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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich
mich in diesem Zimmer befand, die meine Geistes¬
thätigkeit in Anspruch nahm. Es kam mir nehmlich
vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr so
seltsam sei, als er mir gestern und als er mir heute
erschienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze
gesehen hatte. Bei diesen Geräthen erschien er mir
eher als zustimmend und hieher gehörig, und ich be¬
gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht
noch diesen Anzug billigen werde, und daß der alte
Mann in dieser Hinsicht verständiger sein dürfte
als ich.

Außer dem Schreibschreine erregten noch zwei
Tische meine Aufmerksamkeit, die an Größe gleich
waren, und auch sonst gleiche Gestalt hatten, sich aber
nur darin unterschieden, daß jeder auf seiner Platte
eine andere Gestaltung trug. Sie hatten nehmlich
jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und
adeliche Geschlechter führten, nur waren die Schilde
nicht gleich. Aber auf beiden Tischen waren sie um¬
geben und verschlungen mit Laubwerk Blumen- und
Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der
Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬
ter gesehen als hier, und doch waren sie von Holz in

Stifter, Nachsommer. I. 9

Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich
mich in dieſem Zimmer befand, die meine Geiſtes¬
thätigkeit in Anſpruch nahm. Es kam mir nehmlich
vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr ſo
ſeltſam ſei, als er mir geſtern und als er mir heute
erſchienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze
geſehen hatte. Bei dieſen Geräthen erſchien er mir
eher als zuſtimmend und hieher gehörig, und ich be¬
gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht
noch dieſen Anzug billigen werde, und daß der alte
Mann in dieſer Hinſicht verſtändiger ſein dürfte
als ich.

Außer dem Schreibſchreine erregten noch zwei
Tiſche meine Aufmerkſamkeit, die an Größe gleich
waren, und auch ſonſt gleiche Geſtalt hatten, ſich aber
nur darin unterſchieden, daß jeder auf ſeiner Platte
eine andere Geſtaltung trug. Sie hatten nehmlich
jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und
adeliche Geſchlechter führten, nur waren die Schilde
nicht gleich. Aber auf beiden Tiſchen waren ſie um¬
geben und verſchlungen mit Laubwerk Blumen- und
Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der
Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬
ter geſehen als hier, und doch waren ſie von Holz in

Stifter, Nachſommer. I. 9
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[129/0143] Auch eine andere Beobachtung machte ich, da ich mich in dieſem Zimmer befand, die meine Geiſtes¬ thätigkeit in Anſpruch nahm. Es kam mir nehmlich vor, daß der Anzug meines Begleiters nicht mehr ſo ſeltſam ſei, als er mir geſtern und als er mir heute erſchienen war, da ich ihn auf dem Fütterungsplaze geſehen hatte. Bei dieſen Geräthen erſchien er mir eher als zuſtimmend und hieher gehörig, und ich be¬ gann die Vermuthung zu hegen, daß ich vielleicht noch dieſen Anzug billigen werde, und daß der alte Mann in dieſer Hinſicht verſtändiger ſein dürfte als ich. Außer dem Schreibſchreine erregten noch zwei Tiſche meine Aufmerkſamkeit, die an Größe gleich waren, und auch ſonſt gleiche Geſtalt hatten, ſich aber nur darin unterſchieden, daß jeder auf ſeiner Platte eine andere Geſtaltung trug. Sie hatten nehmlich jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und adeliche Geſchlechter führten, nur waren die Schilde nicht gleich. Aber auf beiden Tiſchen waren ſie um¬ geben und verſchlungen mit Laubwerk Blumen- und Pflanzenwelt, und nie habe ich die feinen Fäden der Halme der Pflanzenbärte und der Getreideähren zar¬ ter geſehen als hier, und doch waren ſie von Holz in Stifter, Nachſommer. I. 9

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/143>, abgerufen am 13.05.2024.