2. Andere halten dafür, daß dieser Titul aller- erst dem Pipino und Carolo M. wegen ih- rer grossen Freygebigkeit gegen den Pabst zuerkennet worden, in welcher Meynung Franciscus Guicciardinus, wie auch der autor des Etat de la France ist, als welcher bald zu Anfang seines Buches saget: Le Roy de France est appelle tres chretien, pour le grans biens & les signalez servi- ces que l' Eglise & le saint siege ont re- ceu de cette couronne. Worbey zwey- erley zu mercken. Erstlich, daß, weil die Päbste solchen Titul den Königen in Franckreich darumb ertheilet, weil sie grosse Wohlthaten von ihnen genossen, so folget nothwendig auch, daß sie solchen Titul, be- vor die Wohlthaten geschehen, nicht haben erwerben können. Weil nun zu Clodo- vaei und seiner Nachfolger Zeiten, biß auf Pipinum und Carolum M. keine besondere Wohlthat an den Pabst geschehen, so ha- ben sie auch für dem Pipino und Carolo M. diesen Titul nicht empfangen können. Zum andern, wo es gewiß wäre, daß Carolo M. dieser Titul umb seiner Güte und Gaben gegen den Röm. Stuhl, wäre zugeeignet worden, so wäre auch wohl gewiß, daß er auf seine successores im Deutschen Reiche, nehmlich die Fränckischen Kayser abge-
stam-
Europaͤiſches
2. Andere halten dafuͤr, daß dieſer Titul aller- erſt dem Pipino und Carolo M. wegen ih- rer groſſen Freygebigkeit gegen den Pabſt zuerkennet worden, in welcher Meynung Franciſcus Guicciardinus, wie auch der autor des Etat de la France iſt, als welcher bald zu Anfang ſeines Buches ſaget: Le Roy de France eſt appelle tres chretien, pour le grans biens & les ſignalez ſervi- ces que l’ Egliſe & le ſaint ſiege ont re- ceu de cette couronne. Worbey zwey- erley zu mercken. Erſtlich, daß, weil die Paͤbſte ſolchen Titul den Koͤnigen in Franckreich darumb ertheilet, weil ſie groſſe Wohlthaten von ihnen genoſſen, ſo folget nothwendig auch, daß ſie ſolchen Titul, be- vor die Wohlthaten geſchehen, nicht haben erwerben koͤnnen. Weil nun zu Clodo- væi und ſeiner Nachfolger Zeiten, biß auf Pipinum und Carolum M. keine beſondere Wohlthat an den Pabſt geſchehen, ſo ha- ben ſie auch fuͤr dem Pipino und Carolo M. dieſen Titul nicht empfangen koͤnnen. Zum andern, wo es gewiß waͤre, daß Carolo M. dieſer Titul umb ſeiner Guͤte und Gaben gegen den Roͤm. Stuhl, waͤre zugeeignet worden, ſo waͤre auch wohl gewiß, daß er auf ſeine ſucceſſores im Deutſchen Reiche, nehmlich die Fraͤnckiſchen Kayſer abge-
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Europaͤiſches
2. Andere halten dafuͤr, daß dieſer Titul aller-
erſt dem Pipino und Carolo M. wegen ih-
rer groſſen Freygebigkeit gegen den Pabſt
zuerkennet worden, in welcher Meynung
Franciſcus Guicciardinus, wie auch der
autor des Etat de la France iſt, als welcher
bald zu Anfang ſeines Buches ſaget: Le
Roy de France eſt appelle tres chretien,
pour le grans biens & les ſignalez ſervi-
ces que l’ Egliſe & le ſaint ſiege ont re-
ceu de cette couronne. Worbey zwey-
erley zu mercken. Erſtlich, daß, weil die
Paͤbſte ſolchen Titul den Koͤnigen in
Franckreich darumb ertheilet, weil ſie groſſe
Wohlthaten von ihnen genoſſen, ſo folget
nothwendig auch, daß ſie ſolchen Titul, be-
vor die Wohlthaten geſchehen, nicht haben
erwerben koͤnnen. Weil nun zu Clodo-
væi und ſeiner Nachfolger Zeiten, biß auf
Pipinum und Carolum M. keine beſondere
Wohlthat an den Pabſt geſchehen, ſo ha-
ben ſie auch fuͤr dem Pipino und Carolo M.
dieſen Titul nicht empfangen koͤnnen. Zum
andern, wo es gewiß waͤre, daß Carolo M.
dieſer Titul umb ſeiner Guͤte und Gaben
gegen den Roͤm. Stuhl, waͤre zugeeignet
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/124>, abgerufen am 22.11.2024.
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