Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.hatte und dem wegemüden Wanderer mit so freundlichem Willkomm entgegengetreten war. Sie hatte sich auch bereden lassen bei der Kirchweih auszuhalten, aber nur, wenn etwa Herrenleute kommen sollten, nicht bei den Bauern. Sie trug natürlich ihren besten Putz und in ihrem fräuleinhaften Feiertagsglanze stand sie wirklich recht fremdartig da unter den Branntweintrinkern von Dux und ihren schmucklosen Töchtern; ihr literarisches Innere mochte freilich noch mehr abstechen von dem analphabeten Bewußtseyn der schlichtesten aller Hirten. Vor dem Hause waren indessen mehrere Anstalten erstanden, von denen man des Abends zuvor nur erst schwache Andeutungen gewahrt hatte. Zu Gunsten der ständigen Kegelbahn, welche dem Wirth gehört, hingen aus den Fenstern des obern Stockes herunter zwei seidene Halstücher festlich neben einem neuen Hute und auf dem Anger stand an einen Pfahl gebunden ein schöner Widder, alles Preise des Schiebens, welche der Bestgeber, Georg Stock, ausgesetzt hatte. Aus der zierlich gefertigten Ausschreibung, die an Jörgels hölzerne Wand geklebt war, entnahm ich, daß man hier die Preise mit dem alterthümlichen Namen Kleinod benennt, was mich sehr erfreute. Neben der ständigen Bahn hatte aber Ferdinand Mariacher eine fliegende aufgeschlagen, dafür auch Halstücher und einen Hut ausgestellt, welche vom Söller des Nachbarhauses herab den Ehrgeiz der Duxer mächtig anregten. Auch er hatte ein schöngeschriebenes Proclama angeheftet, worin er die verehrlichen Gäste freundlichst zur Theilnahme an seinem Kirchweihschieben einlud. Für schlechte Liebhaber des Kegelspiels wäre hier zu bemerken, daß in Lannersbach der Laden auf beiden Seiten mit Leisten eingefaßt ist, so daß sich die Kugel wenigstens auf dem Wege nicht verirren kann. Ein alter Pfannenflicker hatte ebenfalls ein Kleinod ausgeboten, welches durch Würfel zu gewinnen war. Dann hatten zwei junge Schuster von Zell, schmucke Bursche tänzerhaften Anstandes, die offene Halle eines nahen Hauses eingenommen und dort ihre lederne Waare ausgelegt. Ferner war ein Hutmacher aus dem Zillerthal erschienen, um sein Lager auszubieten. Weiter unten gegen die Kirche zu saßen ein Duzend hatte und dem wegemüden Wanderer mit so freundlichem Willkomm entgegengetreten war. Sie hatte sich auch bereden lassen bei der Kirchweih auszuhalten, aber nur, wenn etwa Herrenleute kommen sollten, nicht bei den Bauern. Sie trug natürlich ihren besten Putz und in ihrem fräuleinhaften Feiertagsglanze stand sie wirklich recht fremdartig da unter den Branntweintrinkern von Dux und ihren schmucklosen Töchtern; ihr literarisches Innere mochte freilich noch mehr abstechen von dem analphabeten Bewußtseyn der schlichtesten aller Hirten. Vor dem Hause waren indessen mehrere Anstalten erstanden, von denen man des Abends zuvor nur erst schwache Andeutungen gewahrt hatte. Zu Gunsten der ständigen Kegelbahn, welche dem Wirth gehört, hingen aus den Fenstern des obern Stockes herunter zwei seidene Halstücher festlich neben einem neuen Hute und auf dem Anger stand an einen Pfahl gebunden ein schöner Widder, alles Preise des Schiebens, welche der Bestgeber, Georg Stock, ausgesetzt hatte. Aus der zierlich gefertigten Ausschreibung, die an Jörgels hölzerne Wand geklebt war, entnahm ich, daß man hier die Preise mit dem alterthümlichen Namen Kleinod benennt, was mich sehr erfreute. Neben der ständigen Bahn hatte aber Ferdinand Mariacher eine fliegende aufgeschlagen, dafür auch Halstücher und einen Hut ausgestellt, welche vom Söller des Nachbarhauses herab den Ehrgeiz der Duxer mächtig anregten. Auch er hatte ein schöngeschriebenes Proclama angeheftet, worin er die verehrlichen Gäste freundlichst zur Theilnahme an seinem Kirchweihschieben einlud. Für schlechte Liebhaber des Kegelspiels wäre hier zu bemerken, daß in Lannersbach der Laden auf beiden Seiten mit Leisten eingefaßt ist, so daß sich die Kugel wenigstens auf dem Wege nicht verirren kann. Ein alter Pfannenflicker hatte ebenfalls ein Kleinod ausgeboten, welches durch Würfel zu gewinnen war. Dann hatten zwei junge Schuster von Zell, schmucke Bursche tänzerhaften Anstandes, die offene Halle eines nahen Hauses eingenommen und dort ihre lederne Waare ausgelegt. Ferner war ein Hutmacher aus dem Zillerthal erschienen, um sein Lager auszubieten. 