Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.hinter ihm drein jagten. Er hatte nur die Wahl zwischen Gefangenschaft und dem ungeheuern Sprung. Da riß er sein Roß zurück, gab ihm die Sporen - das edle Thier setzte über die Schlucht, erreichte mit den Vorderfüßen den jenseitigen Felsen und arbeitete sich mit den hintern glücklich an der Wand hinauf. Als der Reiter wieder auf festem Boden war, stieg er ab, küßte dem Lebensretter die Füße und ritt im Angesichte der Ampezzaner, die rathlos auf der andern Seite standen, hohnlachend davon. Sein Leben endete am 7 Februar 1582 auf dem Felde bei Corvara, wo ihn seine Todfeinde Johann und Caspar Anton, die Kolzen, ermordeten. Von Zwischenwasser geht das Sträßchen wieder steil in die Höhe und führt nach Pelfrad, dem Wirthshause, welches die Gränze der ladinischen Sprache ist. Der nächste Weiler ist Saalen, auch mit einem Wirthshause versehen, in welchem vor drei Jahren der Streit entstand, welcher den Tod des zitherkundigen Ennebergers zur Folge hatte. In Saalen ist alles pusterthalisch, Sprache und Art der Leute, wie auch die gelben Röcke mit dem breiten schwarzen Querbande, und die spitzigen, breitgekrämpten Hüte, welche die Weibsbilder tragen. Von Saalen an verliert die Landschaft das Wilde und Großartige, das sie bisher an sich getragen, der Blick geht ins Weite, in die schöne Fläche des Pusterthals hinaus. Das Schloß Michelsburg, mit drei streitbaren Thürmen wehrhaft prangend, erhebt sich zur rechten Hand auf einem einzelnen Felsen, der bald steil abschießend, bald in sanften Abhängen sich ins Thal herniederläßt. Einzelne Kammern der Burg sind wohl noch bewohnt, denn es gehen reinliche, weiße Zierstreifen um die Fenster, die mit Blumenstöcken geschmückt sind, und in diesen Gemächern wird wahrscheinlich der Bestandsmann wohnen, den der Graf Künigl in dem Schlosse hält. In der Ferne erscheint das stolze Schloß von Brunecken mit seinen rothen Dächern, Stegens spitziger Kirchthurm, Dietenheim mit seinen ritterlichen Schlössern. Darüber hin öffnet sich die Schlucht des Tauferer Thales, von dessen innerer Höhe das Dorf Achornach aus einer Ferne von vier Stunden weit herunter blickt. In der Nähe verleihen mehrere bewaldete hinter ihm drein jagten. Er hatte nur die Wahl zwischen Gefangenschaft und dem ungeheuern Sprung. Da riß er sein Roß zurück, gab ihm die Sporen – das edle Thier setzte über die Schlucht, erreichte mit den Vorderfüßen den jenseitigen Felsen und arbeitete sich mit den hintern glücklich an der Wand hinauf. Als der Reiter wieder auf festem Boden war, stieg er ab, küßte dem Lebensretter die Füße und ritt im Angesichte der Ampezzaner, die rathlos auf der andern Seite standen, hohnlachend davon. Sein Leben endete am 7 Februar 1582 auf dem Felde bei Corvara, wo ihn seine Todfeinde Johann und Caspar Anton, die Kolzen, ermordeten. Von Zwischenwasser geht das Sträßchen wieder steil in die Höhe und führt nach Pelfrad, dem Wirthshause, welches die Gränze der ladinischen Sprache ist. Der nächste Weiler ist Saalen, auch mit einem Wirthshause versehen, in welchem vor drei Jahren der Streit entstand, welcher den Tod des zitherkundigen Ennebergers zur Folge hatte. In Saalen ist alles pusterthalisch, Sprache und Art der Leute, wie auch die gelben Röcke mit dem breiten schwarzen Querbande, und die spitzigen, breitgekrämpten Hüte, welche die Weibsbilder tragen. Von Saalen an verliert die Landschaft das Wilde und Großartige, das sie bisher an sich getragen, der Blick geht ins Weite, in die schöne Fläche des Pusterthals hinaus. Das Schloß Michelsburg, mit drei streitbaren Thürmen wehrhaft prangend, erhebt sich