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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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zu Nörder auf dem Wege nach Zwieselstein siebzehn Personen verlahnet wurden, die sich alle in ein Haus geflüchtet hatten, das sie für besonders sicher hielten - ein Unglück bei welchem nur der achtzehnte, ein alter Mann, mit dem Leben davon kam. Ueberhaupt sind die Arten wie man hier zu Lande mit Tode abgehen kann, kaum zu zählen, und der lange Weg durchs Oetzthal herauf bis zum Ferner läuft oft wie durch eine Allee von Martertäfelchen, kleinen Abbildungen des Todfalls mit beigeschriebener Bitte um ein Vaterunser, welche die Hinterbliebenen am Pfade aufrichten lassen. Manche sind in Fernerklüfte gefallen, andere vom Schrofen gestürzt, andere durchs Eis in den Bach gebrochen, andere hat der Strom im Sommer fortgerissen, andere ein fallendes Felsstück erschlagen, andere ein rutschender Baum erdrückt, andere sind in der Lahne erstickt, andere im Gerölle umgekommen und so fort, nur von mörderischen Ueberfällen ist nicht die Rede. Um übrigens zu unsern Bergcaplänen zurückzukehren, so führen sie auch im Sommer kein sehr geselliges Leben, da der Nachbar oft mehrere Stunden zum Nachbar hat, auch die Gießbäche in der schönen Jahreszeit nicht selten den Pfad mit sich fortreißen und den Verkehr für mehrere Tage unterbrechen. Drum ist das enge Häuschen mit ein paar Büchern, ein paar Singvögeln und ein paar Blumentöpfen gleichsam die Cajüte, in der der einsiedlerische Priester die langen Monate durchsteuert - das enge Häuschen, welches zwar zuweilen einen guten Keller hat, in dessen Küche aber frisches Fleisch jeweils eine Zufälligkeit. Besondere Wonnen- und Freudentage die das stille Einerlei des Jahreslaufs unterbrechen, wären wohl schwer namhaft zu machen; doch hält einer oder der andere die Jagd auf "Murmenten," auf Murmelthiere für ein hohes Vergnügen. Gleichwohl sind die Fälle nicht gar selten daß solche Priester zehn und zwanzig Jahre bei ihren Kirchen und ihren anhänglichen Schäflein geblieben sind, obgleich es ihnen in dieser langen Zeit nicht an Gelegenheit fehlen konnte den Ort ihrer Wirksamkeit zu wechseln.

Für gesellige Naturen mag es eine Labsal seyn, daß sie Niemand hindert müden Wanderern Herberge zu geben.

zu Nörder auf dem Wege nach Zwieselstein siebzehn Personen verlahnet wurden, die sich alle in ein Haus geflüchtet hatten, das sie für besonders sicher hielten – ein Unglück bei welchem nur der achtzehnte, ein alter Mann, mit dem Leben davon kam. Ueberhaupt sind die Arten wie man hier zu Lande mit Tode abgehen kann, kaum zu zählen, und der lange Weg durchs Oetzthal herauf bis zum Ferner läuft oft wie durch eine Allee von Martertäfelchen, kleinen Abbildungen des Todfalls mit beigeschriebener Bitte um ein Vaterunser, welche die Hinterbliebenen am Pfade aufrichten lassen. Manche sind in Fernerklüfte gefallen, andere vom Schrofen gestürzt, andere durchs Eis in den Bach gebrochen, andere hat der Strom im Sommer fortgerissen, andere ein fallendes Felsstück erschlagen, andere ein rutschender Baum erdrückt, andere sind in der Lahne erstickt, andere im Gerölle umgekommen und so fort, nur von mörderischen Ueberfällen ist nicht die Rede. Um übrigens zu unsern Bergcaplänen zurückzukehren, so führen sie auch im Sommer kein sehr geselliges Leben, da der Nachbar oft mehrere Stunden zum Nachbar hat, auch die Gießbäche in der schönen Jahreszeit nicht selten den Pfad mit sich fortreißen und den Verkehr für mehrere Tage unterbrechen. Drum ist das enge Häuschen mit ein paar Büchern, ein paar Singvögeln und ein paar Blumentöpfen gleichsam die Cajüte, in der der einsiedlerische Priester die langen Monate durchsteuert – das enge Häuschen, welches zwar zuweilen einen guten Keller hat, in dessen Küche aber frisches Fleisch jeweils eine Zufälligkeit. Besondere Wonnen- und Freudentage die das stille Einerlei des Jahreslaufs unterbrechen, wären wohl schwer namhaft zu machen; doch hält einer oder der andere die Jagd auf „Murmenten,“ auf Murmelthiere für ein hohes Vergnügen. Gleichwohl sind die Fälle nicht gar selten daß solche Priester zehn und zwanzig Jahre bei ihren Kirchen und ihren anhänglichen Schäflein geblieben sind, obgleich es ihnen in dieser langen Zeit nicht an Gelegenheit fehlen konnte den Ort ihrer Wirksamkeit zu wechseln.

