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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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sich etwas gefallen zu lassen, denn im Jahre 1834, als Lewald die schöne Duxerin kennen lernte, war die Wirthstochter von Lannersbach etwa dreizehn Jahre alt. Die wahre schöne Duxerin aber, wenn sie anders je auf Erden wandelte, soll nach der Aussage unterrichtet seyn wollender Gewährsmänner zur Zeit eine geschickte, etwas ältliche Köchin zu Innsbruck seyn.

Der Wirth also und sein Töchterlein und der Organist setzten sich zusammen und sangen anmuthige Lieder nach Art der Zillerthaler, und eben so schön wie diese konnten sie auch jodeln. Unter den Gesängen gefielen mir am besten ein Zigeunerlied und hie Frau Nachtigall, und endlich ein Alpenlied, das im Thale entstanden und mit einer sehr hübschen Melodie begabt worden ist. Als die längern Stücke vorübergegangen, erholten sich die Sänger an den Schnaderhaggen, den kleinen vierzeiligen Liedchen, die aus dem Zillerthale und dem bayerischen Gebirge allmählich in die gesammte deutsche Welt wandern. Mitunter ließ auch einer der Anwesenden eine Strophe hören. Hin und wieder trällerte Vater Jörgel sogar ein erotisches, mehr oder minder heikles "G'sangel," wobei denn Maidele den Hut etwas tiefer in die Stirne drückte, aber geschämig und folgsam accompagnirte. Es war große Heiterkeit in der Stube und die meisten Gäste gingen erst nach Mitternacht zu Bette.

Den andern Tag, an der Kirchweih, vor dem Gottesdienste kamen die Vorderduxer und die Hinterduxer alle auf dem Platze bei dem Wirthshause zusammen und der fröhliche Lärm schallte als Weckerruf in die hölzerne Prachtkammer, die mir Jörgel zum Schlafen gegeben hatte. Ich stieg also in den untern Raum des Gasthofes hinab, und gewahrte, daß der Wirth zu Lannersbach seine Vorkehrungen gut zu treffen gewußt. Maidele zwar, das Maidele war nur halb dienstfertig, aber dafür war ihr Schwester gekommen, die auf einem Bauernhofe im Thale verheirathet ist und mit ihr der Mann, ein schöner und flinker Bursche, noch jung an Jahren, und mit ihnen dasselbe schöne Mädchen mit den lackirten Schuhen, das noch vorgestern auf der Flur von Hinterdux mit der erwachsenen Jugend Kurzweil getrieben

sich etwas gefallen zu lassen, denn im Jahre 1834, als Lewald die schöne Duxerin kennen lernte, war die Wirthstochter von Lannersbach etwa dreizehn Jahre alt. Die wahre schöne Duxerin aber, wenn sie anders je auf Erden wandelte, soll nach der Aussage unterrichtet seyn wollender Gewährsmänner zur Zeit eine geschickte, etwas ältliche Köchin zu Innsbruck seyn.

Der Wirth also und sein Töchterlein und der Organist setzten sich zusammen und sangen anmuthige Lieder nach Art der Zillerthaler, und eben so schön wie diese konnten sie auch jodeln. Unter den Gesängen gefielen mir am besten ein Zigeunerlied und hie Frau Nachtigall, und endlich ein Alpenlied, das im Thale entstanden und mit einer sehr hübschen Melodie begabt worden ist. Als die längern Stücke vorübergegangen, erholten sich die Sänger an den Schnaderhaggen, den kleinen vierzeiligen Liedchen, die aus dem Zillerthale und dem bayerischen Gebirge allmählich in die gesammte deutsche Welt wandern. Mitunter ließ auch einer der Anwesenden eine Strophe hören. Hin und wieder trällerte Vater Jörgel sogar ein erotisches, mehr oder minder heikles „G’sangel," wobei denn Maidele den Hut etwas tiefer in die Stirne drückte, aber geschämig und folgsam accompagnirte. Es war große Heiterkeit in der Stube und die meisten Gäste gingen erst nach Mitternacht zu Bette.

Den andern Tag, an der Kirchweih, vor dem Gottesdienste kamen die Vorderduxer und die Hinterduxer alle auf dem Platze bei dem Wirthshause zusammen und der fröhliche Lärm schallte als Weckerruf in die hölzerne Prachtkammer, die mir Jörgel zum Schlafen gegeben hatte. Ich stieg also in den untern Raum des Gasthofes hinab, und gewahrte, daß der Wirth zu Lannersbach seine Vorkehrungen gut zu treffen gewußt. Maidele zwar, das Maidele war nur halb dienstfertig, aber dafür war ihr Schwester gekommen, die auf einem Bauernhofe im Thale verheirathet ist und mit ihr der Mann, ein schöner und flinker Bursche, noch jung an Jahren, und mit ihnen dasselbe schöne Mädchen mit den lackirten Schuhen, das noch vorgestern auf der Flur von Hinterdux mit der erwachsenen Jugend Kurzweil getrieben

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[521/0525] sich etwas gefallen zu lassen, denn im Jahre 1834, als Lewald die schöne Duxerin kennen lernte, war die Wirthstochter von Lannersbach etwa dreizehn Jahre alt. Die wahre schöne Duxerin aber, wenn sie anders je auf Erden wandelte, soll nach der Aussage unterrichtet seyn wollender Gewährsmänner zur Zeit eine geschickte, etwas ältliche Köchin zu Innsbruck seyn. Der Wirth also und sein Töchterlein und der Organist setzten sich zusammen und sangen anmuthige Lieder nach Art der Zillerthaler, und eben so schön wie diese konnten sie auch jodeln. Unter den Gesängen gefielen mir am besten ein Zigeunerlied und hie Frau Nachtigall, und endlich ein Alpenlied, das im Thale entstanden und mit einer sehr hübschen Melodie begabt worden ist. Als die längern Stücke vorübergegangen, erholten sich die Sänger an den Schnaderhaggen, den kleinen vierzeiligen Liedchen, die aus dem Zillerthale und dem bayerischen Gebirge allmählich in die gesammte deutsche Welt wandern. Mitunter ließ auch einer der Anwesenden eine Strophe hören. Hin und wieder trällerte Vater Jörgel sogar ein erotisches, mehr oder minder heikles „G’sangel," wobei denn Maidele den Hut etwas tiefer in die Stirne drückte, aber geschämig und folgsam accompagnirte. Es war große Heiterkeit in der Stube und die meisten Gäste gingen erst nach Mitternacht zu Bette. Den andern Tag, an der Kirchweih, vor dem Gottesdienste kamen die Vorderduxer und die Hinterduxer alle auf dem Platze bei dem Wirthshause zusammen und der fröhliche Lärm schallte als Weckerruf in die hölzerne Prachtkammer, die mir Jörgel zum Schlafen gegeben hatte. Ich stieg also in den untern Raum des Gasthofes hinab, und gewahrte, daß der Wirth zu Lannersbach seine Vorkehrungen gut zu treffen gewußt. Maidele zwar, das Maidele war nur halb dienstfertig, aber dafür war ihr Schwester gekommen, die auf einem Bauernhofe im Thale verheirathet ist und mit ihr der Mann, ein schöner und flinker Bursche, noch jung an Jahren, und mit ihnen dasselbe schöne Mädchen mit den lackirten Schuhen, das noch vorgestern auf der Flur von Hinterdux mit der erwachsenen Jugend Kurzweil getrieben

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/525>, abgerufen am 23.11.2024.