Aus diesem Saale führte er mich durch eine der Thüren in eine Stube, deren Fenster in den Garten gingen.
"Das ist gewissermaßen mein Arbeitszimmer," sagte er, "es hat außer am frühen Morgen nicht viel Sonne, ist daher im Sommer angenehm, ich lese gerne hier, oder schreibe, oder beschäftige mich sonst mit Dingen, die mir Antheil einflößen."
Ich dachte mit Lebhaftigkeit, ich könnte sagen, mit einer Art Sehnsucht auf meinen Vater, da ich diese Stube betreten hatte. In ihr war nichts mehr von Marmor, sie war wie unsere gewöhnlichen Stuben; aber sie war mit alterthümlichen Geräthen eingerich¬ tet, wie sie mein Vater hatte, und liebte. Allein die Geräthe erschienen mir so schön, daß ich glaubte, nie etwas ihnen Ähnliches gesehen zu haben. Ich unter¬ richtete meinen Gastfreund von der Eigenschaft meines Vaters, und erzählte ihm in Kurzem von den Din¬ gen, welche derselbe besaß. Auch bat ich, die Sachen näher betrachten zu dürfen, um meinem Vater nach meiner Zurückkunft von ihnen erzählen, und sie ihm wenn auch nur nothdürftig beschreiben zu können. Mein Begleiter willigte sehr gerne in mein Begehren. Es war vor allem ein Schreibschrein, welcher meine
Aus dieſem Saale führte er mich durch eine der Thüren in eine Stube, deren Fenſter in den Garten gingen.
„Das iſt gewiſſermaßen mein Arbeitszimmer,“ ſagte er, „es hat außer am frühen Morgen nicht viel Sonne, iſt daher im Sommer angenehm, ich leſe gerne hier, oder ſchreibe, oder beſchäftige mich ſonſt mit Dingen, die mir Antheil einflößen.“
Ich dachte mit Lebhaftigkeit, ich könnte ſagen, mit einer Art Sehnſucht auf meinen Vater, da ich dieſe Stube betreten hatte. In ihr war nichts mehr von Marmor, ſie war wie unſere gewöhnlichen Stuben; aber ſie war mit alterthümlichen Geräthen eingerich¬ tet, wie ſie mein Vater hatte, und liebte. Allein die Geräthe erſchienen mir ſo ſchön, daß ich glaubte, nie etwas ihnen Ähnliches geſehen zu haben. Ich unter¬ richtete meinen Gaſtfreund von der Eigenſchaft meines Vaters, und erzählte ihm in Kurzem von den Din¬ gen, welche derſelbe beſaß. Auch bat ich, die Sachen näher betrachten zu dürfen, um meinem Vater nach meiner Zurückkunft von ihnen erzählen, und ſie ihm wenn auch nur nothdürftig beſchreiben zu können. Mein Begleiter willigte ſehr gerne in mein Begehren. Es war vor allem ein Schreibſchrein, welcher meine
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0140"n="126"/><p>Aus dieſem Saale führte er mich durch eine der<lb/>
Thüren in eine Stube, deren Fenſter in den Garten<lb/>
gingen.</p><lb/><p>„Das iſt gewiſſermaßen mein Arbeitszimmer,“<lb/>ſagte er, „es hat außer am frühen Morgen nicht viel<lb/>
Sonne, iſt daher im Sommer angenehm, ich leſe<lb/>
gerne hier, oder ſchreibe, oder beſchäftige mich ſonſt<lb/>
mit Dingen, die mir Antheil einflößen.“</p><lb/><p>Ich dachte mit Lebhaftigkeit, ich könnte ſagen, mit<lb/>
einer Art Sehnſucht auf meinen Vater, da ich dieſe<lb/>
Stube betreten hatte. In ihr war nichts mehr von<lb/>
Marmor, ſie war wie unſere gewöhnlichen Stuben;<lb/>
aber ſie war mit alterthümlichen Geräthen eingerich¬<lb/>
tet, wie ſie mein Vater hatte, und liebte. Allein die<lb/>
Geräthe erſchienen mir ſo ſchön, daß ich glaubte, nie<lb/>
etwas ihnen Ähnliches geſehen zu haben. Ich unter¬<lb/>
richtete meinen Gaſtfreund von der Eigenſchaft meines<lb/>
Vaters, und erzählte ihm in Kurzem von den Din¬<lb/>
gen, welche derſelbe beſaß. Auch bat ich, die Sachen<lb/>
näher betrachten zu dürfen, um meinem Vater nach<lb/>
meiner Zurückkunft von ihnen erzählen, und ſie ihm<lb/>
wenn auch nur nothdürftig beſchreiben zu können.<lb/>
Mein Begleiter willigte ſehr gerne in mein Begehren.<lb/>
Es war vor allem ein Schreibſchrein, welcher meine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[126/0140]
Aus dieſem Saale führte er mich durch eine der
Thüren in eine Stube, deren Fenſter in den Garten
gingen.
„Das iſt gewiſſermaßen mein Arbeitszimmer,“
ſagte er, „es hat außer am frühen Morgen nicht viel
Sonne, iſt daher im Sommer angenehm, ich leſe
gerne hier, oder ſchreibe, oder beſchäftige mich ſonſt
mit Dingen, die mir Antheil einflößen.“
Ich dachte mit Lebhaftigkeit, ich könnte ſagen, mit
einer Art Sehnſucht auf meinen Vater, da ich dieſe
Stube betreten hatte. In ihr war nichts mehr von
Marmor, ſie war wie unſere gewöhnlichen Stuben;
aber ſie war mit alterthümlichen Geräthen eingerich¬
tet, wie ſie mein Vater hatte, und liebte. Allein die
Geräthe erſchienen mir ſo ſchön, daß ich glaubte, nie
etwas ihnen Ähnliches geſehen zu haben. Ich unter¬
richtete meinen Gaſtfreund von der Eigenſchaft meines
Vaters, und erzählte ihm in Kurzem von den Din¬
gen, welche derſelbe beſaß. Auch bat ich, die Sachen
näher betrachten zu dürfen, um meinem Vater nach
meiner Zurückkunft von ihnen erzählen, und ſie ihm
wenn auch nur nothdürftig beſchreiben zu können.
Mein Begleiter willigte ſehr gerne in mein Begehren.
Es war vor allem ein Schreibſchrein, welcher meine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/140>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.