Für gesellige Naturen mag es eine Labsal seyn, daß sie Niemand hindert müden Wanderern Herberge zu geben.

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[227/0231] zu Nörder auf dem Wege nach Zwieselstein siebzehn Personen verlahnet wurden, die sich alle in ein Haus geflüchtet hatten, das sie für besonders sicher hielten – ein Unglück bei welchem nur der achtzehnte, ein alter Mann, mit dem Leben davon kam. Ueberhaupt sind die Arten wie man hier zu Lande mit Tode abgehen kann, kaum zu zählen, und der lange Weg durchs Oetzthal herauf bis zum Ferner läuft oft wie durch eine Allee von Martertäfelchen, kleinen Abbildungen des Todfalls mit beigeschriebener Bitte um ein Vaterunser, welche die Hinterbliebenen am Pfade aufrichten lassen. Manche sind in Fernerklüfte gefallen, andere vom Schrofen gestürzt, andere durchs Eis in den Bach gebrochen, andere hat der Strom im Sommer fortgerissen, andere ein fallendes Felsstück erschlagen, andere ein rutschender Baum erdrückt, andere sind in der Lahne erstickt, andere im Gerölle umgekommen und so fort, nur von mörderischen Ueberfällen ist nicht die Rede. Um übrigens zu unsern Bergcaplänen zurückzukehren, so führen sie auch im Sommer kein sehr geselliges Leben, da der Nachbar oft mehrere Stunden zum Nachbar hat, auch die Gießbäche in der schönen Jahreszeit nicht selten den Pfad mit sich fortreißen und den Verkehr für mehrere Tage unterbrechen. Drum ist das enge Häuschen mit ein paar Büchern, ein paar Singvögeln und ein paar Blumentöpfen gleichsam die Cajüte, in der der einsiedlerische Priester die langen Monate durchsteuert – das enge Häuschen, welches zwar zuweilen einen guten Keller hat, in dessen Küche aber frisches Fleisch jeweils eine Zufälligkeit. Besondere Wonnen- und Freudentage die das stille Einerlei des Jahreslaufs unterbrechen, wären wohl schwer namhaft zu machen; doch hält einer oder der andere die Jagd auf „Murmenten,“ auf Murmelthiere für ein hohes Vergnügen. Gleichwohl sind die Fälle nicht gar selten daß solche Priester zehn und zwanzig Jahre bei ihren Kirchen und ihren anhänglichen Schäflein geblieben sind, obgleich es ihnen in dieser langen Zeit nicht an Gelegenheit fehlen konnte den Ort ihrer Wirksamkeit zu wechseln. Für gesellige Naturen mag es eine Labsal seyn, daß sie Niemand hindert müden Wanderern Herberge zu geben.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/231>, abgerufen am 23.11.2024.