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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Schlitters, das erste Dorf im Zillerthale. Dort haben wir etwas gerastet und schuldlosen Sinnes ein schönes Mädchen bewundert, die erste der Zillerthalerinnen, die mein Freund im Leben erschaut. Diese kamen von jetzt an sehr häufig vor, alle in stolzer Sonntagstracht, mit dem breitrandigen, hochspitzigen Hut, an dem die goldene Quaste prangt, mit dem innthalischen Spenser, der zuweilen von Sammet, mit kurzen Röcken und weißen Strümpfen. Sie nicken freundlich grüßend und der Pilger steht gern stille, um den Gestalten nachzusehen.

In Fügen sprachen wir im Hacklthurm zu und gingen dann im Dorfe spazieren. Es war heute sehr viel Leben auf den Gassen, denn man erwartete drei Prinzen, die Söhne des Erzherzogs Franz Karl, die in der Frühe nach Zell gefahren waren und jetzt bald zurückkommen sollten. Deßwegen und weil nach den Söhnen auch der Erzherzog Vater angesagt war, Triumphbogen, Inschriften und allerlei Zierrath an den Häusern. Unter anderm fanden wir auch eine schöne Jungfrau auf einer Sommerbank sitzen und ließen uns mit ihr in eines jener harmlosen Gespräche ein, wie sie zwischen Leuten üblich sind, die sich vorher nie gesehen haben. Es ging sehr leicht, denn die Mädchen sind hier liebenswürdig und fürchten nicht es zu scheinen. Während wir nun da sprachen, kam ein schmucker Zillerthaler des Wegs, im Kriegsgewande, d. h. in der Schlachtenjoppe und dem Schützenbrustfleck, wie das heute die Aufgebotenen alle trugen, auch mit einem breiten Leibgurt, worauf in Silber das großbritannische Wappen zu sehen. Es war Ludwig Rainer, der in Amerika gewesen ist und von seinem Oheim dieses Wappen ererbt hat; dem Oheim aber hatte es Georg IV als Andenken verehrt. Wir sprachen etwas englisch zusammen, was ihm ohne alle Beschwer von der Zunge lief. Später beim Einzuge der jungen Erzherzoge sahen wir ihn wieder als Posaunenbläser unter der Schützenmusik.

Bald knallten nun die Böller und wir zogen hinaus zum grünen Ehrenbogen, wo die Fügener Schützencompagnie aufgestellt war, lauter schlanke, großgewachsene Burschen. Die

Schlitters, das erste Dorf im Zillerthale. Dort haben wir etwas gerastet und schuldlosen Sinnes ein schönes Mädchen bewundert, die erste der Zillerthalerinnen, die mein Freund im Leben erschaut. Diese kamen von jetzt an sehr häufig vor, alle in stolzer Sonntagstracht, mit dem breitrandigen, hochspitzigen Hut, an dem die goldene Quaste prangt, mit dem innthalischen Spenser, der zuweilen von Sammet, mit kurzen Röcken und weißen Strümpfen. Sie nicken freundlich grüßend und der Pilger steht gern stille, um den Gestalten nachzusehen.

In Fügen sprachen wir im Hacklthurm zu und gingen dann im Dorfe spazieren. Es war heute sehr viel Leben auf den Gassen, denn man erwartete drei Prinzen, die Söhne des Erzherzogs Franz Karl, die in der Frühe nach Zell gefahren waren und jetzt bald zurückkommen sollten. Deßwegen und weil nach den Söhnen auch der Erzherzog Vater angesagt war, Triumphbogen, Inschriften und allerlei Zierrath an den Häusern. Unter anderm fanden wir auch eine schöne Jungfrau auf einer Sommerbank sitzen und ließen uns mit ihr in eines jener harmlosen Gespräche ein, wie sie zwischen Leuten üblich sind, die sich vorher nie gesehen haben. Es ging sehr leicht, denn die Mädchen sind hier liebenswürdig und fürchten nicht es zu scheinen. Während wir nun da sprachen, kam ein schmucker Zillerthaler des Wegs, im Kriegsgewande, d. h. in der Schlachtenjoppe und dem Schützenbrustfleck, wie das heute die Aufgebotenen alle trugen, auch mit einem breiten Leibgurt, worauf in Silber das großbritannische Wappen zu sehen. Es war Ludwig Rainer, der in Amerika gewesen ist und von seinem Oheim dieses Wappen ererbt hat; dem Oheim aber hatte es Georg IV als Andenken verehrt. Wir sprachen etwas englisch zusammen, was ihm ohne alle Beschwer von der Zunge lief. Später beim Einzuge der jungen Erzherzoge sahen wir ihn wieder als Posaunenbläser unter der Schützenmusik.