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Zu Gunsten der ständigen Kegelbahn, welche dem Wirth gehört, hingen aus den Fenstern des obern Stockes herunter zwei seidene Halstücher festlich neben einem neuen Hute und auf dem Anger stand an einen Pfahl gebunden ein schöner Widder, alles Preise des Schiebens, welche der Bestgeber, Georg Stock, ausgesetzt hatte. Aus der zierlich gefertigten Ausschreibung, die an Jörgels hölzerne Wand geklebt war, entnahm ich, daß man hier die Preise mit dem alterthümlichen Namen Kleinod benennt, was mich sehr erfreute. Neben der ständigen Bahn hatte aber Ferdinand Mariacher eine fliegende aufgeschlagen, dafür auch Halstücher und einen Hut ausgestellt, welche vom Söller des Nachbarhauses herab den Ehrgeiz der Duxer mächtig anregten. Auch er hatte ein schöngeschriebenes Proclama angeheftet, worin er die verehrlichen Gäste freundlichst zur Theilnahme an seinem Kirchweihschieben einlud. Für schlechte Liebhaber des Kegelspiels wäre hier zu bemerken, daß in Lannersbach der Laden auf beiden Seiten mit Leisten eingefaßt ist, so daß sich die Kugel wenigstens auf dem Wege nicht verirren kann. Ein alter Pfannenflicker hatte ebenfalls ein Kleinod ausgeboten, welches durch Würfel zu gewinnen war. Dann hatten zwei junge Schuster von Zell, schmucke Bursche tänzerhaften Anstandes, die offene Halle eines nahen Hauses eingenommen und dort ihre lederne Waare ausgelegt. Ferner war ein Hutmacher aus dem Zillerthal erschienen, um sein Lager auszubieten. Weiter unten gegen die Kirche zu saßen ein Duzend </p> </div> </body> </text> </TEI> [522/0526]
hatte und dem wegemüden Wanderer mit so freundlichem Willkomm entgegengetreten war. Sie hatte sich auch bereden lassen bei der Kirchweih auszuhalten, aber nur, wenn etwa Herrenleute kommen sollten, nicht bei den Bauern. Sie trug natürlich ihren besten Putz und in ihrem fräuleinhaften Feiertagsglanze stand sie wirklich recht fremdartig da unter den Branntweintrinkern von Dux und ihren schmucklosen Töchtern; ihr literarisches Innere mochte freilich noch mehr abstechen von dem analphabeten Bewußtseyn der schlichtesten aller Hirten.
Vor dem Hause waren indessen mehrere Anstalten erstanden, von denen man des Abends zuvor nur erst schwache Andeutungen gewahrt hatte. Zu Gunsten der ständigen Kegelbahn, welche dem Wirth gehört, hingen aus den Fenstern des obern Stockes herunter zwei seidene Halstücher festlich neben einem neuen Hute und auf dem Anger stand an einen Pfahl gebunden ein schöner Widder, alles Preise des Schiebens, welche der Bestgeber, Georg Stock, ausgesetzt hatte. Aus der zierlich gefertigten Ausschreibung, die an Jörgels hölzerne Wand geklebt war, entnahm ich, daß man hier die Preise mit dem alterthümlichen Namen Kleinod benennt, was mich sehr erfreute. Neben der ständigen Bahn hatte aber Ferdinand Mariacher eine fliegende aufgeschlagen, dafür auch Halstücher und einen Hut ausgestellt, welche vom Söller des Nachbarhauses herab den Ehrgeiz der Duxer mächtig anregten. Auch er hatte ein schöngeschriebenes Proclama angeheftet, worin er die verehrlichen Gäste freundlichst zur Theilnahme an seinem Kirchweihschieben einlud. Für schlechte Liebhaber des Kegelspiels wäre hier zu bemerken, daß in Lannersbach der Laden auf beiden Seiten mit Leisten eingefaßt ist, so daß sich die Kugel wenigstens auf dem Wege nicht verirren kann. Ein alter Pfannenflicker hatte ebenfalls ein Kleinod ausgeboten, welches durch Würfel zu gewinnen war. Dann hatten zwei junge Schuster von Zell, schmucke Bursche tänzerhaften Anstandes, die offene Halle eines nahen Hauses eingenommen und dort ihre lederne Waare ausgelegt. Ferner war ein Hutmacher aus dem Zillerthal erschienen, um sein Lager auszubieten. Weiter unten gegen die Kirche zu saßen ein Duzend
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