Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber die Schnitzwaarenhändler hatten bei ihrer Umsicht im Laufe der Zeit ersehen, daß sich auch in andern Artikeln durch Fleiß und Betriebsamkeit viel gewinnen lasse, und so handelten sie denn bald in allem, was etwas einzubringen versprach. Anfangs hatte dieser erweiterte Verkehr wenig Einfluß auf ihre Verhältnisse zur Heimath, denn die wandernden Hausirer hielten noch lange für gut, von Zeit zu Zeit ins Thal zurückzukehren, und wenn sie im Alter von ihren Land- und Meerfahrten auszuruhen gedachten, so setzten sie sich an den häuslichen Herd auf den Fluren von Gardena und kauften dort die kleinen Landgüter, die wegen der großen Nachfrage auf ungeheure Preise stiegen. Allmählich aber, je mehr sich die Geschäfte ausbreiteten, zeigte sich diese Gewohnheit für den zusammenhängenden Verfolg ihrer Unternehmungen hinderlich und so kam es, daß sich immer mehrere im Auslande für beständig niederließen. So entstanden schon im fünften Jahrzehent des vorigen Jahrhunderts seßhafte Grödner Handlungen zu Pavia, zu Ancona, zu Perugia, zu Neapel und zu Lissabon, deren Häupter nur zuweilen noch in Gröden erschienen, etwa auch aus Eitelkeit, um den Nachbarn zu zeigen, wie sie zu großen Herren aufgeschossen. Die Anzahl dieser auswärtigen Firmen stieg aber in dem Maaße, daß in dem Jahre wo Pfleger Steiner schrieb, deren über einhundertundfünfzig gezählt wurden, die sich in Deutschland, in den Niederlanden, in Italien, Spanien, Portugal und in Amerika aufgethan hatten; ja Steiner bemerkt sogar, das Verzeichniß sey keineswegs vollständig, weil darin mehrere Häuser übergangen, die ehemals in Frankreich geblüht, aber mit dem Ausbruche der Schreckenszeit das unheimliche Land verlassen hatten. Diese Grödner Handlungen übten nun überall den löblichen Gebrauch, nur junge Leute aus der Heimath zu Gehülfen zu verwenden, die dann wieder auf eigene Rechnung sich aufthaten und abermals etliche Jünglinge von Gardena sich verschrieben. Ueberdieß galt auch die Sitte, daß ein Grödner, wo er sey, diesseits oder jenseits des atlantischen Oceans, nur eine Grödnerin heirathen dürfe, und in Anbetracht dieser Umstände äußert denn mehrerwähnter Steiner die Vermuthung,

Aber die Schnitzwaarenhändler hatten bei ihrer Umsicht im Laufe der Zeit ersehen, daß sich auch in andern Artikeln durch Fleiß und Betriebsamkeit viel gewinnen lasse, und so handelten sie denn bald in allem, was etwas einzubringen versprach. Anfangs hatte dieser erweiterte Verkehr wenig Einfluß auf ihre Verhältnisse zur Heimath, denn die wandernden Hausirer hielten noch lange für gut, von Zeit zu Zeit ins Thal zurückzukehren, und wenn sie im Alter von ihren Land- und Meerfahrten auszuruhen gedachten, so setzten sie sich an den häuslichen Herd auf den Fluren von Gardena und kauften dort die kleinen Landgüter, die wegen der großen Nachfrage auf ungeheure Preise stiegen. Allmählich aber, je mehr sich die Geschäfte ausbreiteten, zeigte sich diese Gewohnheit für den zusammenhängenden Verfolg ihrer Unternehmungen hinderlich und so kam es, daß sich immer mehrere im Auslande für beständig niederließen. So entstanden schon im fünften Jahrzehent des vorigen Jahrhunderts seßhafte Grödner Handlungen zu Pavia, zu Ancona, zu Perugia, zu Neapel und zu Lissabon, deren Häupter nur zuweilen noch in Gröden erschienen, etwa auch aus Eitelkeit, um den Nachbarn zu zeigen, wie sie zu großen Herren aufgeschossen. Die Anzahl dieser auswärtigen Firmen stieg aber in dem Maaße, daß in dem Jahre wo Pfleger Steiner schrieb, deren über einhundertundfünfzig gezählt wurden, die sich in Deutschland, in den Niederlanden, in Italien, Spanien, Portugal und in Amerika aufgethan hatten; ja Steiner bemerkt sogar, das Verzeichniß sey keineswegs vollständig, weil darin mehrere Häuser übergangen, die ehemals in Frankreich geblüht, aber mit dem Ausbruche der Schreckenszeit das unheimliche Land verlassen hatten. Diese Grödner Handlungen übten nun überall den löblichen Gebrauch, nur junge Leute aus der Heimath zu Gehülfen zu verwenden, die dann wieder auf eigene Rechnung sich aufthaten und abermals etliche Jünglinge von Gardena sich verschrieben. Ueberdieß galt auch die Sitte, daß ein Grödner, wo er sey, diesseits oder jenseits des atlantischen Oceans, nur eine Grödnerin heirathen dürfe, und in Anbetracht dieser Umstände äußert denn mehrerwähnter Steiner die Vermuthung,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0428" n="424"/>
