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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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Zeit zu verfertigen mit Spuren des Lernens an ver¬
gangnen Zeiten. Haben ja selbst unsere Vorfahrer
aus ihren Vorfahrern geschöpft, diese wieder aus den
ihrigen, und so fort, bis man auf unbedeutende und
kindische Anfänge stößt. Überall aber sind die eigent¬
lichen Lehrmeister die Werke der Natur gewesen.

"Sind solche neugemachte Gegenstände in eurem
Hause vorhanden?" fragte ich.

"Nichts von Bedeutung," antwortete er, "einige
sind an verschiedenen Punkten der Gegend zerstreut,
einige sind in einem anderen Orte als in diesem Hause
gesammelt. Wenn ihr Lust zu solchen Dingen habt,
oder sie in Zukunft fassen solltet, und euer Weg euch
wieder einmal hieher führt, so wird es nicht schwer
sein, euch an den Ort zu geleiten, wo ihr mehrere un¬
serer besten Gegenstände sehen könnt."

"Es sind der Wege sehr verschiedene," erwiederte
ich, "die die Menschen gehen, und wer weiß es, ob der
Weg, der mich wegen eines Gewitters zu euch herauf
geführt hat, nicht ein sehr guter Weg gewesen ist,
und ob ich ihn nicht noch einmal gehe."

"Ihr habt da ein sehr wahres Wort gesprochen,"
antwortete er, "die Wege der Menschen sind sehr ver¬

Stifter, Nachsommer. I. 10

Zeit zu verfertigen mit Spuren des Lernens an ver¬
gangnen Zeiten. Haben ja ſelbſt unſere Vorfahrer
aus ihren Vorfahrern geſchöpft, dieſe wieder aus den
ihrigen, und ſo fort, bis man auf unbedeutende und
kindiſche Anfänge ſtößt. Überall aber ſind die eigent¬
lichen Lehrmeiſter die Werke der Natur geweſen.

„Sind ſolche neugemachte Gegenſtände in eurem
Hauſe vorhanden?“ fragte ich.

„Nichts von Bedeutung,“ antwortete er, „einige
ſind an verſchiedenen Punkten der Gegend zerſtreut,
einige ſind in einem anderen Orte als in dieſem Hauſe
geſammelt. Wenn ihr Luſt zu ſolchen Dingen habt,
oder ſie in Zukunft faſſen ſolltet, und euer Weg euch
wieder einmal hieher führt, ſo wird es nicht ſchwer
ſein, euch an den Ort zu geleiten, wo ihr mehrere un¬
ſerer beſten Gegenſtände ſehen könnt.“

„Es ſind der Wege ſehr verſchiedene,“ erwiederte
ich, „die die Menſchen gehen, und wer weiß es, ob der
Weg, der mich wegen eines Gewitters zu euch herauf
geführt hat, nicht ein ſehr guter Weg geweſen iſt,
und ob ich ihn nicht noch einmal gehe.“

„Ihr habt da ein ſehr wahres Wort geſprochen,“
antwortete er, „die Wege der Menſchen ſind ſehr ver¬

Stifter, Nachſommer. I. 10
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[145/0159] Zeit zu verfertigen mit Spuren des Lernens an ver¬ gangnen Zeiten. Haben ja ſelbſt unſere Vorfahrer aus ihren Vorfahrern geſchöpft, dieſe wieder aus den ihrigen, und ſo fort, bis man auf unbedeutende und kindiſche Anfänge ſtößt. Überall aber ſind die eigent¬ lichen Lehrmeiſter die Werke der Natur geweſen. „Sind ſolche neugemachte Gegenſtände in eurem Hauſe vorhanden?“ fragte ich. „Nichts von Bedeutung,“ antwortete er, „einige ſind an verſchiedenen Punkten der Gegend zerſtreut, einige ſind in einem anderen Orte als in dieſem Hauſe geſammelt. Wenn ihr Luſt zu ſolchen Dingen habt, oder ſie in Zukunft faſſen ſolltet, und euer Weg euch wieder einmal hieher führt, ſo wird es nicht ſchwer ſein, euch an den Ort zu geleiten, wo ihr mehrere un¬ ſerer beſten Gegenſtände ſehen könnt.“ „Es ſind der Wege ſehr verſchiedene,“ erwiederte ich, „die die Menſchen gehen, und wer weiß es, ob der Weg, der mich wegen eines Gewitters zu euch herauf geführt hat, nicht ein ſehr guter Weg geweſen iſt, und ob ich ihn nicht noch einmal gehe.“ „Ihr habt da ein ſehr wahres Wort geſprochen,“ antwortete er, „die Wege der Menſchen ſind ſehr ver¬ Stifter, Nachſommer. I. 10

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/159>, abgerufen am 13.05.2024.