Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Meran, die da zum erstenmale in all ihrem paradiesischen Reichthum sich auseinander legen. Da sah ich sie mit Freuden wieder die Burg von Tirol und den hohen Thurm des Städtchens und alle die Schlösser und Dörfer und Höfe und Kirchen und Capellen, die auf den Bergen herum und hinauf liegen bis zu St. Katharina in der Schart und hinab bis an die Mendel, die den Boznern in die Gassen schaut, alles verbunden durch schöne Auen, durch die Bogengänge der Reben und die buschigen Obstbaumwälder, alles so feierlich angemeldet durch die Donner der Etsch, die hier weißschäumend in das tirolische Eden hinunterspringt. Und erst das laute Entzücken, in das der nordische Gefährte ausbrach, als er zum erstenmale im Leben dieser südlichen Schönheit in die Augen sah. Was war da zu sagen und zu deuten bis nur einmal das Schönste von all dem erklärt war, so wir auf Stunden hinaus im warmen Licht der Nähe, im blauen Duft der Ferne erblickten. So gingen wir heiter und frisch, plaudernd und schweigend, aber nachhaltig erstaunt und bewundernd auf der Heerstraße fort, die sich in sanfter Senkung abwärts zieht. Reichbelaubte Kastanienbäume säuselten leise ober unsern Häuptern. Allerlei malerische Häuser und Hütten stehen an dem Wege, halb verdeckt vom Laubwerke, grün umgürtet von den Weingeländen, die Herbergen schlanker Männer und schöner Mädchen, die jetzt von des Tages Arbeit heimwärts zur Ruhe zogen. Dann kamen wir auch wieder unter den Lauben durch, die mit dichten Schatten sich über die Straße wölben, von einem Rande zum andern und voll von Trauben hängen. Die höchste Ehre im niedlichen Aufputz der Landschaft muß man in der That der Rebe lassen - ihre bacchische Fruchtschnur geht überall hin, wo es etwas zu verzieren gibt, über Felsen und Bäume, an den Häusern hinauf und in die Stuben hinein und sogar um die Crucifixe schlingt sie sich und umwindet den Erlöser mit ihrem erfrischenden Laub und hängt dem leidenden Christus ihre blauen Trauben kühlend über die Brust. Meran, die da zum erstenmale in all ihrem paradiesischen Reichthum sich auseinander legen. Da sah ich sie mit Freuden wieder die Burg von Tirol und den hohen Thurm des Städtchens und alle die Schlösser und Dörfer und Höfe und Kirchen und Capellen, die auf den Bergen herum und hinauf liegen bis zu St. Katharina in der Schart und hinab bis an die Mendel, die den Boznern in die Gassen schaut, alles verbunden durch schöne Auen, durch die Bogengänge der Reben und die buschigen Obstbaumwälder, alles so feierlich angemeldet durch die Donner der Etsch, die hier weißschäumend in das tirolische Eden hinunterspringt. Und erst das laute Entzücken, in das der nordische Gefährte ausbrach, als er zum erstenmale im Leben dieser südlichen Schönheit in die Augen sah. Was war da zu sagen und zu deuten bis nur einmal das Schönste von all dem erklärt war, so wir auf Stunden hinaus im warmen Licht der Nähe, im blauen Duft der Ferne erblickten. So gingen wir heiter und frisch, plaudernd und schweigend, aber nachhaltig erstaunt und bewundernd auf der Heerstraße fort, die sich in sanfter Senkung abwärts zieht. Reichbelaubte Kastanienbäume säuselten leise ober unsern Häuptern. Allerlei malerische Häuser und Hütten stehen an dem Wege, halb verdeckt vom Laubwerke, grün umgürtet von den Weingeländen, die Herbergen schlanker Männer und schöner Mädchen, die jetzt von des Tages Arbeit heimwärts zur Ruhe zogen. Dann kamen wir auch wieder unter den Lauben durch, die mit dichten Schatten sich über die Straße wölben, von einem Rande zum andern und voll von Trauben hängen. Die höchste Ehre im niedlichen Aufputz der Landschaft muß man in der That der Rebe lassen – ihre bacchische Fruchtschnur geht überall hin, wo es etwas zu verzieren gibt, über Felsen und Bäume, an den Häusern hinauf und in die Stuben hinein und sogar um die Crucifixe schlingt sie sich und umwindet den Erlöser mit ihrem erfrischenden Laub und hängt dem leidenden Christus ihre blauen Trauben kühlend über die Brust. