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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Am Fuß des steilen Berges, der die Burg trägt, bricht durch die enge schwarze Felsenschlucht der Schnalserbach heraus. An den jähen Wänden oben geht auch, weit her aus dem Innern des Thales, eine hölzerne Wasserleitung, welche die Einwohner von Naturns, dem nächsten Dorfe, angelegt haben, um die dürren Aecker und Wiesen an der Sonnenseite zu wässern. Auf der andern Seite ist des Wassers dagegen wieder zu viel. Da befeuchtet die Etsch weites Sumpfland und erzeugt im Sommer schwierige Krankheiten. Ueber dem Dorfe wieder ein Schloß, Namens Hochnaturns; auf der andern Seite der Etsch, etwas abwärts, ein zweites in reicher Landschaft, Tarantsberg, jetzt Dornsberg, das seinen Namen von den Edlen von Tarant führt, welche schon im vierzehnten Jahrhundert ausgestorben sind. Später kam es als tirolisches Lehen an die Annenberger und jetzt ist es der Aufenthalt der Grafen von Mohr.

Die zahlreichen Burgen des Vintschgaus sind ein großer Reiz dieser Landschaft, aber es ist so viel leichter sie zu sehen und sich an ihnen zu erfreuen, als sie dem Leser durch Schilderung vor Augen zu bringen. Glücklicherweise sind sie schon alle mannichfach gezeichnet und in englischen Stahlstichen vervielfältigt worden. Auch mit ihrer Geschichte kann sich der Vorbeiziehende nicht ausgiebig beschäftigen, und wir haben es zunächst bei etlichen Namen- und Zeitangaben bewenden lassen. So viele ritterliche Liebes- und Heldenthaten ein romantisches Gemüth in die grauen Trümmer zu verlegen berechtiget ist, so sind doch die Summarien, welche mit Hülfe vergilbter Documente über ihre einstigen Schicksale hergestellt worden, sehr dürftig. Die Erbauung der meisten fällt in die graue Vorzeit, und es hindert nichts auch in ihnen etliche von denen zu sehen, welche Horatius die arces Alpibus impositas tremendis nannte. In der historischen Zeit dreht sich ihre Geschichte zumeist um aussenden, zu Lehen nehmen, um bestrittenes, erzwungenes, zugestandenes Oeffnungsrecht, um Verkauf, Abbruch, Wiederaufbau - um Nachrichten, die dem Provincialhistoriker höchst anziehend sind, die aber der unterhaltungssüchtige Leser schockweise herlassen würde für einen interessanten

Am Fuß des steilen Berges, der die Burg trägt, bricht durch die enge schwarze Felsenschlucht der Schnalserbach heraus. An den jähen Wänden oben geht auch, weit her aus dem Innern des Thales, eine hölzerne Wasserleitung, welche die Einwohner von Naturns, dem nächsten Dorfe, angelegt haben, um die dürren Aecker und Wiesen an der Sonnenseite zu wässern. Auf der andern Seite ist des Wassers dagegen wieder zu viel. Da befeuchtet die Etsch weites Sumpfland und erzeugt im Sommer schwierige Krankheiten. Ueber dem Dorfe wieder ein Schloß, Namens Hochnaturns; auf der andern Seite der Etsch, etwas abwärts, ein zweites in reicher Landschaft, Tarantsberg, jetzt Dornsberg, das seinen Namen von den Edlen von Tarant führt, welche schon im vierzehnten Jahrhundert ausgestorben sind. Später kam es als tirolisches Lehen an die Annenberger und jetzt ist es der Aufenthalt der Grafen von Mohr.

Die zahlreichen Burgen des Vintschgaus sind ein großer Reiz dieser Landschaft, aber es ist so viel leichter sie zu sehen und sich an ihnen zu erfreuen, als sie dem Leser durch Schilderung vor Augen zu bringen. Glücklicherweise sind sie schon alle mannichfach gezeichnet und in englischen Stahlstichen vervielfältigt worden. Auch mit ihrer Geschichte kann sich der Vorbeiziehende nicht ausgiebig beschäftigen, und wir haben es zunächst bei etlichen Namen- und Zeitangaben bewenden lassen. So viele ritterliche Liebes- und Heldenthaten ein romantisches Gemüth in die grauen Trümmer zu verlegen berechtiget ist, so sind doch die Summarien, welche mit Hülfe vergilbter Documente über ihre einstigen Schicksale hergestellt worden, sehr dürftig. Die Erbauung der meisten fällt in die graue Vorzeit, und es hindert nichts auch in ihnen etliche von denen zu sehen, welche Horatius die arces Alpibus impositas tremendis nannte. In der historischen Zeit dreht sich ihre Geschichte zumeist um aussenden, zu Lehen nehmen, um bestrittenes, erzwungenes, zugestandenes Oeffnungsrecht, um Verkauf, Abbruch, Wiederaufbau – um Nachrichten, die dem Provincialhistoriker höchst anziehend sind, die aber der unterhaltungssüchtige Leser schockweise herlassen würde für einen interessanten

