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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Von Zenoburg trachten wir also, wie oben verabredet, nach dem Schloß Tirol. Der Weg fällt in einiger Entfernung mit dem zusammen, der aus der Stadt über den Felsen hinaufgeht. Rechts hinein eröffnet sich das Passeirerthal, dessen Eingang zur einen Seite meisterlich vom Schlosse Schänna, zur andern von den Dörfern Kains und Riffian geziert wird. Das Kirchlein zu Kains mit seinem Sattelthurm sieht wie neugierig aus den Weinbergen und genießt einer herrlichen Aussicht. Es wurde ursprünglich im achten Jahrhundert, zur Zeit als noch die bayerischen Agilolfinger bis ins Etschland herein geboten, von dem heiligen Korbinian erbaut. Damals war diese Gegend von den Durchzügen der deutschen Völker, welche seit langer Zeit über den Jaufen nach Italien gegangen waren, wieder wüste geworden und nach Aussage eines Zeitgenossen, ein heimlicher Ort ohne Fußtritt eines Bewohners. Korbinian hatte die Gegend auf einer Romfahrt gesehen und fühlte seitdem einen innern Zug nach der elegischen Landschaft um das alte Castrum von Terioli, und nach dem grünen Thale bei Mais, wo St. Valentin, der Bischof und Apostel der Rhätier, begraben lag. Später als man ihm zu Freising an des Herzogs Hofe nach dem Leben strebte, ging er gerne wieder in die liebliche Einsamkeit von Cainina zurück und als er in Freising gestorben, wurde seine Leiche nach Mais gebracht und in der Kirche St. Valentins beigesetzt. Die Pfarre Kains ist bis auf unser Jahrhundert beim Hochstift Freising geblieben. Zur Zeit lebt an der kleinen Kirche der Herr Pfarrer Thaler, ein freundlicher Mann, in der tirolischen Sängerwelt unter dem Namen Lertha bekannt. Er hat vor wenigen Jahren seine Gedichte herausgegeben und ist gegenwärtig sehr emsig mit der Untersuchung der heimischen Dialekte beschäftigt.

Der Küchelberg ist an seinen Abhängen reich mit Weingärten besetzt, deren rothes Gewächse ehemals einen guten Namen hatte, aber jetzt ihn nicht mehr ganz ausnahmslos verdient, weil viele Besitzer übertriebene Wässerung anwenden, um mehr aber geringern Wein zu erzielen. Seine Lage ist allerdings die wärmste in der Gegend, so daß in den Felsenritzen

Von Zenoburg trachten wir also, wie oben verabredet, nach dem Schloß Tirol. Der Weg fällt in einiger Entfernung mit dem zusammen, der aus der Stadt über den Felsen hinaufgeht. Rechts hinein eröffnet sich das Passeirerthal, dessen Eingang zur einen Seite meisterlich vom Schlosse Schänna, zur andern von den Dörfern Kains und Riffian geziert wird. Das Kirchlein zu Kains mit seinem Sattelthurm sieht wie neugierig aus den Weinbergen und genießt einer herrlichen Aussicht. Es wurde ursprünglich im achten Jahrhundert, zur Zeit als noch die bayerischen Agilolfinger bis ins Etschland herein geboten, von dem heiligen Korbinian erbaut. Damals war diese Gegend von den Durchzügen der deutschen Völker, welche seit langer Zeit über den Jaufen nach Italien gegangen waren, wieder wüste geworden und nach Aussage eines Zeitgenossen, ein heimlicher Ort ohne Fußtritt eines Bewohners. Korbinian hatte die Gegend auf einer Romfahrt gesehen und fühlte seitdem einen innern Zug nach der elegischen Landschaft um das alte Castrum von Terioli, und nach dem grünen Thale bei Mais, wo St. Valentin, der Bischof und Apostel der Rhätier, begraben lag. Später als man ihm zu Freising an des Herzogs Hofe nach dem Leben strebte, ging er gerne wieder in die liebliche Einsamkeit von Cainina zurück und als er in Freising gestorben, wurde seine Leiche nach Mais gebracht und in der Kirche St. Valentins beigesetzt. Die Pfarre Kains ist bis auf unser Jahrhundert beim Hochstift Freising geblieben. Zur Zeit lebt an der kleinen Kirche der Herr Pfarrer Thaler, ein freundlicher Mann, in der tirolischen Sängerwelt unter dem Namen Lertha bekannt. Er hat vor wenigen Jahren seine Gedichte herausgegeben und ist gegenwärtig sehr emsig mit der Untersuchung der heimischen Dialekte beschäftigt.

Der Küchelberg ist an seinen Abhängen reich mit Weingärten besetzt, deren rothes Gewächse ehemals einen guten Namen hatte, aber jetzt ihn nicht mehr ganz ausnahmslos verdient, weil viele Besitzer übertriebene Wässerung anwenden, um mehr aber geringern Wein zu erzielen. Seine Lage ist allerdings die wärmste in der Gegend, so daß in den Felsenritzen

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[307/0311] Von Zenoburg trachten wir also, wie oben verabredet, nach dem Schloß Tirol. Der Weg fällt in einiger Entfernung mit dem zusammen, der aus der Stadt über den Felsen hinaufgeht. Rechts hinein eröffnet sich das Passeirerthal, dessen Eingang zur einen Seite meisterlich vom Schlosse Schänna, zur andern von den Dörfern Kains und Riffian geziert wird. Das Kirchlein zu Kains mit seinem Sattelthurm sieht wie neugierig aus den Weinbergen und genießt einer herrlichen Aussicht. Es wurde ursprünglich im achten Jahrhundert, zur Zeit als noch die bayerischen Agilolfinger bis ins Etschland herein geboten, von dem heiligen Korbinian erbaut. Damals war diese Gegend von den Durchzügen der deutschen Völker, welche seit langer Zeit über den Jaufen nach Italien gegangen waren, wieder wüste geworden und nach Aussage eines Zeitgenossen, ein heimlicher Ort ohne Fußtritt eines Bewohners. Korbinian hatte die Gegend auf einer Romfahrt gesehen und fühlte seitdem einen innern Zug nach der elegischen Landschaft um das alte Castrum von Terioli, und nach dem grünen Thale bei Mais, wo St. Valentin, der Bischof und Apostel der Rhätier, begraben lag. Später als man ihm zu Freising an des Herzogs Hofe nach dem Leben strebte, ging er gerne wieder in die liebliche Einsamkeit von Cainina zurück und als er in Freising gestorben, wurde seine Leiche nach Mais gebracht und in der Kirche St. Valentins beigesetzt. Die Pfarre Kains ist bis auf unser Jahrhundert beim Hochstift Freising geblieben. Zur Zeit lebt an der kleinen Kirche der Herr Pfarrer Thaler, ein freundlicher Mann, in der tirolischen Sängerwelt unter dem Namen Lertha bekannt. Er hat vor wenigen Jahren seine Gedichte herausgegeben und ist gegenwärtig sehr emsig mit der Untersuchung der heimischen Dialekte beschäftigt. Der Küchelberg ist an seinen Abhängen reich mit Weingärten besetzt, deren rothes Gewächse ehemals einen guten Namen hatte, aber jetzt ihn nicht mehr ganz ausnahmslos verdient, weil viele Besitzer übertriebene Wässerung anwenden, um mehr aber geringern Wein zu erzielen. Seine Lage ist allerdings die wärmste in der Gegend, so daß in den Felsenritzen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/311>, abgerufen am 23.11.2024.