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0295" n="291"/> Meran, die da zum erstenmale in all ihrem paradiesischen Reichthum sich auseinander legen. Da sah ich sie mit Freuden wieder die Burg von Tirol und den hohen Thurm des Städtchens und alle die Schlösser und Dörfer und Höfe und Kirchen und Capellen, die auf den Bergen herum und hinauf liegen bis zu St. Katharina in der Schart und hinab bis an die Mendel, die den Boznern in die Gassen schaut, alles verbunden durch schöne Auen, durch die Bogengänge der Reben und die buschigen Obstbaumwälder, alles so feierlich angemeldet durch die Donner der Etsch, die hier weißschäumend in das tirolische Eden hinunterspringt. Und erst das laute Entzücken, in das der nordische Gefährte ausbrach, als er zum erstenmale im Leben dieser südlichen Schönheit in die Augen sah. Was war da zu sagen und zu deuten bis nur einmal das Schönste von all dem erklärt war, so wir auf Stunden hinaus im warmen Licht der Nähe, im blauen Duft der Ferne erblickten. So gingen wir heiter und frisch, plaudernd und schweigend, aber nachhaltig erstaunt und bewundernd auf der Heerstraße fort, die sich in sanfter Senkung abwärts zieht. Reichbelaubte Kastanienbäume säuselten leise ober unsern Häuptern. Allerlei malerische Häuser und Hütten stehen an dem Wege, halb verdeckt vom Laubwerke, grün umgürtet von den Weingeländen, die Herbergen schlanker Männer und schöner Mädchen, die jetzt von des Tages Arbeit heimwärts zur Ruhe zogen. Dann kamen wir auch wieder unter den Lauben durch, die mit dichten Schatten sich über die Straße wölben, von einem Rande zum andern und voll von Trauben hängen. Die höchste Ehre im niedlichen Aufputz der Landschaft muß man in der That der Rebe lassen – ihre bacchische Fruchtschnur geht überall hin, wo es etwas zu verzieren gibt, über Felsen und Bäume, an den Häusern hinauf und in die Stuben hinein und sogar um die Crucifixe schlingt sie sich und umwindet den Erlöser mit ihrem erfrischenden Laub und hängt dem leidenden Christus ihre blauen Trauben kühlend über die Brust.</p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0295]
Meran, die da zum erstenmale in all ihrem paradiesischen Reichthum sich auseinander legen. Da sah ich sie mit Freuden wieder die Burg von Tirol und den hohen Thurm des Städtchens und alle die Schlösser und Dörfer und Höfe und Kirchen und Capellen, die auf den Bergen herum und hinauf liegen bis zu St. Katharina in der Schart und hinab bis an die Mendel, die den Boznern in die Gassen schaut, alles verbunden durch schöne Auen, durch die Bogengänge der Reben und die buschigen Obstbaumwälder, alles so feierlich angemeldet durch die Donner der Etsch, die hier weißschäumend in das tirolische Eden hinunterspringt. Und erst das laute Entzücken, in das der nordische Gefährte ausbrach, als er zum erstenmale im Leben dieser südlichen Schönheit in die Augen sah. Was war da zu sagen und zu deuten bis nur einmal das Schönste von all dem erklärt war, so wir auf Stunden hinaus im warmen Licht der Nähe, im blauen Duft der Ferne erblickten. So gingen wir heiter und frisch, plaudernd und schweigend, aber nachhaltig erstaunt und bewundernd auf der Heerstraße fort, die sich in sanfter Senkung abwärts zieht. Reichbelaubte Kastanienbäume säuselten leise ober unsern Häuptern. Allerlei malerische Häuser und Hütten stehen an dem Wege, halb verdeckt vom Laubwerke, grün umgürtet von den Weingeländen, die Herbergen schlanker Männer und schöner Mädchen, die jetzt von des Tages Arbeit heimwärts zur Ruhe zogen. Dann kamen wir auch wieder unter den Lauben durch, die mit dichten Schatten sich über die Straße wölben, von einem Rande zum andern und voll von Trauben hängen. Die höchste Ehre im niedlichen Aufputz der Landschaft muß man in der That der Rebe lassen – ihre bacchische Fruchtschnur geht überall hin, wo es etwas zu verzieren gibt, über Felsen und Bäume, an den Häusern hinauf und in die Stuben hinein und sogar um die Crucifixe schlingt sie sich und umwindet den Erlöser mit ihrem erfrischenden Laub und hängt dem leidenden Christus ihre blauen Trauben kühlend über die Brust.
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