Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.daß zu seiner Zeit die Anzahl der im Heimathlande lebenden Grödner nur ein Drittel des gesammten, aus dem Thale stammenden Volkes betrage, wobei denn nicht zu übersehen, daß auch in Tirol selbst, in Städten, Märkten und Dörfern, eine beträchtliche Anzahl ursprünglich grödnerischer Firmen sich niedergelassen hat. Was nun die Gegenwart betrifft, so haben sich die Verhältnisse erheblich umgestaltet und die grödnerische Propaganda ist fast ganz verkommen. Der ganze Verschleiß der Schnitzereien liegt jetzt nämlich in den Händen der wenigen Verleger, die alle handelsmäßige Vermittlung mit den auswärtigen Kunden besorgen, während die übrigen zu Hause bleiben. Etliche von diesen Verlegern sind wohlhabende Leute und gehen mit der Zeit voran; sie haben in der Jugend tüchtige Schulbildung genossen und mit den Jahren verschiedene Sprachen gelernt, stehen daher ihren Geschäften mit aller Weisheit vor und bestreben sich, sie so schwunghaft als möglich zu betreiben. Daß dadurch die ehemals freien Schnitzer zu unfreien Fabrikarbeitern heruntergesunken und ganz und gar in die Macht ihrer Brodherren verfallen sind, liegt im natürlichen Gang der Sache. Der allgemeine Wohlstand ist daher zur Zeit sehr herabgekommen, da Schnitzeln so wenig als das nebenher geübte Spitzenklöppeln mehr zu Vermögen hilft und das Grundeigenthum wegen zu großer Bevölkerung ungemein zerstückelt ist. Die Grödner fühlen das auch wohl und wünschen die alten Zeiten zurück, wo man noch in der Jugend auf eigene Faust nach Spanien und Italien wanderte und im Alter als reicher Mercatante in die Heimath zurückkam, um den Rest der Tage in mäßigem, ruhigem Wohlleben auszuschlürfen. Diese Erscheinung ist jetzt sehr selten geworden; die auswärtigen Grödner Herren, zumal jene die schon in der Fremde geboren sind, haben wie die Lechthaler, ihr einsames Thal längst vergessen. Als Ausnahme gilt es daher, daß vor mehr als zehn Jahren jener unbekannte Mann in seinen Fünfzigen aus Spanien kam, sich durch die Sprache als Grödner auswies und ein großes Haus erbaute. Er heirathete schnurstracks ein schönes Grödner Mädchen, zeugte in aller Eile noch daß zu seiner Zeit die Anzahl der im Heimathlande lebenden Grödner nur ein Drittel des gesammten, aus dem Thale stammenden Volkes betrage, wobei denn nicht zu übersehen, daß auch in Tirol selbst, in Städten, Märkten und Dörfern, eine beträchtliche Anzahl ursprünglich grödnerischer Firmen sich niedergelassen hat. Was nun die Gegenwart betrifft, so haben sich die Verhältnisse erheblich umgestaltet und die grödnerische Propaganda ist fast ganz verkommen. Der ganze Verschleiß der Schnitzereien liegt jetzt nämlich in den Händen der wenigen Verleger, die alle handelsmäßige Vermittlung mit den auswärtigen Kunden besorgen, während die übrigen zu Hause bleiben. Etliche von diesen Verlegern sind wohlhabende Leute und gehen mit der Zeit voran; sie haben in der Jugend tüchtige Schulbildung genossen und mit den Jahren verschiedene Sprachen gelernt, stehen daher ihren Geschäften mit aller Weisheit vor und bestreben sich, sie so schwunghaft als möglich zu betreiben. Daß dadurch die ehemals freien Schnitzer zu unfreien Fabrikarbeitern heruntergesunken und ganz und gar in die Macht ihrer Brodherren verfallen sind, liegt im natürlichen Gang der Sache. Der allgemeine Wohlstand ist daher zur Zeit sehr herabgekommen, da Schnitzeln so wenig als das nebenher geübte Spitzenklöppeln mehr zu Vermögen hilft und das Grundeigenthum wegen zu großer Bevölkerung ungemein zerstückelt ist. Die Grödner fühlen das auch wohl und wünschen die alten Zeiten zurück, wo man noch in der Jugend auf eigene Faust nach Spanien und Italien wanderte und im Alter als reicher Mercatante in die Heimath zurückkam, um den Rest der Tage in mäßigem, ruhigem Wohlleben auszuschlürfen. Diese Erscheinung ist jetzt sehr selten geworden; die auswärtigen Grödner Herren, zumal jene die schon in der Fremde geboren sind, haben wie die Lechthaler, ihr einsames Thal längst vergessen. Als Ausnahme gilt es daher, daß vor mehr als zehn Jahren jener unbekannte Mann in seinen Fünfzigen aus Spanien kam, sich durch die Sprache als Grödner auswies und ein großes Haus erbaute. 