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Am Fuß des steilen Berges, der die Burg trägt, bricht durch die enge schwarze Felsenschlucht der Schnalserbach heraus. An den jähen Wänden oben geht auch, weit her aus dem Innern des Thales, eine hölzerne Wasserleitung, welche die Einwohner von Naturns, dem nächsten Dorfe, angelegt haben, um die dürren Aecker und Wiesen an der Sonnenseite zu wässern. Auf der andern Seite ist des Wassers dagegen wieder zu viel. Da befeuchtet die Etsch weites Sumpfland und erzeugt im Sommer schwierige Krankheiten. Ueber dem Dorfe wieder ein Schloß, Namens Hochnaturns; auf der andern Seite der Etsch, etwas abwärts, ein zweites in reicher Landschaft, Tarantsberg, jetzt Dornsberg, das seinen Namen von den Edlen von Tarant führt, welche schon im vierzehnten Jahrhundert ausgestorben sind. Später kam es als tirolisches Lehen an die Annenberger und jetzt ist es der Aufenthalt der Grafen von Mohr.</p>
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[289/0293] Am Fuß des steilen Berges, der die Burg trägt, bricht durch die enge schwarze Felsenschlucht der Schnalserbach heraus. An den jähen Wänden oben geht auch, weit her aus dem Innern des Thales, eine hölzerne Wasserleitung, welche die Einwohner von Naturns, dem nächsten Dorfe, angelegt haben, um die dürren Aecker und Wiesen an der Sonnenseite zu wässern. Auf der andern Seite ist des Wassers dagegen wieder zu viel. Da befeuchtet die Etsch weites Sumpfland und erzeugt im Sommer schwierige Krankheiten. Ueber dem Dorfe wieder ein Schloß, Namens Hochnaturns; auf der andern Seite der Etsch, etwas abwärts, ein zweites in reicher Landschaft, Tarantsberg, jetzt Dornsberg, das seinen Namen von den Edlen von Tarant führt, welche schon im vierzehnten Jahrhundert ausgestorben sind. Später kam es als tirolisches Lehen an die Annenberger und jetzt ist es der Aufenthalt der Grafen von Mohr. Die zahlreichen Burgen des Vintschgaus sind ein großer Reiz dieser Landschaft, aber es ist so viel leichter sie zu sehen und sich an ihnen zu erfreuen, als sie dem Leser durch Schilderung vor Augen zu bringen. Glücklicherweise sind sie schon alle mannichfach gezeichnet und in englischen Stahlstichen vervielfältigt worden. Auch mit ihrer Geschichte kann sich der Vorbeiziehende nicht ausgiebig beschäftigen, und wir haben es zunächst bei etlichen Namen- und Zeitangaben bewenden lassen. So viele ritterliche Liebes- und Heldenthaten ein romantisches Gemüth in die grauen Trümmer zu verlegen berechtiget ist, so sind doch die Summarien, welche mit Hülfe vergilbter Documente über ihre einstigen Schicksale hergestellt worden, sehr dürftig. Die Erbauung der meisten fällt in die graue Vorzeit, und es hindert nichts auch in ihnen etliche von denen zu sehen, welche Horatius die arces Alpibus impositas tremendis nannte. In der historischen Zeit dreht sich ihre Geschichte zumeist um aussenden, zu Lehen nehmen, um bestrittenes, erzwungenes, zugestandenes Oeffnungsrecht, um Verkauf, Abbruch, Wiederaufbau – um Nachrichten, die dem Provincialhistoriker höchst anziehend sind, die aber der unterhaltungssüchtige Leser schockweise herlassen würde für einen interessanten

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/293>, abgerufen am 23.11.2024.