Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Als man in Erfahrung brachte, daß ich alterthüm¬
liche Gegenstände kaufe, brachte man mir solche, oder
zeigte mir die Orte an, wo sie zu finden wären. Auch
vereinigten sich mit uns hie und da Männer, welche
auf die Dinge des Alterthums ihr Augenmerk richte¬
ten, uns darüber schrieben, und wohl auch Zeichnun¬
gen einsandten. So erweiterte sich unser Kreis immer
mehr. Ungehörige Ausbesserungen aus früheren Zei¬
ten gaben ebenfalls Stoff zu erneuerter Arbeit, und
da wir Anfangs auch an verschiedenen Orten arbeiten
ließen, und häufig genöthigt waren, die Orte zu
wechseln, ehe wir uns hier niederließen, so verschleppte
sich manche Zeit, und die Arbeitsgegenstände mehr¬
ten sich. Endlich geriethen wir auch auf den Gedan¬
ken, neue Gegenstände zu verfertigen. Wir geriethen
auf ihn durch die alten Dinge, die wir immer in den
Händen hatten. Diese neuen Gegenstände wurden
aber nicht in der Gestalt gemacht, wie sie jezt ge¬
bräuchlich sind, sondern wie wir sie für schön hielten.
Wir lernten an dem Alten; aber wir ahmten es nicht
nach, wie es noch zuweilen in der Baukunst geschieht,
in der man in einem Stile, zum Beispiele in dem
sogenannten gothischen, ganze Bauwerke nachbildet.
Wir suchten selbstständige Gegenstände für die jezige

Als man in Erfahrung brachte, daß ich alterthüm¬
liche Gegenſtände kaufe, brachte man mir ſolche, oder
zeigte mir die Orte an, wo ſie zu finden wären. Auch
vereinigten ſich mit uns hie und da Männer, welche
auf die Dinge des Alterthums ihr Augenmerk richte¬
ten, uns darüber ſchrieben, und wohl auch Zeichnun¬
gen einſandten. So erweiterte ſich unſer Kreis immer
mehr. Ungehörige Ausbeſſerungen aus früheren Zei¬
ten gaben ebenfalls Stoff zu erneuerter Arbeit, und
da wir Anfangs auch an verſchiedenen Orten arbeiten
ließen, und häufig genöthigt waren, die Orte zu
wechſeln, ehe wir uns hier niederließen, ſo verſchleppte
ſich manche Zeit, und die Arbeitsgegenſtände mehr¬
ten ſich. Endlich geriethen wir auch auf den Gedan¬
ken, neue Gegenſtände zu verfertigen. Wir geriethen
auf ihn durch die alten Dinge, die wir immer in den
Händen hatten. Dieſe neuen Gegenſtände wurden
aber nicht in der Geſtalt gemacht, wie ſie jezt ge¬
bräuchlich ſind, ſondern wie wir ſie für ſchön hielten.
Wir lernten an dem Alten; aber wir ahmten es nicht
nach, wie es noch zuweilen in der Baukunſt geſchieht,
in der man in einem Stile, zum Beiſpiele in dem
ſogenannten gothiſchen, ganze Bauwerke nachbildet.
Wir ſuchten ſelbſtſtändige Gegenſtände für die jezige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="144"/>
Als man in Erfahrung brachte, daß ich alterthüm¬<lb/>
liche Gegen&#x017F;tände kaufe, brachte man mir &#x017F;olche, oder<lb/>
zeigte mir die Orte an, wo &#x017F;ie zu finden wären. Auch<lb/>
vereinigten &#x017F;ich mit uns hie und da Männer, welche<lb/>
auf die Dinge des Alterthums ihr Augenmerk richte¬<lb/>
ten, uns darüber &#x017F;chrieben, und wohl auch Zeichnun¬<lb/>
gen ein&#x017F;andten. So erweiterte &#x017F;ich un&#x017F;er Kreis immer<lb/>
mehr. Ungehörige Ausbe&#x017F;&#x017F;erungen aus früheren Zei¬<lb/>
ten gaben ebenfalls Stoff zu erneuerter Arbeit, und<lb/>
da wir Anfangs auch an ver&#x017F;chiedenen Orten arbeiten<lb/>
ließen, und häufig genöthigt waren, die Orte zu<lb/>
wech&#x017F;eln, ehe wir uns hier niederließen, &#x017F;o ver&#x017F;chleppte<lb/>
&#x017F;ich manche Zeit, und die Arbeitsgegen&#x017F;tände mehr¬<lb/>
ten &#x017F;ich. Endlich geriethen wir auch auf den Gedan¬<lb/>
ken, neue Gegen&#x017F;tände zu verfertigen. Wir geriethen<lb/>
auf ihn durch die alten Dinge, die wir immer in den<lb/>
Händen hatten. Die&#x017F;e neuen Gegen&#x017F;tände wurden<lb/>
aber nicht in der Ge&#x017F;talt gemacht, wie &#x017F;ie jezt ge¬<lb/>
bräuchlich &#x017F;ind, &#x017F;ondern wie wir &#x017F;ie für &#x017F;chön hielten.<lb/>
Wir lernten an dem Alten; aber wir ahmten es nicht<lb/>
nach, wie es noch zuweilen in der Baukun&#x017F;t ge&#x017F;chieht,<lb/>
in der man in einem Stile, zum Bei&#x017F;piele in dem<lb/>
&#x017F;ogenannten gothi&#x017F;chen, ganze Bauwerke nachbildet.<lb/>
Wir &#x017F;uchten &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändige Gegen&#x017F;tände für die jezige<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0158] Als man in Erfahrung brachte, daß ich alterthüm¬ liche Gegenſtände kaufe, brachte man mir ſolche, oder zeigte mir die Orte an, wo ſie zu finden wären. Auch vereinigten ſich mit uns hie und da Männer, welche auf die Dinge des Alterthums ihr Augenmerk richte¬ ten, uns darüber ſchrieben, und wohl auch Zeichnun¬ gen einſandten. So erweiterte ſich unſer Kreis immer mehr. Ungehörige Ausbeſſerungen aus früheren Zei¬ ten gaben ebenfalls Stoff zu erneuerter Arbeit, und da wir Anfangs auch an verſchiedenen Orten arbeiten ließen, und häufig genöthigt waren, die Orte zu wechſeln, ehe wir uns hier niederließen, ſo verſchleppte ſich manche Zeit, und die Arbeitsgegenſtände mehr¬ ten ſich. Endlich geriethen wir auch auf den Gedan¬ ken, neue Gegenſtände zu verfertigen. Wir geriethen auf ihn durch die alten Dinge, die wir immer in den Händen hatten. Dieſe neuen Gegenſtände wurden aber nicht in der Geſtalt gemacht, wie ſie jezt ge¬ bräuchlich ſind, ſondern wie wir ſie für ſchön hielten. Wir lernten an dem Alten; aber wir ahmten es nicht nach, wie es noch zuweilen in der Baukunſt geſchieht, in der man in einem Stile, zum Beiſpiele in dem ſogenannten gothiſchen, ganze Bauwerke nachbildet. Wir ſuchten ſelbſtſtändige Gegenſtände für die jezige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/158
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/158>, abgerufen am 24.11.2024.