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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857.

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so wie man diese Bauwerke nicht aus Mangel der
Mittel unvollendet ließ, sondern aus anderen Grün¬
den."

Ich sagte nach diesen Worten, daß ich in dem be¬
rührten Punkte weniger unterrichtet sei; aber in einem
anderen Punkte könnte ich vielleicht etwas sagen,
nehmlich in Hinsicht der Zeichnungen. "Ich habe durch
längere Zeit her Pflanzen Steine Thiere und andere
Dinge gezeichnet, habe mich sehr geübt, und dürfte
daher etwa ein Urtheil wagen können. Diese Zeich¬
nungen erscheinen mir in Reinheit der Linien in Rich¬
tigkeit des Perspectives in kluger Hinstellung jedes
Körpertheiles und in passender Anwendung der Far¬
ben als ganz vortrefflich, und ich fühle mich gedrun¬
gen, dieses zu sagen."

Der Meister sagte zu diesem Lobe nichts, sondern
er senkte den Blick zu Boden, meinen Gastfreund aber
schien mein Urtheil zu freuen.

Er bedeutete den Meister, die Mappe zusammen
zu binden, und in die Lade zu legen, was auch ge¬
schah.

Wir gingen von diesem Zimmer in die weiteren
Räume des Schreinerhauses. Als wir über die
Schwelle schritten, dachte ich, daß ich von alterthüm¬

Stifter, Nachsommer. I. 11

ſo wie man dieſe Bauwerke nicht aus Mangel der
Mittel unvollendet ließ, ſondern aus anderen Grün¬
den.“

Ich ſagte nach dieſen Worten, daß ich in dem be¬
rührten Punkte weniger unterrichtet ſei; aber in einem
anderen Punkte könnte ich vielleicht etwas ſagen,
nehmlich in Hinſicht der Zeichnungen. „Ich habe durch
längere Zeit her Pflanzen Steine Thiere und andere
Dinge gezeichnet, habe mich ſehr geübt, und dürfte
daher etwa ein Urtheil wagen können. Dieſe Zeich¬
nungen erſcheinen mir in Reinheit der Linien in Rich¬
tigkeit des Perſpectives in kluger Hinſtellung jedes
Körpertheiles und in paſſender Anwendung der Far¬
ben als ganz vortrefflich, und ich fühle mich gedrun¬
gen, dieſes zu ſagen.“

Der Meiſter ſagte zu dieſem Lobe nichts, ſondern
er ſenkte den Blick zu Boden, meinen Gaſtfreund aber
ſchien mein Urtheil zu freuen.

Er bedeutete den Meiſter, die Mappe zuſammen
zu binden, und in die Lade zu legen, was auch ge¬
ſchah.

Wir gingen von dieſem Zimmer in die weiteren
Räume des Schreinerhauſes. Als wir über die
Schwelle ſchritten, dachte ich, daß ich von alterthüm¬

Stifter, Nachſommer. I. 11
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[161/0175] ſo wie man dieſe Bauwerke nicht aus Mangel der Mittel unvollendet ließ, ſondern aus anderen Grün¬ den.“ Ich ſagte nach dieſen Worten, daß ich in dem be¬ rührten Punkte weniger unterrichtet ſei; aber in einem anderen Punkte könnte ich vielleicht etwas ſagen, nehmlich in Hinſicht der Zeichnungen. „Ich habe durch längere Zeit her Pflanzen Steine Thiere und andere Dinge gezeichnet, habe mich ſehr geübt, und dürfte daher etwa ein Urtheil wagen können. Dieſe Zeich¬ nungen erſcheinen mir in Reinheit der Linien in Rich¬ tigkeit des Perſpectives in kluger Hinſtellung jedes Körpertheiles und in paſſender Anwendung der Far¬ ben als ganz vortrefflich, und ich fühle mich gedrun¬ gen, dieſes zu ſagen.“ Der Meiſter ſagte zu dieſem Lobe nichts, ſondern er ſenkte den Blick zu Boden, meinen Gaſtfreund aber ſchien mein Urtheil zu freuen. Er bedeutete den Meiſter, die Mappe zuſammen zu binden, und in die Lade zu legen, was auch ge¬ ſchah. Wir gingen von dieſem Zimmer in die weiteren Räume des Schreinerhauſes. Als wir über die Schwelle ſchritten, dachte ich, daß ich von alterthüm¬ Stifter, Nachſommer. I. 11

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 1. Pesth, 1857, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer01_1857/175>, abgerufen am 21.11.2024.