Kirche oder der Seelsorge auf den Höhen herum nachzugehen oder zu einem einsamen Spaziergang, der unveränderlich den Wiesenpfad thalein- oder auswärts verfolgen muß, denn ringsherum sind steile Wände. Wenn im Winter der Weg in die Kirche oft erst mühsam gebahnt werden muß, so läßt sich denken was für Fährlichkeiten zu bestehen, wenn etwa ein Sterbender auf entlegenem Hofe nach dem Priester begehrt und dieser in finstrer Nacht, in Sturm und Schneegestöber, dem Rufe folgen muß, auch wenn es bis dahinaufginge, wo wir heute früh auf dem sonnenhellen Bergrande das ferne Capellchen glänzen sahen. Ist dann der Weg auch gangbar, so drohen noch immer die Schneestürze, und davon weiß mau in Heiligkreuz wie im ganzen Oetzthale Schauerliches zu erzählen, als z. B. daß gleich im Jahre 1817

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[226/0230] schwermüthig aber milde, als thäte sie vergangener Tage gedenken, und der untreue Knabe stürzte von dem Blick geblendet in den Abgrund. Als nun der Caplan aus der Kirche trat, gab er uns freundlichen Willkomm und erregte auch sonst manche angenehme Hoffnung in den beiden Pilgern; denn da gestern, wie bekannt, Fasttag gewesen und der Wirth zu Sölden jedem Manne nur ein Ei gewährt hatte, so war ihnen noch etlicher Hunger übergeblieben. Dafür wurde nun trefflich gesorgt, und ehe die Sonne im Mittag stand, stand eine kräftige Suppe und ein auserlesener Gemsziemer und eine noch mehr hervorzuhebende Gemsleber auf der Tafel. Nebenbei tranken wir vom rothen Wein des Etschlands und plauderten bis zum späten Nachmittage, festgehalten durch einen stürmischen Regenschauer, der sich urplötzlich emporgezogen hatte an dem Himmel, der noch um Mittag so heiter gewesen war. Wer macht sich wohl im bequemen geselligen Flachlande eine richtige Anschauung von dem Leben dieser hochgebirgischen Dorfcapläne? Drei Viertheile des Jahres liegen sie unter Schnee, und in der „abern" Zeit läßt ihnen Mutter Natur kaum die Erdäpfel im Garten reif werden. Jahr aus Jahr ein leben sie da in ihrem engen Häuschen mit der nächsten Aussicht auf den Friedhof, und verlassen es nur um den Verrichtungen in der Kirche oder der Seelsorge auf den Höhen herum nachzugehen oder zu einem einsamen Spaziergang, der unveränderlich den Wiesenpfad thalein- oder auswärts verfolgen muß, denn ringsherum sind steile Wände. Wenn im Winter der Weg in die Kirche oft erst mühsam gebahnt werden muß, so läßt sich denken was für Fährlichkeiten zu bestehen, wenn etwa ein Sterbender auf entlegenem Hofe nach dem Priester begehrt und dieser in finstrer Nacht, in Sturm und Schneegestöber, dem Rufe folgen muß, auch wenn es bis dahinaufginge, wo wir heute früh auf dem sonnenhellen Bergrande das ferne Capellchen glänzen sahen. Ist dann der Weg auch gangbar, so drohen noch immer die Schneestürze, und davon weiß mau in Heiligkreuz wie im ganzen Oetzthale Schauerliches zu erzählen, als z. B. daß gleich im Jahre 1817

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/230>, abgerufen am 23.11.2024.