Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

eines aufsteigenden Luftballons sitzen, was ihm auch ungemeine Beschwer verursachte, vieler andern Neckereien nicht zu gedenken. Er selbst beruhigte sich zuletzt über alles, wenn es nur den Herren Spaß gemacht hatte und klebte mit treuer Anhänglichkeit an all den großen und kleinen Potentaten, die sich an seinen Aengsten zu ergötzen liebten und ihm deren Gedächtniß durch zahlreiche Kremnitzer Ducaten zu versüßen wußten. Bei ihren Geburts- und Namenstagen unterließ er dann auch nicht einen gereimten Glückwunsch anzubringen, deren mehrere in dem Buche abgedruckt sind. So viel von Peter Prosch, der im Jahre 1804 gestorben ist. In Ried steht noch das Wirthshaus wo der Ehrsame, als er sich zur Ruhe gesetzt, Wirth gewesen.

Der oben erwähnte Handel mit Medicamenten und Oelen, der früher viele "Mithridatträger" beschäftigte, ist zum Besten des Wohlseyns der Mitwelt schon im vorigen Jahrhundert ganz abgethan worden. Er ernährte in seiner Blüthezeit bei vierhundert Mannsbilder und zur Erzielung der Waare wurden im Zillerthale eine beträchtliche Anzahl bäuerlicher Laboratorien unterhalten. Die Landleute zogen in ihren Gärten Rosmarin und Lavendel; Salbei, Wachholder, Tannzapfen, Kienholz und derartige Stoffe boten die Wälder und die Felder. Im benachbarten Achenthale fand sich ein Gestein, aus dem sie Steinöl gewannen, welches man in Viehkrankheiten als wohlthätige Arznei befand. Die Wälschtiroler trugen lebendige Scorpionen herzu und die Zillerthaler erquetschten daraus das für den Hundsbiß gerühmte Scorpionenöl. So waren alle drei Reiche der Natur der Oelindustrie des Zillerthales dienstbar.

Nachdem wir damals in Fügen die Erzherzoge gesehen, fuhren wir mit dem Stellwagen gegen Zell herauf und hielten zu Kaltenbach, einem kleinen Weiler nächst Ried. Als wir ausstiegen, stand mit offenen Armen ein bejahrter Bauer an dem Schlage und empfing uns mit dem heitersten Gesichte, wie seine Gastfreunde von Jahrhunderten her. O du mein lieber fremder Herr, sagte er zu mir, grüß di Gott viel tausendmal und wie schien is des, daß du auch ins

eines aufsteigenden Luftballons sitzen, was ihm auch ungemeine Beschwer verursachte, vieler andern Neckereien nicht zu gedenken. Er selbst beruhigte sich zuletzt über alles, wenn es nur den Herren Spaß gemacht hatte und klebte mit treuer Anhänglichkeit an all den großen und kleinen Potentaten, die sich an seinen Aengsten zu ergötzen liebten und ihm deren Gedächtniß durch zahlreiche Kremnitzer Ducaten zu versüßen wußten. Bei ihren Geburts- und Namenstagen unterließ er dann auch nicht einen gereimten Glückwunsch anzubringen, deren mehrere in dem Buche abgedruckt sind. So viel von Peter Prosch, der im Jahre 1804 gestorben ist. In Ried steht noch das Wirthshaus wo der Ehrsame, als er sich zur Ruhe gesetzt, Wirth gewesen.

Der oben erwähnte Handel mit Medicamenten und Oelen, der früher viele „Mithridatträger“ beschäftigte, ist zum Besten des Wohlseyns der Mitwelt schon im vorigen Jahrhundert ganz abgethan worden. Er ernährte in seiner Blüthezeit bei vierhundert Mannsbilder und zur Erzielung der Waare wurden im Zillerthale eine beträchtliche Anzahl bäuerlicher Laboratorien unterhalten. Die Landleute zogen in ihren Gärten Rosmarin und Lavendel; Salbei, Wachholder, Tannzapfen, Kienholz und derartige Stoffe boten die Wälder und die Felder. Im benachbarten Achenthale fand sich ein Gestein, aus dem sie Steinöl gewannen, welches man in Viehkrankheiten als wohlthätige Arznei befand. Die Wälschtiroler trugen lebendige Scorpionen herzu und die Zillerthaler erquetschten daraus das für den Hundsbiß gerühmte Scorpionenöl. So waren alle drei Reiche der Natur der Oelindustrie des Zillerthales dienstbar.

