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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Wohlstand durch die gewinnreichen Unternehmungen im Auslande nicht mehr erhöhen läßt, so ist der Eifer, ihn durch die freilich minder ergiebigen Quellen heimischen Feldbaues und heimischer Viehzucht zu erhalten, nur desto größer. So führt denn jetzt der reiche Lechthaler ein eben so mühevolles Leben wie der arme. Er erklimmt mit seinen Fußeisen die höchsten Spitzen der Berge und bleibt Tag und Nacht auf seinen Mähdern das Futter zu sammeln, das ihm während dieser Zeit auch als erwärmende Liegerstätte dient. Dabei nährt er sich mit einem Brei von Ziegenmilch oder noch einfacher mit Käse und Brod, und trinkt frisches Bergwasser dazu. So ist derselbe Reiche auch unten im Thale vor Anbruch des Tages auf seinem Acker und bleibt bis zum späten Abend bei der Arbeit. Er düngt, säet und mäht selber. Auch im werktäglichen Haushalt zeigt sich kein Unterschied zwischen Reich und Arm. Milch und Erdäpfel, zuweilen geräuchertes Rindfleisch, ist die gleiche Speise der Wohlhabenden und der Dürftigen; von kostbarern Lebensgenüssen haben sie sich nur den Kaffee eigen gemacht.

Die unverwüstliche Heimathsliebe der alten Lechthaler ist wie die der Grödner und der Engadeiner, schon vielfach bewundert worden. Es verrieth in der That eine eigene Kraft der Entsagung, wenn der holländische Handelsmann nach langen Jahren der Abwesenheit zu Elbigenalp oder Holzgau angekommen, allen Freuden der großen Welt den Abschied gab, und ganz wieder ein Lechthaler wurde, wenn er seinen Amsterdamer Surtout von sich warf und in den häuslichen Wollkittel schlüpfte, um mit der weißen Schlafmütze auf dem Haupte und der Thonpfeife im Munde den Rest seiner Tage daheim zu verdämmern, sey's nun am Ofen sitzend oder im angestammten Gärtchen leisen Trittes luftwandelnd und über die Stacketen auf die Fluren schauend, in denen er als Knabe gespielt. Dieses Behagen an einem stillen, idyllischen Spätherbst des Lebens entwickelt zumal für den, der es mit den Augen eines Großstädters betrachtet, seinen eigenen poetischen Reiz; die Nachbarn im Gebirge, insbesondere die Gebildeten, haben aber eine ganz verschiedene Ansicht der Sache aufgestellt. Ihnen

Wohlstand durch die gewinnreichen Unternehmungen im Auslande nicht mehr erhöhen läßt, so ist der Eifer, ihn durch die freilich minder ergiebigen Quellen heimischen Feldbaues und heimischer Viehzucht zu erhalten, nur desto größer. So führt denn jetzt der reiche Lechthaler ein eben so mühevolles Leben wie der arme. Er erklimmt mit seinen Fußeisen die höchsten Spitzen der Berge und bleibt Tag und Nacht auf seinen Mähdern das Futter zu sammeln, das ihm während dieser Zeit auch als erwärmende Liegerstätte dient. Dabei nährt er sich mit einem Brei von Ziegenmilch oder noch einfacher mit Käse und Brod, und trinkt frisches Bergwasser dazu. So ist derselbe Reiche auch unten im Thale vor Anbruch des Tages auf seinem Acker und bleibt bis zum späten Abend bei der Arbeit. Er düngt, säet und mäht selber. Auch im werktäglichen Haushalt zeigt sich kein Unterschied zwischen Reich und Arm. Milch und Erdäpfel, zuweilen geräuchertes Rindfleisch, ist die gleiche Speise der Wohlhabenden und der Dürftigen; von kostbarern Lebensgenüssen haben sie sich nur den Kaffee eigen gemacht.