zur rechten Hand auf einem einzelnen Felsen, der bald steil abschießend, bald in sanften Abhängen sich ins Thal herniederläßt. Einzelne Kammern der Burg sind wohl noch bewohnt, denn es gehen reinliche, weiße Zierstreifen um die Fenster, die mit Blumenstöcken geschmückt sind, und in diesen Gemächern wird wahrscheinlich der Bestandsmann wohnen, den der Graf Künigl in dem Schlosse hält. In der Ferne erscheint das stolze Schloß von Brunecken mit seinen rothen Dächern, Stegens spitziger Kirchthurm, Dietenheim mit seinen ritterlichen Schlössern. Darüber hin öffnet sich die Schlucht des Tauferer Thales, von dessen innerer Höhe das Dorf Achornach aus einer Ferne von vier Stunden weit herunter blickt. 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Einzelne Kammern der Burg sind wohl noch bewohnt, denn es gehen reinliche, weiße Zierstreifen um die Fenster, die mit Blumenstöcken geschmückt sind, und in diesen Gemächern wird wahrscheinlich der Bestandsmann wohnen, den der Graf Künigl in dem Schlosse hält. In der Ferne erscheint das stolze Schloß von Brunecken mit seinen rothen Dächern, Stegens spitziger Kirchthurm, Dietenheim mit seinen ritterlichen Schlössern. Darüber hin öffnet sich die Schlucht des Tauferer Thales, von dessen innerer Höhe das Dorf Achornach aus einer Ferne von vier Stunden weit herunter blickt. In der Nähe verleihen mehrere bewaldete </p> </div> </body> </text> </TEI> [470/0474]
hinter ihm drein jagten. Er hatte nur die Wahl zwischen Gefangenschaft und dem ungeheuern Sprung. Da riß er sein Roß zurück, gab ihm die Sporen – das edle Thier setzte über die Schlucht, erreichte mit den Vorderfüßen den jenseitigen Felsen und arbeitete sich mit den hintern glücklich an der Wand hinauf. Als der Reiter wieder auf festem Boden war, stieg er ab, küßte dem Lebensretter die Füße und ritt im Angesichte der Ampezzaner, die rathlos auf der andern Seite standen, hohnlachend davon. Sein Leben endete am 7 Februar 1582 auf dem Felde bei Corvara, wo ihn seine Todfeinde Johann und Caspar Anton, die Kolzen, ermordeten.
Von Zwischenwasser geht das Sträßchen wieder steil in die Höhe und führt nach Pelfrad, dem Wirthshause, welches die Gränze der ladinischen Sprache ist. Der nächste Weiler ist Saalen, auch mit einem Wirthshause versehen, in welchem vor drei Jahren der Streit entstand, welcher den Tod des zitherkundigen Ennebergers zur Folge hatte. In Saalen ist alles pusterthalisch, Sprache und Art der Leute, wie auch die gelben Röcke mit dem breiten schwarzen Querbande, und die spitzigen, breitgekrämpten Hüte, welche die Weibsbilder tragen.
Von Saalen an verliert die Landschaft das Wilde und Großartige, das sie bisher an sich getragen, der Blick geht ins Weite, in die schöne Fläche des Pusterthals hinaus. Das Schloß Michelsburg, mit drei streitbaren Thürmen wehrhaft prangend, erhebt sich zur rechten Hand auf einem einzelnen Felsen, der bald steil abschießend, bald in sanften Abhängen sich ins Thal herniederläßt. Einzelne Kammern der Burg sind wohl noch bewohnt, denn es gehen reinliche, weiße Zierstreifen um die Fenster, die mit Blumenstöcken geschmückt sind, und in diesen Gemächern wird wahrscheinlich der Bestandsmann wohnen, den der Graf Künigl in dem Schlosse hält. In der Ferne erscheint das stolze Schloß von Brunecken mit seinen rothen Dächern, Stegens spitziger Kirchthurm, Dietenheim mit seinen ritterlichen Schlössern. Darüber hin öffnet sich die Schlucht des Tauferer Thales, von dessen innerer Höhe das Dorf Achornach aus einer Ferne von vier Stunden weit herunter blickt. In der Nähe verleihen mehrere bewaldete
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