Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Da findet sich doch alle vierzehn Tage einmal Anlaß etwas zu reden; man hört wieder von der Welt und in neuern Zeiten oft von fernen Ländern, von den britannischen Inseln, von Scandinavien und dem äußersten Thule. Mancher Engländer, mancher Normann bleibt durch Unwetter aufgehalten etliche Tage sitzen und erzählt zur Kürzung der Stunden von seinem Lande und seiner Vaterstadt. Davon haftet dann Vieles im Gedächtniß und man muß sich oft wundern, wie der geistliche Gastfreund, der nie über die Gränzen seines Bisthums hinausgekommen, an einem andern Ende des Welttheils ganz gut Bescheid weiß und Verhältnisse kennt, die aus Büchern gar nicht zu lernen wären. In allen Fällen wird man die Aufnahme freundlich finden und wenn sich auch der Tisch nothwendig nach dem richten muß was vorhanden ist, so wird das Lager doch überall befriedigen. Billige Rechnung ist ein Ehrenpunkt, da man's lieber ganz umsonst thäte, wenn die Mittel ausreichten. In manchen Häusern darf sich die Köchin gar nicht in die Sache mischen, weil der Hausherr fürchtet, sie möchte zu fiscalisch dareingehen. So kommt dann der gute Wirth selbst mit der Kreide, schlägt die einzelnen Posten vor, ladet den Gast ein seine Erinnerungen zu machen, wozu freilich nie ein Grund gegeben ist, schreibt jedes Sümmchen nur nieder, wenn es vorher gebilligt worden, und so wird denn im friedlichsten Einverständniß der Betrag der mäßigen Vergütung festgesetzt. Gegen Abend also machten wir uns, gelabt und gestärkt, wieder auf um nach Vend zu gehen. Der treffliche Caplan gab uns noch eine Strecke weit das Geleit, und dann nahmen wir herzlichen Abschied. Der Weg war in seiner Art wenig verschieden von dem den wir in der Frühe von Zwieselstein nach Heiligkreuz gegangen waren, doch eher etwas bequemer. Hie und da stehen ein paar Hütten an dem Wege - sonst große Einsamkeit und wegen der vielen Spuren von Lahnenstürzen, wegen der Steingerölle und der wilden Schrofen etwas Melancholie. Nach zwei Stunden eröffnet sich das heitere Thal von Vend, wo das letzte Dorf im Oetzthale, das höchste im Lande steht, 6048 Wiener Fuß über dem Meere, höher als Da findet sich doch alle vierzehn Tage einmal Anlaß etwas zu reden; man hört wieder von der Welt und in neuern Zeiten oft von fernen Ländern, von den britannischen Inseln, von Scandinavien und dem äußersten Thule. Mancher Engländer, mancher Normann bleibt durch Unwetter aufgehalten etliche Tage sitzen und erzählt zur Kürzung der Stunden von seinem Lande und seiner Vaterstadt. Davon haftet dann Vieles im Gedächtniß und man muß sich oft wundern, wie der geistliche Gastfreund, der nie über die Gränzen seines Bisthums hinausgekommen, an einem andern Ende des Welttheils ganz gut Bescheid weiß und Verhältnisse kennt, die aus Büchern gar nicht zu lernen wären. In allen Fällen wird man die Aufnahme freundlich finden und wenn sich auch der Tisch nothwendig nach dem richten muß was vorhanden ist, so wird das Lager doch überall befriedigen. Billige Rechnung ist ein Ehrenpunkt, da man’s lieber ganz umsonst thäte, wenn die Mittel ausreichten. In manchen Häusern darf sich die Köchin gar nicht in die Sache mischen, weil der Hausherr fürchtet, sie möchte zu fiscalisch dareingehen. So kommt dann der gute Wirth selbst mit der Kreide, schlägt die einzelnen Posten vor, ladet den Gast ein seine Erinnerungen zu machen, wozu freilich nie ein Grund gegeben ist, schreibt jedes Sümmchen nur nieder, wenn es vorher gebilligt worden, und so wird denn im friedlichsten Einverständniß der Betrag der mäßigen Vergütung festgesetzt. Gegen Abend also machten wir uns, gelabt und gestärkt, wieder auf um nach Vend zu gehen. Der treffliche Caplan gab uns noch eine Strecke weit das Geleit, und dann nahmen wir herzlichen Abschied. Der Weg war in seiner Art wenig verschieden von dem den wir in der Frühe von Zwieselstein nach Heiligkreuz gegangen waren, doch eher etwas bequemer. Hie und da stehen ein paar Hütten an dem Wege – sonst große Einsamkeit und wegen der vielen Spuren von Lahnenstürzen, wegen der Steingerölle und der wilden Schrofen etwas Melancholie. 