vielmahl grosse Verwirrung und Unvernehmen, bloß und allein aus der Sprache; weil mancher, ob er gleich in einer andern Sprache reden könte, dennoch sich dessen weigert, und sich stellet, als ob er ausser seiner Mutter-Sprache keine andere ge- lernet: ja lieber die Schande, daß er frembde Sprachen nicht verstehe, sich zuziehen, als etwan durch Gebrauch seiner in vielen Sprachen geüb- ten Zunge, seinem Principal einiges Nachtheil in der Praerogativa, und sich Verantwortung zuzie- hen will.
§. 10.
Dazumahlen als die Etats-Affaires und Gesandtschafften, nur bloß und alleine denen Geistlichen, oder andern Personen welche Profes- sion von der Gelehrsamkeit gemacht, anvertrauet wurden; war die Lateinische Sprache der com- munis Interpres in dergleichen Handlungen, sonderlich zwischen Christlichen der Catholischen oder Lateinischen Kirchen zugethanen Potenta- ten; als man aber nachgehends auf Personen von Geschlechte, guter Conduite, Naturel und Mutterwitz, und die an den Höfen erzogen wor- den, mehr als auf Gelehrte ex professo reflecti- ret: und jene diesen in dergleichen Negotiis vorge- zogen; ist das liebe und mit vielen Schweiß und Mühe erlernete Latein in publiquen Affairen sehr in Decadence kommen, und haben die mehr in den Höfen als in den Schulen erzogene und ge- lehrt wordene, anbey wohl gereisete Ministri, ihre
Con-
Europaͤiſches
vielmahl groſſe Verwirrung und Unvernehmen, bloß und allein aus der Sprache; weil mancher, ob er gleich in einer andern Sprache reden koͤnte, dennoch ſich deſſen weigert, und ſich ſtellet, als ob er auſſer ſeiner Mutter-Sprache keine andere ge- lernet: ja lieber die Schande, daß er frembde Sprachen nicht verſtehe, ſich zuziehen, als etwan durch Gebrauch ſeiner in vielen Sprachen geuͤb- ten Zunge, ſeinem Principal einiges Nachtheil in der Prærogativa, und ſich Verantwortung zuzie- hen will.
§. 10.
Dazumahlen als die Etats-Affaires und Geſandtſchafften, nur bloß und alleine denen Geiſtlichen, oder andern Perſonen welche Profeſ- ſion von der Gelehrſamkeit gemacht, anvertrauet wurden; war die Lateiniſche Sprache der com- munis Interpres in dergleichen Handlungen, ſonderlich zwiſchen Chriſtlichen der Catholiſchen oder Lateiniſchen Kirchen zugethanen Potenta- ten; als man aber nachgehends auf Perſonen von Geſchlechte, guter Conduite, Naturel und Mutterwitz, und die an den Hoͤfen erzogen wor- den, mehr als auf Gelehrte ex profeſſo reflecti- ret: und jene dieſen in dergleichen Negotiis vorge- zogen; iſt das liebe und mit vielen Schweiß und Muͤhe erlernete Latein in publiquen Affairen ſehr in Decadence kommen, und haben die mehr in den Hoͤfen als in den Schulen erzogene und ge- lehrt wordene, anbey wohl gereiſete Miniſtri, ihre
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Europaͤiſches
vielmahl groſſe Verwirrung und Unvernehmen,
bloß und allein aus der Sprache; weil mancher,
ob er gleich in einer andern Sprache reden koͤnte,
dennoch ſich deſſen weigert, und ſich ſtellet, als ob
er auſſer ſeiner Mutter-Sprache keine andere ge-
lernet: ja lieber die Schande, daß er frembde
Sprachen nicht verſtehe, ſich zuziehen, als etwan
durch Gebrauch ſeiner in vielen Sprachen geuͤb-
ten Zunge, ſeinem Principal einiges Nachtheil in
der Prærogativa, und ſich Verantwortung zuzie-
hen will.
§. 10. Dazumahlen als die Etats-Affaires
und Geſandtſchafften, nur bloß und alleine denen
Geiſtlichen, oder andern Perſonen welche Profeſ-
ſion von der Gelehrſamkeit gemacht, anvertrauet
wurden; war die Lateiniſche Sprache der com-
munis Interpres in dergleichen Handlungen,
ſonderlich zwiſchen Chriſtlichen der Catholiſchen
oder Lateiniſchen Kirchen zugethanen Potenta-
ten; als man aber nachgehends auf Perſonen
von Geſchlechte, guter Conduite, Naturel und
Mutterwitz, und die an den Hoͤfen erzogen wor-
den, mehr als auf Gelehrte ex profeſſo reflecti-
ret: und jene dieſen in dergleichen Negotiis vorge-
zogen; iſt das liebe und mit vielen Schweiß und
Muͤhe erlernete Latein in publiquen Affairen ſehr
in Decadence kommen, und haben die mehr in
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Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/372>, abgerufen am 24.11.2024.
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