Nachdem wir damals in Fügen die Erzherzoge gesehen, fuhren wir mit dem Stellwagen gegen Zell herauf und hielten zu Kaltenbach, einem kleinen Weiler nächst Ried. Als wir ausstiegen, stand mit offenen Armen ein bejahrter Bauer an dem Schlage und empfing uns mit dem heitersten Gesichte, wie seine Gastfreunde von Jahrhunderten her. O du mein lieber fremder Herr, sagte er zu mir, grüß di Gott viel tausendmal und wie schien is des, daß du auch ins

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0557" n="553"/>
eines aufsteigenden Luftballons sitzen, was ihm auch ungemeine Beschwer verursachte, vieler andern Neckereien nicht zu gedenken. Er selbst beruhigte sich zuletzt über alles, wenn es nur den Herren Spaß gemacht hatte und klebte mit treuer Anhänglichkeit an all den großen und kleinen Potentaten, die sich an seinen Aengsten zu ergötzen liebten und ihm deren Gedächtniß durch zahlreiche Kremnitzer Ducaten zu versüßen wußten. Bei ihren Geburts- und Namenstagen unterließ er dann auch nicht einen gereimten Glückwunsch anzubringen, deren mehrere in dem Buche abgedruckt sind. So viel von Peter Prosch, der im Jahre 1804 gestorben ist. In Ried steht noch das Wirthshaus wo der Ehrsame, als er sich zur Ruhe gesetzt, Wirth gewesen.</p>
        <p>Der oben erwähnte Handel mit Medicamenten und Oelen, der früher viele &#x201E;Mithridatträger&#x201C; beschäftigte, ist zum Besten des Wohlseyns der Mitwelt schon im vorigen Jahrhundert ganz abgethan worden. Er ernährte in seiner Blüthezeit bei vierhundert Mannsbilder und zur Erzielung der Waare wurden im Zillerthale eine beträchtliche Anzahl bäuerlicher Laboratorien unterhalten. Die Landleute zogen in ihren Gärten Rosmarin und Lavendel; Salbei, Wachholder, Tannzapfen, Kienholz und derartige Stoffe boten die Wälder und die Felder. Im benachbarten Achenthale fand sich ein Gestein, aus dem sie Steinöl gewannen, welches man in Viehkrankheiten als wohlthätige Arznei befand. Die Wälschtiroler trugen lebendige Scorpionen herzu und die Zillerthaler erquetschten daraus das für den Hundsbiß gerühmte Scorpionenöl. So waren alle drei Reiche der Natur der Oelindustrie des Zillerthales dienstbar.</p>
        <p>Nachdem wir damals in Fügen die Erzherzoge gesehen, fuhren wir mit dem Stellwagen gegen Zell herauf und hielten zu Kaltenbach, einem kleinen Weiler nächst Ried. Als wir ausstiegen, stand mit offenen Armen ein bejahrter Bauer an dem Schlage und empfing uns mit dem heitersten Gesichte, wie seine Gastfreunde von Jahrhunderten her. O du mein lieber fremder Herr, sagte er zu mir, grüß di Gott viel tausendmal und wie schien is des, daß du auch ins
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0557] eines aufsteigenden Luftballons sitzen, was ihm auch ungemeine Beschwer verursachte, vieler andern Neckereien nicht zu gedenken. Er selbst beruhigte sich zuletzt über alles, wenn es nur den Herren Spaß gemacht hatte und klebte mit treuer Anhänglichkeit an all den großen und kleinen Potentaten, die sich an seinen Aengsten zu ergötzen liebten und ihm deren Gedächtniß durch zahlreiche Kremnitzer Ducaten zu versüßen wußten. Bei ihren Geburts- und Namenstagen unterließ er dann auch nicht einen gereimten Glückwunsch anzubringen, deren mehrere in dem Buche abgedruckt sind. So viel von Peter Prosch, der im Jahre 1804 gestorben ist. In Ried steht noch das Wirthshaus wo der Ehrsame, als er sich zur Ruhe gesetzt, Wirth gewesen. Der oben erwähnte Handel mit Medicamenten und Oelen, der früher viele „Mithridatträger“ beschäftigte, ist zum Besten des Wohlseyns der Mitwelt schon im vorigen Jahrhundert ganz abgethan worden. Er ernährte in seiner Blüthezeit bei vierhundert Mannsbilder und zur Erzielung der Waare wurden im Zillerthale eine beträchtliche Anzahl bäuerlicher Laboratorien unterhalten. Die Landleute zogen in ihren Gärten Rosmarin und Lavendel; Salbei, Wachholder, Tannzapfen, Kienholz und derartige Stoffe boten die Wälder und die Felder. Im benachbarten Achenthale fand sich ein Gestein, aus dem sie Steinöl gewannen, welches man in Viehkrankheiten als wohlthätige Arznei befand. Die Wälschtiroler trugen lebendige Scorpionen herzu und die Zillerthaler erquetschten daraus das für den Hundsbiß gerühmte Scorpionenöl. So waren alle drei Reiche der Natur der Oelindustrie des Zillerthales dienstbar. Nachdem wir damals in Fügen die Erzherzoge gesehen, fuhren wir mit dem Stellwagen gegen Zell herauf und hielten zu Kaltenbach, einem kleinen Weiler nächst Ried. Als wir ausstiegen, stand mit offenen Armen ein bejahrter Bauer an dem Schlage und empfing uns mit dem heitersten Gesichte, wie seine Gastfreunde von Jahrhunderten her. O du mein lieber fremder Herr, sagte er zu mir, grüß di Gott viel tausendmal und wie schien is des, daß du auch ins

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/557
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/557>, abgerufen am 23.11.2024.