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In allen Fällen wird man die Aufnahme freundlich finden und wenn sich auch der Tisch nothwendig nach dem richten muß was vorhanden ist, so wird das Lager doch überall befriedigen. Billige Rechnung ist ein Ehrenpunkt, da man’s lieber ganz umsonst thäte, wenn die Mittel ausreichten. In manchen Häusern darf sich die Köchin gar nicht in die Sache mischen, weil der Hausherr fürchtet, sie möchte zu fiscalisch dareingehen. So kommt dann der gute Wirth selbst mit der Kreide, schlägt die einzelnen Posten vor, ladet den Gast ein seine Erinnerungen zu machen, wozu freilich nie ein Grund gegeben ist, schreibt jedes Sümmchen nur nieder, wenn es vorher gebilligt worden, und so wird denn im friedlichsten Einverständniß der Betrag der mäßigen Vergütung festgesetzt.</p> <p>Gegen Abend also machten wir uns, gelabt und gestärkt, wieder auf um nach Vend zu gehen. Der treffliche Caplan gab uns noch eine Strecke weit das Geleit, und dann nahmen wir herzlichen Abschied. Der Weg war in seiner Art wenig verschieden von dem den wir in der Frühe von Zwieselstein nach Heiligkreuz gegangen waren, doch eher etwas bequemer. Hie und da stehen ein paar Hütten an dem Wege – sonst große Einsamkeit und wegen der vielen Spuren von Lahnenstürzen, wegen der Steingerölle und der wilden Schrofen etwas Melancholie. Nach zwei Stunden eröffnet sich das heitere Thal von Vend, wo das letzte Dorf im Oetzthale, das höchste im Lande steht, 6048 Wiener Fuß über dem Meere, höher als </p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0232]
Da findet sich doch alle vierzehn Tage einmal Anlaß etwas zu reden; man hört wieder von der Welt und in neuern Zeiten oft von fernen Ländern, von den britannischen Inseln, von Scandinavien und dem äußersten Thule. Mancher Engländer, mancher Normann bleibt durch Unwetter aufgehalten etliche Tage sitzen und erzählt zur Kürzung der Stunden von seinem Lande und seiner Vaterstadt. Davon haftet dann Vieles im Gedächtniß und man muß sich oft wundern, wie der geistliche Gastfreund, der nie über die Gränzen seines Bisthums hinausgekommen, an einem andern Ende des Welttheils ganz gut Bescheid weiß und Verhältnisse kennt, die aus Büchern gar nicht zu lernen wären. In allen Fällen wird man die Aufnahme freundlich finden und wenn sich auch der Tisch nothwendig nach dem richten muß was vorhanden ist, so wird das Lager doch überall befriedigen. Billige Rechnung ist ein Ehrenpunkt, da man’s lieber ganz umsonst thäte, wenn die Mittel ausreichten. In manchen Häusern darf sich die Köchin gar nicht in die Sache mischen, weil der Hausherr fürchtet, sie möchte zu fiscalisch dareingehen. So kommt dann der gute Wirth selbst mit der Kreide, schlägt die einzelnen Posten vor, ladet den Gast ein seine Erinnerungen zu machen, wozu freilich nie ein Grund gegeben ist, schreibt jedes Sümmchen nur nieder, wenn es vorher gebilligt worden, und so wird denn im friedlichsten Einverständniß der Betrag der mäßigen Vergütung festgesetzt.
Gegen Abend also machten wir uns, gelabt und gestärkt, wieder auf um nach Vend zu gehen. Der treffliche Caplan gab uns noch eine Strecke weit das Geleit, und dann nahmen wir herzlichen Abschied. Der Weg war in seiner Art wenig verschieden von dem den wir in der Frühe von Zwieselstein nach Heiligkreuz gegangen waren, doch eher etwas bequemer. Hie und da stehen ein paar Hütten an dem Wege – sonst große Einsamkeit und wegen der vielen Spuren von Lahnenstürzen, wegen der Steingerölle und der wilden Schrofen etwas Melancholie. Nach zwei Stunden eröffnet sich das heitere Thal von Vend, wo das letzte Dorf im Oetzthale, das höchste im Lande steht, 6048 Wiener Fuß über dem Meere, höher als
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