4. Daß sich auch die freye Republiquen als Kö- nige tractiret wissen wolten, solches räume- ten ihnen weder die Könige selbsten, noch auch die Churfürsten ein: massen sie inter Majesta- tem personalem und realem eine grosse Distinction macheten. Die erstere besässen die Republiquen gar nicht, dannenhero man auch keine derselben en Majeste tractirete; die andere hätten sie zwar, welche aber nur sensibilis nicht aber visibilis wäre, und weil sie mit Augen nicht gesehen würde, auch nicht als eine Majestät veneriret werden könte.
5. Was die Venetianer von der estime der Tür- cken, und die Holländer von derselben, welche etwan die Jndianischen Könige für sie hätten, einwendeten, beantworten die Churfürsten auf folgende Art:
1. Daß der Türcke, oder auch andere auswer- tige Könige, ihnen ihre Praerogativam nicht nehmen und einem andern geben könten.
2. Einige Churfürsten denen Venetianern in Morea Succours gegen den Türcken zuge- sendet, und dadurch ihre Force auch dem Türcken bekandt worden wäre, auch die Churfürsten durch ihre Macht eher die Ve- netianer von ihren Feinden retten müssen, als die Venetianer die Churfürsten.
3. Daß die Länder, welche Venedig in Euro- pa besässe, und die Königreiche, worauf es
prae-
Europaͤiſches
4. Daß ſich auch die freye Republiquen als Koͤ- nige tractiret wiſſen wolten, ſolches raͤume- ten ihnen weder die Koͤnige ſelbſten, noch auch die Churfuͤrſten ein: maſſen ſie inter Majeſta- tem perſonalem und realem eine groſſe Diſtinction macheten. Die erſtere beſaͤſſen die Republiquen gar nicht, dannenhero man auch keine derſelben en Majeſté tractirete; die andere haͤtten ſie zwar, welche aber nur ſenſibilis nicht aber viſibilis waͤre, und weil ſie mit Augen nicht geſehen wuͤrde, auch nicht als eine Majeſtaͤt veneriret werden koͤnte.
5. Was die Venetianer von der eſtime der Tuͤr- cken, und die Hollaͤnder von derſelben, welche etwan die Jndianiſchen Koͤnige fuͤr ſie haͤtten, einwendeten, beantworten die Churfuͤrſten auf folgende Art:
1. Daß der Tuͤrcke, oder auch andere auswer- tige Koͤnige, ihnen ihre Prærogativam nicht nehmen und einem andern geben koͤnten.
2. Einige Churfuͤrſten denen Venetianern in Morea Succours gegen den Tuͤrcken zuge- ſendet, und dadurch ihre Force auch dem Tuͤrcken bekandt worden waͤre, auch die Churfuͤrſten durch ihre Macht eher die Ve- netianer von ihren Feinden retten muͤſſen, als die Venetianer die Churfuͤrſten.
3. Daß die Laͤnder, welche Venedig in Euro- pa beſaͤſſe, und die Koͤnigreiche, worauf es
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Europaͤiſches
4. Daß ſich auch die freye Republiquen als Koͤ-
nige tractiret wiſſen wolten, ſolches raͤume-
ten ihnen weder die Koͤnige ſelbſten, noch auch
die Churfuͤrſten ein: maſſen ſie inter Majeſta-
tem perſonalem und realem eine groſſe
Diſtinction macheten. Die erſtere beſaͤſſen
die Republiquen gar nicht, dannenhero man
auch keine derſelben en Majeſté tractirete;
die andere haͤtten ſie zwar, welche aber nur
ſenſibilis nicht aber viſibilis waͤre, und weil
ſie mit Augen nicht geſehen wuͤrde, auch nicht
als eine Majeſtaͤt veneriret werden koͤnte.
5. Was die Venetianer von der eſtime der Tuͤr-
cken, und die Hollaͤnder von derſelben, welche
etwan die Jndianiſchen Koͤnige fuͤr ſie haͤtten,
einwendeten, beantworten die Churfuͤrſten auf
folgende Art:
1. Daß der Tuͤrcke, oder auch andere auswer-
tige Koͤnige, ihnen ihre Prærogativam nicht
nehmen und einem andern geben koͤnten.
2. Einige Churfuͤrſten denen Venetianern in
Morea Succours gegen den Tuͤrcken zuge-
ſendet, und dadurch ihre Force auch dem
Tuͤrcken bekandt worden waͤre, auch die
Churfuͤrſten durch ihre Macht eher die Ve-
netianer von ihren Feinden retten muͤſſen,
als die Venetianer die Churfuͤrſten.
3. Daß die Laͤnder, welche Venedig in Euro-
pa beſaͤſſe, und die Koͤnigreiche, worauf es
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/170>, abgerufen am 21.11.2024.
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