Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich mich in diesem Zimmer befand, die meine Geistes¬ thätigkeit in Anspruch nahm. Es kam mir nehmlich vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr so seltsam sei, als er mir gestern und als er mir heute erschienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze gesehen hatte. Bei diesen Geräthen erschien er mir eher als zustimmend und hieher gehörig, und ich be¬ gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht noch diesen Anzug billigen werde, und daß der alte Mann in dieser Hinsicht verständiger sein dürfte als ich.
Außer dem Schreibschreine erregten noch zwei Tische meine Aufmerksamkeit, die an Größe gleich waren, und auch sonst gleiche Gestalt hatten, sich aber nur darin unterschieden, daß jeder auf seiner Platte eine andere Gestaltung trug. Sie hatten nehmlich jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und adeliche Geschlechter führten, nur waren die Schilde nicht gleich. Aber auf beiden Tischen waren sie um¬ geben und verschlungen mit Laubwerk Blumen- und Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬ ter gesehen als hier, und doch waren sie von Holz in
Stifter, Nachsommer. I. 9
Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich mich in dieſem Zimmer befand, die meine Geiſtes¬ thätigkeit in Anſpruch nahm. Es kam mir nehmlich vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr ſo ſeltſam ſei, als er mir geſtern und als er mir heute erſchienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze geſehen hatte. Bei dieſen Geräthen erſchien er mir eher als zuſtimmend und hieher gehörig, und ich be¬ gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht noch dieſen Anzug billigen werde, und daß der alte Mann in dieſer Hinſicht verſtändiger ſein dürfte als ich.
Außer dem Schreibſchreine erregten noch zwei Tiſche meine Aufmerkſamkeit, die an Größe gleich waren, und auch ſonſt gleiche Geſtalt hatten, ſich aber nur darin unterſchieden, daß jeder auf ſeiner Platte eine andere Geſtaltung trug. Sie hatten nehmlich jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und adeliche Geſchlechter führten, nur waren die Schilde nicht gleich. Aber auf beiden Tiſchen waren ſie um¬ geben und verſchlungen mit Laubwerk Blumen- und Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬ ter geſehen als hier, und doch waren ſie von Holz in
Stifter, Nachſommer. I. 9
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0143"n="129"/><p>Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich<lb/>
mich in dieſem Zimmer befand, die meine Geiſtes¬<lb/>
thätigkeit in Anſpruch nahm. Es kam mir nehmlich<lb/>
vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr ſo<lb/>ſeltſam ſei, als er mir geſtern und als er mir heute<lb/>
erſchienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze<lb/>
geſehen hatte. Bei dieſen Geräthen erſchien er mir<lb/>
eher als zuſtimmend und hieher gehörig, und ich be¬<lb/>
gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht<lb/>
noch dieſen Anzug billigen werde, und daß der alte<lb/>
Mann in dieſer Hinſicht verſtändiger ſein dürfte<lb/>
als ich.</p><lb/><p>Außer dem Schreibſchreine erregten noch zwei<lb/>
Tiſche meine Aufmerkſamkeit, die an Größe gleich<lb/>
waren, und auch ſonſt gleiche Geſtalt hatten, ſich aber<lb/>
nur darin unterſchieden, daß jeder auf ſeiner Platte<lb/>
eine andere Geſtaltung trug. Sie hatten nehmlich<lb/>
jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und<lb/>
adeliche Geſchlechter führten, nur waren die Schilde<lb/>
nicht gleich. Aber auf beiden Tiſchen waren ſie um¬<lb/>
geben und verſchlungen mit Laubwerk Blumen- und<lb/>
Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der<lb/>
Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬<lb/>
ter geſehen als hier, und doch waren ſie von Holz in<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Stifter</hi>, Nachſommer. <hirendition="#aq">I</hi>. 9<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[129/0143]
Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich
mich in dieſem Zimmer befand, die meine Geiſtes¬
thätigkeit in Anſpruch nahm. Es kam mir nehmlich
vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr ſo
ſeltſam ſei, als er mir geſtern und als er mir heute
erſchienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze
geſehen hatte. Bei dieſen Geräthen erſchien er mir
eher als zuſtimmend und hieher gehörig, und ich be¬
gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht
noch dieſen Anzug billigen werde, und daß der alte
Mann in dieſer Hinſicht verſtändiger ſein dürfte
als ich.
Außer dem Schreibſchreine erregten noch zwei
Tiſche meine Aufmerkſamkeit, die an Größe gleich
waren, und auch ſonſt gleiche Geſtalt hatten, ſich aber
nur darin unterſchieden, daß jeder auf ſeiner Platte
eine andere Geſtaltung trug. Sie hatten nehmlich
jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und
adeliche Geſchlechter führten, nur waren die Schilde
nicht gleich. Aber auf beiden Tiſchen waren ſie um¬
geben und verſchlungen mit Laubwerk Blumen- und
Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der
Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬
ter geſehen als hier, und doch waren ſie von Holz in
Stifter, Nachſommer. I. 9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/143>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.