        <p>Aber die Schnitzwaarenhändler hatten bei ihrer Umsicht im Laufe der Zeit ersehen, daß sich auch in andern Artikeln durch Fleiß und Betriebsamkeit viel gewinnen lasse, und so handelten sie denn bald in allem, was etwas einzubringen versprach. Anfangs hatte dieser erweiterte Verkehr wenig Einfluß auf ihre Verhältnisse zur Heimath, denn die wandernden Hausirer hielten noch lange für gut, von Zeit zu Zeit ins Thal zurückzukehren, und wenn sie im Alter von ihren Land- und Meerfahrten auszuruhen gedachten, so setzten sie sich an den häuslichen Herd auf den Fluren von Gardena und kauften dort die kleinen Landgüter, die wegen der großen Nachfrage auf ungeheure Preise stiegen. Allmählich aber, je mehr sich die Geschäfte ausbreiteten, zeigte sich diese Gewohnheit für den zusammenhängenden Verfolg ihrer Unternehmungen hinderlich und so kam es, daß sich immer mehrere im Auslande für beständig niederließen. So entstanden schon im fünften Jahrzehent des vorigen Jahrhunderts seßhafte Grödner Handlungen zu Pavia, zu Ancona, zu Perugia, zu Neapel und zu Lissabon, deren Häupter nur zuweilen noch in Gröden erschienen, etwa auch aus Eitelkeit, um den Nachbarn zu zeigen, wie sie zu großen Herren aufgeschossen. Die Anzahl dieser auswärtigen Firmen stieg aber in dem Maaße, daß in dem Jahre wo Pfleger Steiner schrieb, deren über einhundertundfünfzig gezählt wurden, die sich in Deutschland, in den Niederlanden, in Italien, Spanien, Portugal und in Amerika aufgethan hatten; ja Steiner bemerkt sogar, das Verzeichniß sey keineswegs vollständig, weil darin mehrere Häuser übergangen, die ehemals in Frankreich geblüht, aber mit dem Ausbruche der Schreckenszeit das unheimliche Land verlassen hatten. Diese Grödner Handlungen übten nun überall den löblichen Gebrauch, nur junge Leute aus der Heimath zu Gehülfen zu verwenden, die dann wieder auf eigene Rechnung sich aufthaten und abermals etliche Jünglinge von Gardena sich verschrieben. Ueberdieß galt auch die Sitte, daß ein Grödner, wo er sey, diesseits oder jenseits des atlantischen Oceans, nur eine Grödnerin heirathen dürfe, und in Anbetracht dieser Umstände äußert denn mehrerwähnter Steiner die Vermuthung,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0428] Aber die Schnitzwaarenhändler hatten bei ihrer Umsicht im Laufe der Zeit ersehen, daß sich auch in andern Artikeln durch Fleiß und Betriebsamkeit viel gewinnen lasse, und so handelten sie denn bald in allem, was etwas einzubringen versprach. Anfangs hatte dieser erweiterte Verkehr wenig Einfluß auf ihre Verhältnisse zur Heimath, denn die wandernden Hausirer hielten noch lange für gut, von Zeit zu Zeit ins Thal zurückzukehren, und wenn sie im Alter von ihren Land- und Meerfahrten auszuruhen gedachten, so setzten sie sich an den häuslichen Herd auf den Fluren von Gardena und kauften dort die kleinen Landgüter, die wegen der großen Nachfrage auf ungeheure Preise stiegen. Allmählich aber, je mehr sich die Geschäfte ausbreiteten, zeigte sich diese Gewohnheit für den zusammenhängenden Verfolg ihrer Unternehmungen hinderlich und so kam es, daß sich immer mehrere im Auslande für beständig niederließen. So entstanden schon im fünften Jahrzehent des vorigen Jahrhunderts seßhafte Grödner Handlungen zu Pavia, zu Ancona, zu Perugia, zu Neapel und zu Lissabon, deren Häupter nur zuweilen noch in Gröden erschienen, etwa auch aus Eitelkeit, um den Nachbarn zu zeigen, wie sie zu großen Herren aufgeschossen. Die Anzahl dieser auswärtigen Firmen stieg aber in dem Maaße, daß in dem Jahre wo Pfleger Steiner schrieb, deren über einhundertundfünfzig gezählt wurden, die sich in Deutschland, in den Niederlanden, in Italien, Spanien, Portugal und in Amerika aufgethan hatten; ja Steiner bemerkt sogar, das Verzeichniß sey keineswegs vollständig, weil darin mehrere Häuser übergangen, die ehemals in Frankreich geblüht, aber mit dem Ausbruche der Schreckenszeit das unheimliche Land verlassen hatten. Diese Grödner Handlungen übten nun überall den löblichen Gebrauch, nur junge Leute aus der Heimath zu Gehülfen zu verwenden, die dann wieder auf eigene Rechnung sich aufthaten und abermals etliche Jünglinge von Gardena sich verschrieben. Ueberdieß galt auch die Sitte, daß ein Grödner, wo er sey, diesseits oder jenseits des atlantischen Oceans, nur eine Grödnerin heirathen dürfe, und in Anbetracht dieser Umstände äußert denn mehrerwähnter Steiner die Vermuthung,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/428
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/428>, abgerufen am 23.11.2024.