Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.Selbst Kaiser Franz war mir noch zu Josephisch, Die Klerisei ist mir zu wenig pfäffisch, Der Papst auch ist mir nicht genug Papist, Und Christus selbst mir fast zu wenig Christ. Als nun die Angelegenheit der Zillerthaler im Ständesaal zur Berathung kam, versuchte es der Bürgermeister Maurer von Innsbruck ihnen das Wort zu reden. Er sprach mit Nachdruck von der Freiheit der Gewissen, von jenem Artikel der deutschen Bundesacte, der von der Verschiedenheit des christlichen Bekenntnisses einen Unterschied im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte abzuleiten verbietet, von dem Geiste unsers Jahrhunderts, der eine Verfolgung um des Glaubens willen nicht gestatte. Ihm entgegen erhob sich der Freiherr von Giovanelli, voll heiligen Zornes über die neue Ketzerei. Solche Reden vor den frommen Ständen von Tirol habe man dem Weihrauch zu danken, den der Jude Lewald dem Bürgermeister von Innsbruck gespendet; das seyen die Folgen ausländischen, fremden Einflusses, der das christkatholische Land seiner alten Religion entfremden, neuen, bis dahin nie geduldeten, unerträglichen Irrlehren Zugang verschaffen wolle. Habe man nur erst eine Gemeinde dem falschen Glauben überlassen, so sey vor der Ansteckung nichts mehr zu schirmen. Besser das kranke Glied abgeschnitten als daß der ganze Leib dahinsieche; besser die Zillerthaler verjagt, als ein lutherisches Tirol. Dieses Wort übte auch hier wieder seine Kraft. Die Stände waren erschüttert bei solchem Ausblick in die Zukunft und gaben dem Redner ihren Beifall zu erkennen. Der Bürgermeister von Innsbruck, der die Sache verloren sah, schwieg. Die Stände baten den Kaiser, er möge den Zillerthalern befehlen, entweder zur Landeskirche zurückzukehren oder Tirol zu verlassen. Der Kaiser willfahrte seinen getreuen Ständen und die Zillerthaler zogen fort; bald nach ihnen auch der edle Maurer, der sich aus seinem Vaterlande wegsehnte und zu Grätz in Steiermark zum Bürgermeister ernannt wurde. Die Einwohnerschaft von Innsbruck sah den geschätzten Mann ungern ziehen, Ein schöner Nachruf Selbst Kaiser Franz war mir noch zu Josephisch, Die Klerisei ist mir zu wenig pfäffisch, Der Papst auch ist mir nicht genug Papist, Und Christus selbst mir fast zu wenig Christ. Als nun die Angelegenheit der Zillerthaler im Ständesaal zur Berathung kam, versuchte es der Bürgermeister Maurer von Innsbruck ihnen das Wort zu reden. Er sprach mit Nachdruck von der Freiheit der Gewissen, von jenem Artikel der deutschen Bundesacte, der von der Verschiedenheit des christlichen Bekenntnisses einen Unterschied im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte abzuleiten verbietet, von dem Geiste unsers Jahrhunderts, der eine Verfolgung um des Glaubens willen nicht gestatte. Ihm entgegen erhob sich der Freiherr von Giovanelli, voll heiligen Zornes über die neue Ketzerei. Solche Reden vor den frommen Ständen von Tirol habe man dem Weihrauch zu danken, den der Jude Lewald dem Bürgermeister von Innsbruck gespendet; das seyen die Folgen ausländischen, fremden Einflusses, der das christkatholische Land seiner alten Religion entfremden, neuen, bis dahin nie geduldeten, unerträglichen Irrlehren Zugang verschaffen wolle. Habe man nur erst eine Gemeinde dem falschen Glauben überlassen, so sey vor der Ansteckung nichts mehr zu schirmen. Besser das kranke Glied abgeschnitten als daß der ganze Leib dahinsieche; besser die Zillerthaler verjagt, als ein lutherisches Tirol. Dieses Wort übte auch hier wieder seine Kraft. Die Stände waren erschüttert bei solchem Ausblick in die Zukunft und gaben dem Redner ihren Beifall zu erkennen. Der Bürgermeister von Innsbruck, der die Sache verloren sah, schwieg. Die Stände baten den Kaiser, er möge den Zillerthalern befehlen, entweder zur Landeskirche zurückzukehren oder Tirol zu verlassen. Der Kaiser willfahrte seinen getreuen Ständen und die Zillerthaler zogen fort; bald nach ihnen auch der edle Maurer, der sich aus seinem Vaterlande wegsehnte und zu Grätz in Steiermark zum Bürgermeister ernannt wurde. Die Einwohnerschaft von Innsbruck sah den geschätzten Mann ungern ziehen, Ein schöner Nachruf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0639" n="635"/> <lg type="poem"> <l>Selbst Kaiser Franz war mir noch zu Josephisch,</l><lb/> <l>Die Klerisei ist mir zu wenig pfäffisch,</l><lb/> <l>Der Papst auch ist mir nicht genug Papist,</l><lb/> <l>Und Christus selbst mir fast zu wenig Christ.</l><lb/> </lg> <p>Als nun die Angelegenheit der Zillerthaler im Ständesaal zur Berathung kam, versuchte es der Bürgermeister Maurer von Innsbruck ihnen das Wort zu reden. 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Selbst Kaiser Franz war mir noch zu Josephisch,
Die Klerisei ist mir zu wenig pfäffisch,
Der Papst auch ist mir nicht genug Papist,
Und Christus selbst mir fast zu wenig Christ.
Als nun die Angelegenheit der Zillerthaler im Ständesaal zur Berathung kam, versuchte es der Bürgermeister Maurer von Innsbruck ihnen das Wort zu reden. Er sprach mit Nachdruck von der Freiheit der Gewissen, von jenem Artikel der deutschen Bundesacte, der von der Verschiedenheit des christlichen Bekenntnisses einen Unterschied im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte abzuleiten verbietet, von dem Geiste unsers Jahrhunderts, der eine Verfolgung um des Glaubens willen nicht gestatte. Ihm entgegen erhob sich der Freiherr von Giovanelli, voll heiligen Zornes über die neue Ketzerei. Solche Reden vor den frommen Ständen von Tirol habe man dem Weihrauch zu danken, den der Jude Lewald dem Bürgermeister von Innsbruck gespendet; das seyen die Folgen ausländischen, fremden Einflusses, der das christkatholische Land seiner alten Religion entfremden, neuen, bis dahin nie geduldeten, unerträglichen Irrlehren Zugang verschaffen wolle. Habe man nur erst eine Gemeinde dem falschen Glauben überlassen, so sey vor der Ansteckung nichts mehr zu schirmen. Besser das kranke Glied abgeschnitten als daß der ganze Leib dahinsieche; besser die Zillerthaler verjagt, als ein lutherisches Tirol. Dieses Wort übte auch hier wieder seine Kraft. Die Stände waren erschüttert bei solchem Ausblick in die Zukunft und gaben dem Redner ihren Beifall zu erkennen. Der Bürgermeister von Innsbruck, der die Sache verloren sah, schwieg. Die Stände baten den Kaiser, er möge den Zillerthalern befehlen, entweder zur Landeskirche zurückzukehren oder Tirol zu verlassen. Der Kaiser willfahrte seinen getreuen Ständen und die Zillerthaler zogen fort; bald nach ihnen auch der edle Maurer, der sich aus seinem Vaterlande wegsehnte und zu Grätz in Steiermark zum Bürgermeister ernannt wurde. Die Einwohnerschaft von Innsbruck sah den geschätzten Mann ungern ziehen, Ein schöner Nachruf
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