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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Wirthes Vortheil zu umgehen wissen. So bringen die meisten ihre Mundvorräthe mit und nicht allein diese, sondern auch die Geschirre, um sie zu kochen. Gleichwohl sind die Kellnerinnen die hier walten, nicht minder artig und dienstbeflissen, als die im Vorderhause, und geben den armen, kranken Leuten zu ihrer Noth manches gute Wort und manchen unbezahlten Zuspruch. Es wird hier, wie in andern tirolischen Badeorten, jeden braven Mann die Wahrnehmung erfreuen, daß der Wirth nicht an den Dürftigen reich werden will, daß alle Speculation auf den Pfennig des Armen fern gehalten ist. Betrachtet man nun auch noch das Liebevolle der Aufnahme und der Pflege, so erscheinen diese Anstalten im Lichte jener frommen alten Stiftungen, die zum Besten der leidenden Menschheit gegründet worden, und stechen so in ihrer schlichten Volksthümlichkeit recht wohlthuend ab von jenen vornehmen Luxusbädern am Rhein, wo man französische Gauner ihre grünen Tische aufschlagen läßt, um die lieben deutschen Landsleute auszuziehen.

Wenn man übrigens hört, daß in Tirol und Vorarlberg über einhundert und zwanzig Bäder *) sind, und Zuspruch finden, so darf man letzteres nicht allein den Kranken und Leidenden zuschreiben, sondern, wie schon öfter angedeutet, ebensowohl einer Sitte, die das ganze Sommerleben des Landes gestaltet, der Sitte nämlich auf ein paar Wochen oder ein paar Monate Haus und Hof zu verlassen und an einen andern Ort in die Sommerfrische zu gehen. Was das Etschland betrifft, so erzeugen allerdings die sumpfigen Niederungen am Strome Krankheiten genug, um mehr als ein Bad zu füllen, aber auf jene zeitweilige Auswanderung wirkt auch die Hitze hin, die während der schönen Jahreszeit schwül über den südtirolischen Thälern liegt. Da streben dann alle, der

*) Nach einer Aufzählung im Tirolerboten von 1830. Zwar sind dabei mehrere Quellen mitgezählt, bei denen sich keine Badhäuser finden, aber einige Anstalten nicht eingerechnet, die seitdem entstanden sind, auch mehrere übergangen, die damals schon im Stillen blühten.

Wirthes Vortheil zu umgehen wissen. So bringen die meisten ihre Mundvorräthe mit und nicht allein diese, sondern auch die Geschirre, um sie zu kochen. Gleichwohl sind die Kellnerinnen die hier walten, nicht minder artig und dienstbeflissen, als die im Vorderhause, und geben den armen, kranken Leuten zu ihrer Noth manches gute Wort und manchen unbezahlten Zuspruch. Es wird hier, wie in andern tirolischen Badeorten, jeden braven Mann die Wahrnehmung erfreuen, daß der Wirth nicht an den Dürftigen reich werden will, daß alle Speculation auf den Pfennig des Armen fern gehalten ist. Betrachtet man nun auch noch das Liebevolle der Aufnahme und der Pflege, so erscheinen diese Anstalten im Lichte jener frommen alten Stiftungen, die zum Besten der leidenden Menschheit gegründet worden, und stechen so in ihrer schlichten Volksthümlichkeit recht wohlthuend ab von jenen vornehmen Luxusbädern am Rhein, wo man französische Gauner ihre grünen Tische aufschlagen läßt, um die lieben deutschen Landsleute auszuziehen.

