Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.werden als stumme Besatzung ein Duzend Kegel gestellt, in das große Blachfeld der Mitte das Hauptgeschwader, etwa vier oder fünf, in die Nebencabinete je einer. Diese friedliche Mannschaft hat aber einen wilden Feind, einen schnurrenden Kobold, so etwas was man in Bayern schlechtweg einen Schnurrer, anderswo Kreisel nennt. Der Unhold wird nun von der Hinterwand abgelassen und fährt schwirrend in die Tafel, schlägt, je nachdem der Angriff gelingt, das Centrum nieder, stürzt siegesstolz durch die Einlaßpförtchen in die stillen Seitenzimmer, pickt auch da die ruhigen Bürger an, die an gar nichts denken, und wirft sie zu Boden, schießt wieder heraus und wo anders hinein, immer ganz aufrecht und mit einem fast lächerlichen Pathos, verbreitet so überall Schrecken und Mord, und singt immer sein wildes Lied dazu, bis er endlich kampfesmatt auf seinen kahlen Scheitel fällt, den einzigen Fuß drohend gegen Himmel streckt und auch so noch in summendem Wirbel sich schnurrend herumwälzt. Da trifft denn oft der Grimm des Sterbenden gar Manchen, den der Zorn des Lebenden verschont hatte. Zuletzt aber wenn der Held ausgewüthet, packt ihn ein anderer Badegast, um ihn zu neuem Leben zu erwecken. Es ist dieß Spiel, wenn's nicht zu lange dauert, eine recht angenehme Unterhaltung, unschädlich für Kopf und Herz, dem Körper aber durch Stärkung des Armes eher noch förderlich. Drum hat auch dieser grüne Schnurrtisch wohl manches voraus vor den grünen Tischen in andern Bädern, und es ist nur zu beklagen, daß er letztere nicht schon längst ersetzt hat. Die Badeleute in Ladis scheinen ebenso mild, so freundlich und so bereitwillig zu seyn, als die Wirthsleute in den übrigen Curorten des Landes. Daß der Aufenthalt nicht theuer zu stehen komme, konnte man aus der Badeliste oder dem Fremdenbuche entnehmen, wo sich neben vielen, denen man ihrem Stande nach ein gutes Auskommen wohl zutrauen konnte, auch manche fanden, die gewiß keinen Ueberfluß um sich verbreitet haben. Es waren in dieser Saison bisher 107 Gäste zugezogen und darunter erschienen nicht allein Pfarrer, Cooperatoren, Wirthinnen, Privaten, auch etliche gleichbedeutende "Brifate", Handwerker, Bauern, sondern sogar manches dienende Menschenbild, das werden als stumme Besatzung ein Duzend Kegel gestellt, in das große Blachfeld der Mitte das Hauptgeschwader, etwa vier oder fünf, in die Nebencabinete je einer. Diese friedliche Mannschaft hat aber einen wilden Feind, einen schnurrenden Kobold, so etwas was man in Bayern schlechtweg einen Schnurrer, anderswo Kreisel nennt. Der Unhold wird nun von der Hinterwand abgelassen und fährt schwirrend in die Tafel, schlägt, je nachdem der Angriff gelingt, das Centrum nieder, stürzt siegesstolz durch die Einlaßpförtchen in die stillen Seitenzimmer, pickt auch da die ruhigen Bürger an, die an gar nichts denken, und wirft sie zu Boden, schießt wieder heraus und wo anders hinein, immer ganz aufrecht und mit einem fast lächerlichen Pathos, verbreitet so überall Schrecken und Mord, und singt immer sein wildes Lied dazu, bis er endlich kampfesmatt auf seinen kahlen Scheitel fällt, den einzigen Fuß drohend gegen Himmel streckt und auch so noch in summendem Wirbel sich schnurrend herumwälzt. Da trifft denn oft der Grimm des Sterbenden gar Manchen, den der Zorn des Lebenden verschont hatte. Zuletzt aber wenn der Held ausgewüthet, packt ihn ein anderer Badegast, um ihn zu neuem Leben zu erwecken. Es ist dieß Spiel, wenn’s nicht zu lange dauert, eine recht angenehme Unterhaltung, unschädlich für Kopf und Herz, dem Körper aber durch Stärkung des Armes eher noch förderlich. Drum hat auch dieser grüne Schnurrtisch wohl manches voraus vor den grünen Tischen in andern Bädern, und es ist nur zu beklagen, daß er letztere nicht schon längst ersetzt hat. Die Badeleute in Ladis scheinen ebenso mild, so freundlich und so bereitwillig zu seyn, als die Wirthsleute in den übrigen Curorten des Landes. Daß der Aufenthalt nicht theuer zu stehen komme, konnte man aus der Badeliste oder dem Fremdenbuche entnehmen, wo sich neben vielen, denen man ihrem Stande nach ein gutes Auskommen wohl zutrauen konnte, auch manche fanden, die gewiß keinen Ueberfluß um sich verbreitet haben. Es waren in dieser Saison bisher 107 Gäste zugezogen und darunter erschienen nicht allein Pfarrer, Cooperatoren, Wirthinnen, Privaten, auch etliche gleichbedeutende „Brifate“, Handwerker, Bauern, sondern sogar manches dienende Menschenbild, das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0261" n="257"/> werden als stumme Besatzung