Bald knallten nun die Böller und wir zogen hinaus zum grünen Ehrenbogen, wo die Fügener Schützencompagnie aufgestellt war, lauter schlanke, großgewachsene Burschen. Die

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Schlitters, das erste Dorf im Zillerthale. Dort haben wir etwas gerastet und schuldlosen Sinnes ein schönes Mädchen bewundert, die erste der Zillerthalerinnen, die mein Freund im Leben erschaut. Diese kamen von jetzt an sehr häufig vor, alle in stolzer Sonntagstracht, mit dem breitrandigen, hochspitzigen Hut, an dem die goldene Quaste prangt, mit dem innthalischen Spenser, der zuweilen von Sammet, mit kurzen Röcken und weißen Strümpfen. Sie nicken freundlich grüßend und der Pilger steht gern stille, um den Gestalten nachzusehen.</p>
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[543/0547] Schlitters, das erste Dorf im Zillerthale. Dort haben wir etwas gerastet und schuldlosen Sinnes ein schönes Mädchen bewundert, die erste der Zillerthalerinnen, die mein Freund im Leben erschaut. Diese kamen von jetzt an sehr häufig vor, alle in stolzer Sonntagstracht, mit dem breitrandigen, hochspitzigen Hut, an dem die goldene Quaste prangt, mit dem innthalischen Spenser, der zuweilen von Sammet, mit kurzen Röcken und weißen Strümpfen. Sie nicken freundlich grüßend und der Pilger steht gern stille, um den Gestalten nachzusehen. In Fügen sprachen wir im Hacklthurm zu und gingen dann im Dorfe spazieren. Es war heute sehr viel Leben auf den Gassen, denn man erwartete drei Prinzen, die Söhne des Erzherzogs Franz Karl, die in der Frühe nach Zell gefahren waren und jetzt bald zurückkommen sollten. Deßwegen und weil nach den Söhnen auch der Erzherzog Vater angesagt war, Triumphbogen, Inschriften und allerlei Zierrath an den Häusern. Unter anderm fanden wir auch eine schöne Jungfrau auf einer Sommerbank sitzen und ließen uns mit ihr in eines jener harmlosen Gespräche ein, wie sie zwischen Leuten üblich sind, die sich vorher nie gesehen haben. Es ging sehr leicht, denn die Mädchen sind hier liebenswürdig und fürchten nicht es zu scheinen. Während wir nun da sprachen, kam ein schmucker Zillerthaler des Wegs, im Kriegsgewande, d. h. in der Schlachtenjoppe und dem Schützenbrustfleck, wie das heute die Aufgebotenen alle trugen, auch mit einem breiten Leibgurt, worauf in Silber das großbritannische Wappen zu sehen. Es war Ludwig Rainer, der in Amerika gewesen ist und von seinem Oheim dieses Wappen ererbt hat; dem Oheim aber hatte es Georg IV als Andenken verehrt. Wir sprachen etwas englisch zusammen, was ihm ohne alle Beschwer von der Zunge lief. Später beim Einzuge der jungen Erzherzoge sahen wir ihn wieder als Posaunenbläser unter der Schützenmusik. Bald knallten nun die Böller und wir zogen hinaus zum grünen Ehrenbogen, wo die Fügener Schützencompagnie aufgestellt war, lauter schlanke, großgewachsene Burschen. Die

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/547>, abgerufen am 01.06.2024.