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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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der Marobach, der bei Zwischenwasser in die Gader fällt. St. Vigil und Enneberg gehören daher zur einen Familie, die übrigen Orte des Thales zur andern. Der Dialekt der erstern soll der härtere, der der letztern der weichere seyn. Beide scheinen nach den Versicherungen der Eingebornen weiter auseinander zu gehen, als man es bei dem kleinen Umkreis des ladinischen Sprachgebiets und bei der gegenseitigen Nähe und den engen nachbarschaftlichen Verbindungen der Gemeinden wohl erwarten sollte. Als Schiboleth wird das Wort bezeichnet, welches lieb bedeutet (ie t'e tra dschang, ich habe dich sehr lieb - in Grödnersprache). Dieses lautet in der Abtei dschong, in St. Martin jong, in Wälschellen jang, in Enneberg jenn.

Mit der Schule und der Kirche wird es ungefähr gehalten wie in Gröden. In Untermoi, einem Bergdörfchen, das abgeschieden in einem Seitenthale liegt über welchem der gigantische Col de la Vedla aufsteigt, wird am letzten Tage des Jahres, am Sylvestertage nach altem Herkommen deutsch gepredigt, weil an diesem Tage bei Schnee und Eis eine große Kirchfahrt über die Jöcher aus dem Lüsenthale kömmt. Lüsenthal war früher auch der ladinischen Sprache zugethan und die große Kirchfahrt am Sylvestertage geht wohl in die Zeiten zurück, als noch diesseits und jenseits des Col de la Vedla das gleiche Idiom herrschte. Sonst zeigen die Enneberger Geistlichen viele Theilnahme an ihrem Krautwälsch und mancher scheint sich in Studien darüber eingelassen zu haben, die freilich bei dem Mangel der allernöthigsten Hülfsmittel immer etwas lückenhaft geblieben seyn mögen. Der Curat von Campill, einem Dörfchen, das links von St. Martin in einem Nebenthale liegt, soll ein besondrer Liebhaber des Ladins seyn und sich viele Mühe gegeben haben, es schreibbar zu machen. Dieß sey ihm auch so weit gelungen, daß einige seiner Schulkinder ganz artige Briefe und Aufsätzchen in ihrer Muttersprache verfaßt haben.*)

*) Manchem Leser mag die Nachricht nicht unangenehm seyn, daß die Orte des Thales und der nächstgelegenen des deutschen

der Maròbach, der bei Zwischenwasser in die Gader fällt. St. Vigil und Enneberg gehören daher zur einen Familie, die übrigen Orte des Thales zur andern. Der Dialekt der erstern soll der härtere, der der letztern der weichere seyn. Beide scheinen nach den Versicherungen der Eingebornen weiter auseinander zu gehen, als man es bei dem kleinen Umkreis des ladinischen Sprachgebiets und bei der gegenseitigen Nähe und den engen nachbarschaftlichen Verbindungen der Gemeinden wohl erwarten sollte. Als Schiboleth wird das Wort bezeichnet, welches lieb bedeutet (ie t’è tra dschang, ich habe dich sehr lieb – in Grödnersprache). Dieses lautet in der Abtei dschong, in St. Martin jong, in Wälschellen jang, in Enneberg jenn.

Mit der Schule und der Kirche wird es ungefähr gehalten wie in Gröden. In Untermoi, einem Bergdörfchen, das abgeschieden in einem Seitenthale liegt über welchem der gigantische Col de la Vedla aufsteigt, wird am letzten Tage des Jahres, am Sylvestertage nach altem Herkommen deutsch gepredigt, weil an diesem Tage bei Schnee und Eis eine große Kirchfahrt über die Jöcher aus dem Lüsenthale kömmt. Lüsenthal war früher auch der ladinischen Sprache zugethan und die große Kirchfahrt am Sylvestertage geht wohl in die Zeiten zurück, als noch diesseits und jenseits des Col de la Vedla das gleiche Idiom herrschte. Sonst zeigen die Enneberger Geistlichen viele Theilnahme an ihrem Krautwälsch und mancher scheint sich in Studien darüber eingelassen zu haben, die freilich bei dem Mangel der allernöthigsten Hülfsmittel immer etwas lückenhaft geblieben seyn mögen. Der Curat von Campill, einem Dörfchen, das links von St. Martin in einem Nebenthale liegt, soll ein besondrer Liebhaber des Ladins seyn und sich viele Mühe gegeben haben, es schreibbar zu machen. Dieß sey ihm auch so weit gelungen, daß einige seiner Schulkinder ganz artige Briefe und Aufsätzchen in ihrer Muttersprache verfaßt haben.*)

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[457/0461] der Maròbach, der bei Zwischenwasser in die Gader fällt. St. Vigil und Enneberg gehören daher zur einen Familie, die übrigen Orte des Thales zur andern. Der Dialekt der erstern soll der härtere, der der letztern der weichere seyn. Beide scheinen nach den Versicherungen der Eingebornen weiter auseinander zu gehen, als man es bei dem kleinen Umkreis des ladinischen Sprachgebiets und bei der gegenseitigen Nähe und den engen nachbarschaftlichen Verbindungen der Gemeinden wohl erwarten sollte. Als Schiboleth wird das Wort bezeichnet, welches lieb bedeutet (ie t’è tra dschang, ich habe dich sehr lieb – in Grödnersprache). Dieses lautet in der Abtei dschong, in St. Martin jong, in Wälschellen jang, in Enneberg jenn. Mit der Schule und der Kirche wird es ungefähr gehalten wie in Gröden. In Untermoi, einem Bergdörfchen, das abgeschieden in einem Seitenthale liegt über welchem der gigantische Col de la Vedla aufsteigt, wird am letzten Tage des Jahres, am Sylvestertage nach altem Herkommen deutsch gepredigt, weil an diesem Tage bei Schnee und Eis eine große Kirchfahrt über die Jöcher aus dem Lüsenthale kömmt. Lüsenthal war früher auch der ladinischen Sprache zugethan und die große Kirchfahrt am Sylvestertage geht wohl in die Zeiten zurück, als noch diesseits und jenseits des Col de la Vedla das gleiche Idiom herrschte. Sonst zeigen die Enneberger Geistlichen viele Theilnahme an ihrem Krautwälsch und mancher scheint sich in Studien darüber eingelassen zu haben, die freilich bei dem Mangel der allernöthigsten Hülfsmittel immer etwas lückenhaft geblieben seyn mögen. Der Curat von Campill, einem Dörfchen, das links von St. Martin in einem Nebenthale liegt, soll ein besondrer Liebhaber des Ladins seyn und sich viele Mühe gegeben haben, es schreibbar zu machen. Dieß sey ihm auch so weit gelungen, daß einige seiner Schulkinder ganz artige Briefe und Aufsätzchen in ihrer Muttersprache verfaßt haben. *) *) Manchem Leser mag die Nachricht nicht unangenehm seyn, daß die Orte des Thales und der nächstgelegenen des deutschen

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/461>, abgerufen am 23.11.2024.