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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sogleich zum Weggehen nöthigte, daß dieser Bäcker, wiederholen wir, noch immer auf seinem albernen Begehren besteht. Der erschien, als er im Vorbeigehen die Curretsch im Wirthshause klappern hörte, selbigesmal auch vor unserm Angesichte und meinte, seinige Versteinerungen wären erst die rechten und um die Kleinigkeit von fünfzig Gulden gebe er uns ein ganzes Faß. Auf diese sinnlosen Reden brachen wir aber rächend in ein schallendes Gelächter aus und nöthigten ihn dadurch schleunigst zum Weggehen. Wir hatten schon an unsern Reise-Hand- und Tagebüchern genug zu tragen und wußten nicht entfernt wie ein Faß in unsern Reiseranzen unterzubringen.

Ueber die Sprache von Enneberg wollen wir hier nur eine Nachlese halten. Der Enneberger scheint seinem Idiom weit weniger geneigt, als der Grödner. Unsere Sprache ist uns so hinderlich - heißt es - unsre Sprache ist uns viel entgegen; kommen wir hinaus zu den Deutschen, so verstehen wir nichts, mit den Wälschen haben wir nicht viel zu thun und auch in der Schule kann man nichts Rechtes lernen. Die Erklärung dieser Stimmung liegt in den Verhältnissen des Thales selbst. Die Enneberger haben nie wie die Grödner, große Handelsfahrten unternommen; ihr Blick in die Welt ging zu keiner Zeit weit über das Pusterthal hinaus und brach hinten kaum durch die Dolomiten, die sie von Buchenstein und Fassa scheiden. Die Nützlichkeit ihres Idioms konnten sie daher nie recht einsehen lernen, wohl aber fiel ihnen die Unverständlichkeit desselben in deutschen Landen und bei den deutschen Gerichtsverhandlungen zu St. Vigil sehr eindrücklich auf und es ist daher nicht zu verwundern, daß sie überhaupt der Meinung sind, es wäre viel besser, wenn sie alle von Kindsbeinen an deutsch sprächen. Die Männer thun dieß auch zum größten Theil, aber die Weiber sind noch lange nicht alle doppelsprachig.

Die Sprache von Enneberg ist übrigens nicht allenthalben ein und dieselbe, wie die von Gröden, sondern theilt sich wieder in verschiedene abweichende Mundarten, welche jedoch unter eine Hauptabtheilung fallen. Die örtliche Gränze bildet

sogleich zum Weggehen nöthigte, daß dieser Bäcker, wiederholen wir, noch immer auf seinem albernen Begehren besteht. Der erschien, als er im Vorbeigehen die Curretsch im Wirthshause klappern hörte, selbigesmal auch vor unserm Angesichte und meinte, seinige Versteinerungen wären erst die rechten und um die Kleinigkeit von fünfzig Gulden gebe er uns ein ganzes Faß. Auf diese sinnlosen Reden brachen wir aber rächend in ein schallendes Gelächter aus und nöthigten ihn dadurch schleunigst zum Weggehen. Wir hatten schon an unsern Reise-Hand- und Tagebüchern genug zu tragen und wußten nicht entfernt wie ein Faß in unsern Reiseranzen unterzubringen.

Ueber die Sprache von Enneberg wollen wir hier nur eine Nachlese halten. Der Enneberger scheint seinem Idiom weit weniger geneigt, als der Grödner. Unsere Sprache ist uns so hinderlich – heißt es – unsre Sprache ist uns viel entgegen; kommen wir hinaus zu den Deutschen, so verstehen wir nichts, mit den Wälschen haben wir nicht viel zu thun und auch in der Schule kann man nichts Rechtes lernen. Die Erklärung dieser Stimmung liegt in den Verhältnissen des Thales selbst. Die Enneberger haben nie wie die Grödner, große Handelsfahrten unternommen; ihr Blick in die Welt ging zu keiner Zeit weit über das Pusterthal hinaus und brach hinten kaum durch die Dolomiten, die sie von Buchenstein und Fassa scheiden. Die Nützlichkeit ihres Idioms konnten sie daher nie recht einsehen lernen, wohl aber fiel ihnen die Unverständlichkeit desselben in deutschen Landen und bei den deutschen Gerichtsverhandlungen zu St. Vigil sehr eindrücklich auf und es ist daher nicht zu verwundern, daß sie überhaupt der Meinung sind, es wäre viel besser, wenn sie alle von Kindsbeinen an deutsch sprächen. Die Männer thun dieß auch zum größten Theil, aber die Weiber sind noch lange nicht alle doppelsprachig.

Die Sprache von Enneberg ist übrigens nicht allenthalben ein und dieselbe, wie die von Gröden, sondern theilt sich wieder in verschiedene abweichende Mundarten, welche jedoch unter eine Hauptabtheilung fallen. Die örtliche Gränze bildet

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[456/0460] sogleich zum Weggehen nöthigte, daß dieser Bäcker, wiederholen wir, noch immer auf seinem albernen Begehren besteht. Der erschien, als er im Vorbeigehen die Curretsch im Wirthshause klappern hörte, selbigesmal auch vor unserm Angesichte und meinte, seinige Versteinerungen wären erst die rechten und um die Kleinigkeit von fünfzig Gulden gebe er uns ein ganzes Faß. Auf diese sinnlosen Reden brachen wir aber rächend in ein schallendes Gelächter aus und nöthigten ihn dadurch schleunigst zum Weggehen. Wir hatten schon an unsern Reise-Hand- und Tagebüchern genug zu tragen und wußten nicht entfernt wie ein Faß in unsern Reiseranzen unterzubringen. Ueber die Sprache von Enneberg wollen wir hier nur eine Nachlese halten. Der Enneberger scheint seinem Idiom weit weniger geneigt, als der Grödner. Unsere Sprache ist uns so hinderlich – heißt es – unsre Sprache ist uns viel entgegen; kommen wir hinaus zu den Deutschen, so verstehen wir nichts, mit den Wälschen haben wir nicht viel zu thun und auch in der Schule kann man nichts Rechtes lernen. Die Erklärung dieser Stimmung liegt in den Verhältnissen des Thales selbst. Die Enneberger haben nie wie die Grödner, große Handelsfahrten unternommen; ihr Blick in die Welt ging zu keiner Zeit weit über das Pusterthal hinaus und brach hinten kaum durch die Dolomiten, die sie von Buchenstein und Fassa scheiden. Die Nützlichkeit ihres Idioms konnten sie daher nie recht einsehen lernen, wohl aber fiel ihnen die Unverständlichkeit desselben in deutschen Landen und bei den deutschen Gerichtsverhandlungen zu St. Vigil sehr eindrücklich auf und es ist daher nicht zu verwundern, daß sie überhaupt der Meinung sind, es wäre viel besser, wenn sie alle von Kindsbeinen an deutsch sprächen. Die Männer thun dieß auch zum größten Theil, aber die Weiber sind noch lange nicht alle doppelsprachig. Die Sprache von Enneberg ist übrigens nicht allenthalben ein und dieselbe, wie die von Gröden, sondern theilt sich wieder in verschiedene abweichende Mundarten, welche jedoch unter eine Hauptabtheilung fallen. Die örtliche Gränze bildet

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/460>, abgerufen am 23.11.2024.