Wenn man übrigens hört, daß in Tirol und Vorarlberg über einhundert und zwanzig Bäder *) sind, und Zuspruch finden, so darf man letzteres nicht allein den Kranken und Leidenden zuschreiben, sondern, wie schon öfter angedeutet, ebensowohl einer Sitte, die das ganze Sommerleben des Landes gestaltet, der Sitte nämlich auf ein paar Wochen oder ein paar Monate Haus und Hof zu verlassen und an einen andern Ort in die Sommerfrische zu gehen. Was das Etschland betrifft, so erzeugen allerdings die sumpfigen Niederungen am Strome Krankheiten genug, um mehr als ein Bad zu füllen, aber auf jene zeitweilige Auswanderung wirkt auch die Hitze hin, die während der schönen Jahreszeit schwül über den südtirolischen Thälern liegt. Da streben dann alle, der

*) Nach einer Aufzählung im Tirolerboten von 1830. Zwar sind dabei mehrere Quellen mitgezählt, bei denen sich keine Badhäuser finden, aber einige Anstalten nicht eingerechnet, die seitdem entstanden sind, auch mehrere übergangen, die damals schon im Stillen blühten.
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Wirthes Vortheil zu umgehen wissen. So bringen die meisten ihre Mundvorräthe mit und nicht allein diese, sondern auch die Geschirre, um sie zu kochen. Gleichwohl sind die Kellnerinnen die hier walten, nicht minder artig und dienstbeflissen, als die im Vorderhause, und geben den armen, kranken Leuten zu ihrer Noth manches gute Wort und manchen unbezahlten Zuspruch. Es wird hier, wie in andern tirolischen Badeorten, jeden braven Mann die Wahrnehmung erfreuen, daß der Wirth nicht an den Dürftigen reich werden will, daß alle Speculation auf den Pfennig des Armen fern gehalten ist. Betrachtet man nun auch noch das Liebevolle der Aufnahme und der Pflege, so erscheinen diese Anstalten im Lichte jener frommen alten Stiftungen, die zum Besten der leidenden Menschheit gegründet worden, und stechen so in ihrer schlichten Volksthümlichkeit recht wohlthuend ab von jenen vornehmen Luxusbädern am Rhein, wo man französische Gauner ihre grünen Tische aufschlagen läßt, um die lieben deutschen Landsleute auszuziehen.</p>
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[367/0371] Wirthes Vortheil zu umgehen wissen. So bringen die meisten ihre Mundvorräthe mit und nicht allein diese, sondern auch die Geschirre, um sie zu kochen. Gleichwohl sind die Kellnerinnen die hier walten, nicht minder artig und dienstbeflissen, als die im Vorderhause, und geben den armen, kranken Leuten zu ihrer Noth manches gute Wort und manchen unbezahlten Zuspruch. Es wird hier, wie in andern tirolischen Badeorten, jeden braven Mann die Wahrnehmung erfreuen, daß der Wirth nicht an den Dürftigen reich werden will, daß alle Speculation auf den Pfennig des Armen fern gehalten ist. Betrachtet man nun auch noch das Liebevolle der Aufnahme und der Pflege, so erscheinen diese Anstalten im Lichte jener frommen alten Stiftungen, die zum Besten der leidenden Menschheit gegründet worden, und stechen so in ihrer schlichten Volksthümlichkeit recht wohlthuend ab von jenen vornehmen Luxusbädern am Rhein, wo man französische Gauner ihre grünen Tische aufschlagen läßt, um die lieben deutschen Landsleute auszuziehen. Wenn man übrigens hört, daß in Tirol und Vorarlberg über einhundert und zwanzig Bäder *) sind, und Zuspruch finden, so darf man letzteres nicht allein den Kranken und Leidenden zuschreiben, sondern, wie schon öfter angedeutet, ebensowohl einer Sitte, die das ganze Sommerleben des Landes gestaltet, der Sitte nämlich auf ein paar Wochen oder ein paar Monate Haus und Hof zu verlassen und an einen andern Ort in die Sommerfrische zu gehen. Was das Etschland betrifft, so erzeugen allerdings die sumpfigen Niederungen am Strome Krankheiten genug, um mehr als ein Bad zu füllen, aber auf jene zeitweilige Auswanderung wirkt auch die Hitze hin, die während der schönen Jahreszeit schwül über den südtirolischen Thälern liegt. Da streben dann alle, der *) Nach einer Aufzählung im Tirolerboten von 1830. Zwar sind dabei mehrere Quellen mitgezählt, bei denen sich keine Badhäuser finden, aber einige Anstalten nicht eingerechnet, die seitdem entstanden sind, auch mehrere übergangen, die damals schon im Stillen blühten.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/371>, abgerufen am 23.11.2024.