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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Jahrgang aus dem Tagebuch eines mittelalterlichen Edelfräuleins. Eine belehrende und den trockenen Stoff kunstreich bewältigende Darstellung der ritterschaftlichen Verhältnisse, wie sie nicht allein im Vintschgau, sondern hinab bis gegen Trient, im dreizehnten Jahrhundert bestanden, hat Freiherr von Hormayr am Schlusse seiner Chronik der Grafen von Eppan gegeben. Als Herzog Friedrich mit der leeren Tasche lebte, waren aber fast alle diese Burgen wieder bei ganz andern Herren. Zumal hatten nun die Starkenberger, deren Stammburg nicht ferne von Imst steht, viele feste Schlösser, so im Vintschgau wie im Etschland; Schlandersberg, Naturns, Jufal, Vorst, Schänna, Eschenloh und Greifenstein waren in ihren Händen, wurden aber eben deßwegen von Herzog Friedrich gebrochen, wobei sein Büchsenmeister Abraham von Memmingen sich viel Verdienst erwarb. Auffallend ist es daß der Anblick dieser schönen Castelle, der herrlichen Landschaft und des eigenthümlichen Volks im Etschlande noch keine Walter Scott'schen Richtungen, sey's nun unter den Tirolern oder unter fahrenden Belletristen hervorgerufen hat. Die Ufer der Etsch können was poetische Eindrücke betrifft gewiß mit denen des Rheins in Streit gehen.

Nunmehr öffnet sich auch ein Blick durch die Kluft der Töll hinunter auf die Höhen von Meran, und die schönen Hoffnungen, die bei dieser Ansicht aufgehen, müssen trösten für etwa anderthalb Stunden Wegs, die nach all dem Reichthum der Landschaft, wie sie sich von Mals herab Schritt für Schritt erschlossen hat, fast etwas Trübseliges haben. Die Straße zieht zwischen Weidenbaümen in langer Zeile hin, rechts sind bebuschte Sümpfe und unwegsame Erlenauen, zu beiden Seiten wenig bewohnte unliebliche Berge.

Und nun war's auch nicht mehr weit bis zur Stelle, wo links im Thale, in das ein schöner Wasserfall stürzt, das kühle Partschins liegt, mancher wohlhabenden Meraner Familie Sommerfrische, rechts dagegen das neuhergerichtete vielbelobte Egart-Bad und gerade voran die Töll, die ehemalige Zollstätte, deren großes Gebäude noch jetzt an der Straße steht, hoch berühmt wegen der herrlichen Ansicht der Gefilde von

Jahrgang aus dem Tagebuch eines mittelalterlichen Edelfräuleins. Eine belehrende und den trockenen Stoff kunstreich bewältigende Darstellung der ritterschaftlichen Verhältnisse, wie sie nicht allein im Vintschgau, sondern hinab bis gegen Trient, im dreizehnten Jahrhundert bestanden, hat Freiherr von Hormayr am Schlusse seiner Chronik der Grafen von Eppan gegeben. Als Herzog Friedrich mit der leeren Tasche lebte, waren aber fast alle diese Burgen wieder bei ganz andern Herren. Zumal hatten nun die Starkenberger, deren Stammburg nicht ferne von Imst steht, viele feste Schlösser, so im Vintschgau wie im Etschland; Schlandersberg, Naturns, Jufal, Vorst, Schänna, Eschenloh und Greifenstein waren in ihren Händen, wurden aber eben deßwegen von Herzog Friedrich gebrochen, wobei sein Büchsenmeister Abraham von Memmingen sich viel Verdienst erwarb. Auffallend ist es daß der Anblick dieser schönen Castelle, der herrlichen Landschaft und des eigenthümlichen Volks im Etschlande noch keine Walter Scott’schen Richtungen, sey’s nun unter den Tirolern oder unter fahrenden Belletristen hervorgerufen hat. Die Ufer der Etsch können was poetische Eindrücke betrifft gewiß mit denen des Rheins in Streit gehen.

Nunmehr öffnet sich auch ein Blick durch die Kluft der Töll hinunter auf die Höhen von Meran, und die schönen Hoffnungen, die bei dieser Ansicht aufgehen, müssen trösten für etwa anderthalb Stunden Wegs, die nach all dem Reichthum der Landschaft, wie sie sich von Mals herab Schritt für Schritt erschlossen hat, fast etwas Trübseliges haben. Die Straße zieht zwischen Weidenbaümen in langer Zeile hin, rechts sind bebuschte Sümpfe und unwegsame Erlenauen, zu beiden Seiten wenig bewohnte unliebliche Berge.

Und nun war’s auch nicht mehr weit bis zur Stelle, wo links im Thale, in das ein schöner Wasserfall stürzt, das kühle Partschins liegt, mancher wohlhabenden Meraner Familie Sommerfrische, rechts dagegen das neuhergerichtete vielbelobte Egart-Bad und gerade voran die Töll, die ehemalige Zollstätte, deren großes Gebäude noch jetzt an der Straße steht, hoch berühmt wegen der herrlichen Ansicht der Gefilde von

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[290/0294] Jahrgang aus dem Tagebuch eines mittelalterlichen Edelfräuleins. Eine belehrende und den trockenen Stoff kunstreich bewältigende Darstellung der ritterschaftlichen Verhältnisse, wie sie nicht allein im Vintschgau, sondern hinab bis gegen Trient, im dreizehnten Jahrhundert bestanden, hat Freiherr von Hormayr am Schlusse seiner Chronik der Grafen von Eppan gegeben. Als Herzog Friedrich mit der leeren Tasche lebte, waren aber fast alle diese Burgen wieder bei ganz andern Herren. Zumal hatten nun die Starkenberger, deren Stammburg nicht ferne von Imst steht, viele feste Schlösser, so im Vintschgau wie im Etschland; Schlandersberg, Naturns, Jufal, Vorst, Schänna, Eschenloh und Greifenstein waren in ihren Händen, wurden aber eben deßwegen von Herzog Friedrich gebrochen, wobei sein Büchsenmeister Abraham von Memmingen sich viel Verdienst erwarb. Auffallend ist es daß der Anblick dieser schönen Castelle, der herrlichen Landschaft und des eigenthümlichen Volks im Etschlande noch keine Walter Scott’schen Richtungen, sey’s nun unter den Tirolern oder unter fahrenden Belletristen hervorgerufen hat. Die Ufer der Etsch können was poetische Eindrücke betrifft gewiß mit denen des Rheins in Streit gehen. Nunmehr öffnet sich auch ein Blick durch die Kluft der Töll hinunter auf die Höhen von Meran, und die schönen Hoffnungen, die bei dieser Ansicht aufgehen, müssen trösten für etwa anderthalb Stunden Wegs, die nach all dem Reichthum der Landschaft, wie sie sich von Mals herab Schritt für Schritt erschlossen hat, fast etwas Trübseliges haben. Die Straße zieht zwischen Weidenbaümen in langer Zeile hin, rechts sind bebuschte Sümpfe und unwegsame Erlenauen, zu beiden Seiten wenig bewohnte unliebliche Berge. Und nun war’s auch nicht mehr weit bis zur Stelle, wo links im Thale, in das ein schöner Wasserfall stürzt, das kühle Partschins liegt, mancher wohlhabenden Meraner Familie Sommerfrische, rechts dagegen das neuhergerichtete vielbelobte Egart-Bad und gerade voran die Töll, die ehemalige Zollstätte, deren großes Gebäude noch jetzt an der Straße steht, hoch berühmt wegen der herrlichen Ansicht der Gefilde von

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/294>, abgerufen am 18.06.2024.