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Etliche von diesen Verlegern sind wohlhabende Leute und gehen mit der Zeit voran; sie haben in der Jugend tüchtige Schulbildung genossen und mit den Jahren verschiedene Sprachen gelernt, stehen daher ihren Geschäften mit aller Weisheit vor und bestreben sich, sie so schwunghaft als möglich zu betreiben. Daß dadurch die ehemals freien Schnitzer zu unfreien Fabrikarbeitern heruntergesunken und ganz und gar in die Macht ihrer Brodherren verfallen sind, liegt im natürlichen Gang der Sache. Der allgemeine Wohlstand ist daher zur Zeit sehr herabgekommen, da Schnitzeln so wenig als das nebenher geübte Spitzenklöppeln mehr zu Vermögen hilft und das Grundeigenthum wegen zu großer Bevölkerung ungemein zerstückelt ist. Die Grödner fühlen das auch wohl und wünschen die alten Zeiten zurück, wo man noch in der Jugend auf eigene Faust nach Spanien und Italien wanderte und im Alter als reicher Mercatante in die Heimath zurückkam, um den Rest der Tage in mäßigem, ruhigem Wohlleben auszuschlürfen. Diese Erscheinung ist jetzt sehr selten geworden; die auswärtigen Grödner Herren, zumal jene die schon in der Fremde geboren sind, haben wie die Lechthaler, ihr einsames Thal längst vergessen. Als Ausnahme gilt es daher, daß vor mehr als zehn Jahren jener unbekannte Mann in seinen Fünfzigen aus Spanien kam, sich durch die Sprache als Grödner auswies und ein großes Haus erbaute. Er heirathete schnurstracks ein schönes Grödner Mädchen, zeugte in aller Eile noch </p> </div> </body> </text> </TEI> [425/0429]
daß zu seiner Zeit die Anzahl der im Heimathlande lebenden Grödner nur ein Drittel des gesammten, aus dem Thale stammenden Volkes betrage, wobei denn nicht zu übersehen, daß auch in Tirol selbst, in Städten, Märkten und Dörfern, eine beträchtliche Anzahl ursprünglich grödnerischer Firmen sich niedergelassen hat.
Was nun die Gegenwart betrifft, so haben sich die Verhältnisse erheblich umgestaltet und die grödnerische Propaganda ist fast ganz verkommen. Der ganze Verschleiß der Schnitzereien liegt jetzt nämlich in den Händen der wenigen Verleger, die alle handelsmäßige Vermittlung mit den auswärtigen Kunden besorgen, während die übrigen zu Hause bleiben. Etliche von diesen Verlegern sind wohlhabende Leute und gehen mit der Zeit voran; sie haben in der Jugend tüchtige Schulbildung genossen und mit den Jahren verschiedene Sprachen gelernt, stehen daher ihren Geschäften mit aller Weisheit vor und bestreben sich, sie so schwunghaft als möglich zu betreiben. Daß dadurch die ehemals freien Schnitzer zu unfreien Fabrikarbeitern heruntergesunken und ganz und gar in die Macht ihrer Brodherren verfallen sind, liegt im natürlichen Gang der Sache. Der allgemeine Wohlstand ist daher zur Zeit sehr herabgekommen, da Schnitzeln so wenig als das nebenher geübte Spitzenklöppeln mehr zu Vermögen hilft und das Grundeigenthum wegen zu großer Bevölkerung ungemein zerstückelt ist. Die Grödner fühlen das auch wohl und wünschen die alten Zeiten zurück, wo man noch in der Jugend auf eigene Faust nach Spanien und Italien wanderte und im Alter als reicher Mercatante in die Heimath zurückkam, um den Rest der Tage in mäßigem, ruhigem Wohlleben auszuschlürfen. Diese Erscheinung ist jetzt sehr selten geworden; die auswärtigen Grödner Herren, zumal jene die schon in der Fremde geboren sind, haben wie die Lechthaler, ihr einsames Thal längst vergessen. Als Ausnahme gilt es daher, daß vor mehr als zehn Jahren jener unbekannte Mann in seinen Fünfzigen aus Spanien kam, sich durch die Sprache als Grödner auswies und ein großes Haus erbaute. Er heirathete schnurstracks ein schönes Grödner Mädchen, zeugte in aller Eile noch
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