Die unverwüstliche Heimathsliebe der alten Lechthaler ist wie die der Grödner und der Engadeiner, schon vielfach bewundert worden. Es verrieth in der That eine eigene Kraft der Entsagung, wenn der holländische Handelsmann nach langen Jahren der Abwesenheit zu Elbigenalp oder Holzgau angekommen, allen Freuden der großen Welt den Abschied gab, und ganz wieder ein Lechthaler wurde, wenn er seinen Amsterdamer Surtout von sich warf und in den häuslichen Wollkittel schlüpfte, um mit der weißen Schlafmütze auf dem Haupte und der Thonpfeife im Munde den Rest seiner Tage daheim zu verdämmern, sey’s nun am Ofen sitzend oder im angestammten Gärtchen leisen Trittes luftwandelnd und über die Stacketen auf die Fluren schauend, in denen er als Knabe gespielt. Dieses Behagen an einem stillen, idyllischen Spätherbst des Lebens entwickelt zumal für den, der es mit den Augen eines Großstädters betrachtet, seinen eigenen poetischen Reiz; die Nachbarn im Gebirge, insbesondere die Gebildeten, haben aber eine ganz verschiedene Ansicht der Sache aufgestellt. Ihnen

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Wohlstand durch die gewinnreichen Unternehmungen im Auslande nicht mehr erhöhen läßt, so ist der Eifer, ihn durch die freilich minder ergiebigen Quellen heimischen Feldbaues und heimischer Viehzucht zu erhalten, nur desto größer. So führt denn jetzt der reiche Lechthaler ein eben so mühevolles Leben wie der arme. Er erklimmt mit seinen Fußeisen die höchsten Spitzen der Berge und bleibt Tag und Nacht auf seinen Mähdern das Futter zu sammeln, das ihm während dieser Zeit auch als erwärmende Liegerstätte dient. Dabei nährt er sich mit einem Brei von Ziegenmilch oder noch einfacher mit Käse und Brod, und trinkt frisches Bergwasser dazu. So ist derselbe Reiche auch unten im Thale vor Anbruch des Tages auf seinem Acker und bleibt bis zum späten Abend bei der Arbeit. Er düngt, säet und mäht selber. Auch im werktäglichen Haushalt zeigt sich kein Unterschied zwischen Reich und Arm. Milch und Erdäpfel, zuweilen geräuchertes Rindfleisch, ist die gleiche Speise der Wohlhabenden und der Dürftigen; von kostbarern Lebensgenüssen haben sie sich nur den Kaffee eigen gemacht.</p>
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[29/0034] Wohlstand durch die gewinnreichen Unternehmungen im Auslande nicht mehr erhöhen läßt, so ist der Eifer, ihn durch die freilich minder ergiebigen Quellen heimischen Feldbaues und heimischer Viehzucht zu erhalten, nur desto größer. So führt denn jetzt der reiche Lechthaler ein eben so mühevolles Leben wie der arme. Er erklimmt mit seinen Fußeisen die höchsten Spitzen der Berge und bleibt Tag und Nacht auf seinen Mähdern das Futter zu sammeln, das ihm während dieser Zeit auch als erwärmende Liegerstätte dient. Dabei nährt er sich mit einem Brei von Ziegenmilch oder noch einfacher mit Käse und Brod, und trinkt frisches Bergwasser dazu. So ist derselbe Reiche auch unten im Thale vor Anbruch des Tages auf seinem Acker und bleibt bis zum späten Abend bei der Arbeit. Er düngt, säet und mäht selber. Auch im werktäglichen Haushalt zeigt sich kein Unterschied zwischen Reich und Arm. Milch und Erdäpfel, zuweilen geräuchertes Rindfleisch, ist die gleiche Speise der Wohlhabenden und der Dürftigen; von kostbarern Lebensgenüssen haben sie sich nur den Kaffee eigen gemacht. Die unverwüstliche Heimathsliebe der alten Lechthaler ist wie die der Grödner und der Engadeiner, schon vielfach bewundert worden. Es verrieth in der That eine eigene Kraft der Entsagung, wenn der holländische Handelsmann nach langen Jahren der Abwesenheit zu Elbigenalp oder Holzgau angekommen, allen Freuden der großen Welt den Abschied gab, und ganz wieder ein Lechthaler wurde, wenn er seinen Amsterdamer Surtout von sich warf und in den häuslichen Wollkittel schlüpfte, um mit der weißen Schlafmütze auf dem Haupte und der Thonpfeife im Munde den Rest seiner Tage daheim zu verdämmern, sey’s nun am Ofen sitzend oder im angestammten Gärtchen leisen Trittes luftwandelnd und über die Stacketen auf die Fluren schauend, in denen er als Knabe gespielt. Dieses Behagen an einem stillen, idyllischen Spätherbst des Lebens entwickelt zumal für den, der es mit den Augen eines Großstädters betrachtet, seinen eigenen poetischen Reiz; die Nachbarn im Gebirge, insbesondere die Gebildeten, haben aber eine ganz verschiedene Ansicht der Sache aufgestellt. Ihnen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/34>, abgerufen am 23.11.2024.