ein Duzend Kegel gestellt, in das große Blachfeld der Mitte das Hauptgeschwader, etwa vier oder fünf, in die Nebencabinete je einer. Diese friedliche Mannschaft hat aber einen wilden Feind, einen schnurrenden Kobold, so etwas was man in Bayern schlechtweg einen Schnurrer, anderswo Kreisel nennt. Der Unhold wird nun von der Hinterwand abgelassen und fährt schwirrend in die Tafel, schlägt, je nachdem der Angriff gelingt, das Centrum nieder, stürzt siegesstolz durch die Einlaßpförtchen in die stillen Seitenzimmer, pickt auch da die ruhigen Bürger an, die an gar nichts denken, und wirft sie zu Boden, schießt wieder heraus und wo anders hinein, immer ganz aufrecht und mit einem fast lächerlichen Pathos, verbreitet so überall Schrecken und Mord, und singt immer sein wildes Lied dazu, bis er endlich kampfesmatt auf seinen kahlen Scheitel fällt, den einzigen Fuß drohend gegen Himmel streckt und auch so noch in summendem Wirbel sich schnurrend herumwälzt. Da trifft denn oft der Grimm des Sterbenden gar Manchen, den der Zorn des Lebenden verschont hatte. Zuletzt aber wenn der Held ausgewüthet, packt ihn ein anderer Badegast, um ihn zu neuem Leben zu erwecken. Es ist dieß Spiel, wenn’s nicht zu lange dauert, eine recht angenehme Unterhaltung, unschädlich für Kopf und Herz, dem Körper aber durch Stärkung des Armes eher noch förderlich. Drum hat auch dieser grüne Schnurrtisch wohl manches voraus vor den grünen Tischen in andern Bädern, und es ist nur zu beklagen, daß er letztere nicht schon längst ersetzt hat.</p> <p>Die Badeleute in Ladis scheinen ebenso mild, so freundlich und so bereitwillig zu seyn, als die Wirthsleute in den übrigen Curorten des Landes. Daß der Aufenthalt nicht theuer zu stehen komme, konnte man aus der Badeliste oder dem Fremdenbuche entnehmen, wo sich neben vielen, denen man ihrem Stande nach ein gutes Auskommen wohl zutrauen konnte, auch manche fanden, die gewiß keinen Ueberfluß um sich verbreitet haben. Es waren in dieser Saison bisher 107 Gäste zugezogen und darunter erschienen nicht allein Pfarrer, Cooperatoren, Wirthinnen, Privaten, auch etliche gleichbedeutende „Brifate“, Handwerker, Bauern, sondern sogar manches dienende Menschenbild, das </p> </div> </body> </text> </TEI> [257/0261]
werden als stumme Besatzung ein Duzend Kegel gestellt, in das große Blachfeld der Mitte das Hauptgeschwader, etwa vier oder fünf, in die Nebencabinete je einer. Diese friedliche Mannschaft hat aber einen wilden Feind, einen schnurrenden Kobold, so etwas was man in Bayern schlechtweg einen Schnurrer, anderswo Kreisel nennt. Der Unhold wird nun von der Hinterwand abgelassen und fährt schwirrend in die Tafel, schlägt, je nachdem der Angriff gelingt, das Centrum nieder, stürzt siegesstolz durch die Einlaßpförtchen in die stillen Seitenzimmer, pickt auch da die ruhigen Bürger an, die an gar nichts denken, und wirft sie zu Boden, schießt wieder heraus und wo anders hinein, immer ganz aufrecht und mit einem fast lächerlichen Pathos, verbreitet so überall Schrecken und Mord, und singt immer sein wildes Lied dazu, bis er endlich kampfesmatt auf seinen kahlen Scheitel fällt, den einzigen Fuß drohend gegen Himmel streckt und auch so noch in summendem Wirbel sich schnurrend herumwälzt. Da trifft denn oft der Grimm des Sterbenden gar Manchen, den der Zorn des Lebenden verschont hatte. Zuletzt aber wenn der Held ausgewüthet, packt ihn ein anderer Badegast, um ihn zu neuem Leben zu erwecken. Es ist dieß Spiel, wenn’s nicht zu lange dauert, eine recht angenehme Unterhaltung, unschädlich für Kopf und Herz, dem Körper aber durch Stärkung des Armes eher noch förderlich. Drum hat auch dieser grüne Schnurrtisch wohl manches voraus vor den grünen Tischen in andern Bädern, und es ist nur zu beklagen, daß er letztere nicht schon längst ersetzt hat.
Die Badeleute in Ladis scheinen ebenso mild, so freundlich und so bereitwillig zu seyn, als die Wirthsleute in den übrigen Curorten des Landes. Daß der Aufenthalt nicht theuer zu stehen komme, konnte man aus der Badeliste oder dem Fremdenbuche entnehmen, wo sich neben vielen, denen man ihrem Stande nach ein gutes Auskommen wohl zutrauen konnte, auch manche fanden, die gewiß keinen Ueberfluß um sich verbreitet haben. Es waren in dieser Saison bisher 107 Gäste zugezogen und darunter erschienen nicht allein Pfarrer, Cooperatoren, Wirthinnen, Privaten, auch etliche gleichbedeutende „Brifate“, Handwerker, Bauern, sondern sogar manches dienende Menschenbild, das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-05T13:27:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |