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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Abgesehen von dieser letzten Figur, welche zu viele Uebung erfordert, als daß man sie an diesem Abende noch hätte einlernen können, wurden die übrigen Beiwerke des Bäurischen mit Fleiß und Eifer einstudirt, und es war schwer zu beurtheilen, wer am meisten Hingebung für die Aufgabe zeigte, die beiden Mädchen, die jeweils in unendlicher Zierlichkeit und voll holder Scham sich um die Burschen herumdrehten, oder die beiden bayerischen Studenten, welche den beiden sächsischen in diesen Stunden noch alle geheimen Vortheile alpenhafter Tanzkunst beibringen wollten, oder die sächsischen Musensöhne, welche sich vor Freude an diesen nationalen Eigenthümlichkeiten kaum mehr wußten, und die schwierigsten Probleme, die ihnen Lehrer und Lehrerinnen stellten, mit so viel Kühnheit und solchem Glücke durchführten, daß es mich jetzt dennoch wundert, warum man damals die letzte und heikelste Figur nicht wenigstens versuchte. Ueber alle diese Studien aber breitete die Freude ihre Segnungen aus, und ich glaube nicht, daß Unterricht je heiterer ertheilt worden ist, als damals in der Krimmel, so heiter war er und so national in allen Aeußerungen, denn auch die kleinen Küßchen, die man zuweilen zwischen den Tanzenden hin und her flattern sah, sind nicht gerade unvolksthümlich. Selbst meine eigene Melancholie, angeblich von altem Herzweh rührend, ging damals in die Brüche oder zog wenigstens die graue Lodenjoppe umgekehrt an, so daß das rosenrothe Seidenfutter, mit dem sie wirklich innerhalb besetzt ist, recht artig hervortrat, obgleich ich mich mehr peripherisch als Tanzwart und Spielmann um die Fröhlichkeit herumbewegte, zuweilen einen Stuhl zur Seite schiebend, zuweilen etliche ganz falsche Schläge auf der Guitarre verübend, oder ein entfallenes Halstuch auflesend, immer der Absicht, mich auch der kleineren Werke der Liebe gänzlich zu enthalten und namentlich jener verstohlenen Küsse im Halbdunkel, damit nichts einen Schein auf mich werfe, als sey ich solchen Dingen zugethan; sintemalen ich schon damals mit Lord Byron zu sprechen pflegte:

Yet to the beauteous form I am not blind,
Though now it moves me as it moves the wise.

Abgesehen von dieser letzten Figur, welche zu viele Uebung erfordert, als daß man sie an diesem Abende noch hätte einlernen können, wurden die übrigen Beiwerke des Bäurischen mit Fleiß und Eifer einstudirt, und es war schwer zu beurtheilen, wer am meisten Hingebung für die Aufgabe zeigte, die beiden Mädchen, die jeweils in unendlicher Zierlichkeit und voll holder Scham sich um die Burschen herumdrehten, oder die beiden bayerischen Studenten, welche den beiden sächsischen in diesen Stunden noch alle geheimen Vortheile alpenhafter Tanzkunst beibringen wollten, oder die sächsischen Musensöhne, welche sich vor Freude an diesen nationalen Eigenthümlichkeiten kaum mehr wußten, und die schwierigsten Probleme, die ihnen Lehrer und Lehrerinnen stellten, mit so viel Kühnheit und solchem Glücke durchführten, daß es mich jetzt dennoch wundert, warum man damals die letzte und heikelste Figur nicht wenigstens versuchte. Ueber alle diese Studien aber breitete die Freude ihre Segnungen aus, und ich glaube nicht, daß Unterricht je heiterer ertheilt worden ist, als damals in der Krimmel, so heiter war er und so national in allen Aeußerungen, denn auch die kleinen Küßchen, die man zuweilen zwischen den Tanzenden hin und her flattern sah, sind nicht gerade unvolksthümlich. Selbst meine eigene Melancholie, angeblich von altem Herzweh rührend, ging damals in die Brüche oder zog wenigstens die graue Lodenjoppe umgekehrt an, so daß das rosenrothe Seidenfutter, mit dem sie wirklich innerhalb besetzt ist, recht artig hervortrat, obgleich ich mich mehr peripherisch als Tanzwart und Spielmann um die Fröhlichkeit herumbewegte, zuweilen einen Stuhl zur Seite schiebend, zuweilen etliche ganz falsche Schläge auf der Guitarre verübend, oder ein entfallenes Halstuch auflesend, immer der Absicht, mich auch der kleineren Werke der Liebe gänzlich zu enthalten und namentlich jener verstohlenen Küsse im Halbdunkel, damit nichts einen Schein auf mich werfe, als sey ich solchen Dingen zugethan; sintemalen ich schon damals mit Lord Byron zu sprechen pflegte:

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[581/0585] Abgesehen von dieser letzten Figur, welche zu viele Uebung erfordert, als daß man sie an diesem Abende noch hätte einlernen können, wurden die übrigen Beiwerke des Bäurischen mit Fleiß und Eifer einstudirt, und es war schwer zu beurtheilen, wer am meisten Hingebung für die Aufgabe zeigte, die beiden Mädchen, die jeweils in unendlicher Zierlichkeit und voll holder Scham sich um die Burschen herumdrehten, oder die beiden bayerischen Studenten, welche den beiden sächsischen in diesen Stunden noch alle geheimen Vortheile alpenhafter Tanzkunst beibringen wollten, oder die sächsischen Musensöhne, welche sich vor Freude an diesen nationalen Eigenthümlichkeiten kaum mehr wußten, und die schwierigsten Probleme, die ihnen Lehrer und Lehrerinnen stellten, mit so viel Kühnheit und solchem Glücke durchführten, daß es mich jetzt dennoch wundert, warum man damals die letzte und heikelste Figur nicht wenigstens versuchte. Ueber alle diese Studien aber breitete die Freude ihre Segnungen aus, und ich glaube nicht, daß Unterricht je heiterer ertheilt worden ist, als damals in der Krimmel, so heiter war er und so national in allen Aeußerungen, denn auch die kleinen Küßchen, die man zuweilen zwischen den Tanzenden hin und her flattern sah, sind nicht gerade unvolksthümlich. Selbst meine eigene Melancholie, angeblich von altem Herzweh rührend, ging damals in die Brüche oder zog wenigstens die graue Lodenjoppe umgekehrt an, so daß das rosenrothe Seidenfutter, mit dem sie wirklich innerhalb besetzt ist, recht artig hervortrat, obgleich ich mich mehr peripherisch als Tanzwart und Spielmann um die Fröhlichkeit herumbewegte, zuweilen einen Stuhl zur Seite schiebend, zuweilen etliche ganz falsche Schläge auf der Guitarre verübend, oder ein entfallenes Halstuch auflesend, immer der Absicht, mich auch der kleineren Werke der Liebe gänzlich zu enthalten und namentlich jener verstohlenen Küsse im Halbdunkel, damit nichts einen Schein auf mich werfe, als sey ich solchen Dingen zugethan; sintemalen ich schon damals mit Lord Byron zu sprechen pflegte: Yet to the beauteous form I am not blind, Though now it moves me as it moves the wise.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/585>, abgerufen am 23.11.2024.